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Nach 30 Jahren wieder auf der Bühne - Klaus Lenz. Foto: Gottfried Schalow
Nach 30 Jahren wieder auf der Bühne - Klaus Lenz. Foto: Gottfried Schalow
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Klassentreffen mit Klaus Lenz: DDR-Bandleader wieder auf Tournee

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„Klaus Lenz für Fenz“ hieß eine 1970 bei Amiga erschienene Langspielplatte der erfolgreichsten Big-Band der DDR. Vier Jahrzehnte später war es ein einziger Fan, der den inzwischen 70-Jährigen Klaus Lenz zum Comeback überredete: Bernd Ganßauge aus dem sächsischen Wurzen. Ein ganz Jahr hatte er Lenz bearbeitet, doch noch einmal die Trompete in die Hand zu nehmen, regelrechte Bettelbriefe geschrieben und sich zunächst immer wieder eine Abfuhr geholt. Dann fing Lenz Feuer: „Ich habe meine alten Arrangements, die ich zum Glück noch hatte, herausgekramt, tausend Blatt Notenpapier beschrieben und sie an meine alten Weggefährten geschickt und so viel mit meiner Trompete geübt, wie mein ganzes Leben lang nicht.“

Dann war es so weit: Klaus Lenz stand wieder auf der Bühne, für eine Tournee durch fünf ostdeutsche Städte – allesamt ausverkauft, wie zu seinen besten Zeiten. Es mutete an wie ein Klassentreffen. Lenz hatte fast alle seine alten Weggefährten zusammengetrommelt: Conrad Bauer und Hermann Anders an den Posaunen, Ernst-Ludwig Petrowsky und Konrad Körner an den Saxofonen, den Keyboarder Wolfgang Fiedler und die Sänger Uschi Brüning und Hansi Klemm. Und Lenz hatte sich zum Glück auch gar nicht die Mühe gemacht, neue Stücke einstudieren zu wollen, sondern genau das ins Programm genommen, was zu seinen besten Zeiten immer drin war: Viel Blood, Sweat & Tears, Chick Coreas La Fiesta, Dizzy Gillespies Night in Tunisia, ein paar Stücke von Ray Charles, ein paar von Horace Silver. Die Zeitreise war komplett. „Früher haben wir das alles aus dem Kopf gespielt, jetzt steckte richtig harte Arbeit dahinter“, sagte Lenz erschöpft nach den Mammut-Konzerten, die immerhin dreieinhalb Stunden Laufzeiten hatten. Den Tourneestress war er sichtlich nicht mehr gewöhnt. Deshalb sagte er hinterher auch kategorisch: „Das war eine einmalige Angelegenheit.“ Auch, weil seine 20-köpfige Band trotz ausverkaufter Häuser nicht zu finanzieren ist. „Es hängen ja jedes Mal auch noch Übernachtungen dran“, sagt Lenz, der 30 Jahre lang keine Musik mehr gemacht hatte, dafür überaus erfolgreich noch einmal einen völlig neuen Beruf erlernte.

1977, ein Jahr nach der Ausbürgerung Wolf Biermanns, verließ auch Lenz die DDR in Richtung Köln. Dort aber stieß er schnell auf Hindernisse. Kein Mensch kannte ihn, mühsam hielt er sich zunächst mit Gelegenheitsjobs beim Karneval und auf Kreuzfahrtschiffen über Wasser. Drei Schallplattenveröffentlichungen folgten noch im Westen, dann legte er die Trompete endgültig aus der Hand. Drei Jahrzehnte lang. Lenz begann, alte Türen zu restaurieren, gründete eine eigene Firma und hübschte damit Fachwerkhäuser und alte Burgen am Rhein auf. „Ich bin zufrieden und mit mir im reinen“, sagte er nach der Konzert-Tournee. Und zufrieden, dass er sein Comeback „gut gemacht“ hat.
 

Die Band ist nocheinmal zu erleben am 3.9.2010 bei Jazz in Town - Berlin Köpenick

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