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Verdis „Don Carlo“ am Theater Osnabrück. Foto: Stephan Glagla
Verdis „Don Carlo“ am Theater Osnabrück. Foto: Stephan Glagla
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Machterhalt statt Emotion: Giuseppe Verdis „Don Carlo“ am Theater Osnabrück

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Es liegt kein Segen auf dieser Geschichte von unmöglicher Liebe, von unbedingter Staatsräson und dem Drang nach Freiheit anstelle brutaler Unterdrückung. Friedrich Schillers Drama „Don Karlos“ kreist um die politischen Zwänge, in der sich Philipp II., König von Spanien, befindet. Und mit ihm Elisabetta, seine zukünftige Ehefrau wider Willen. Und natürlich Don Karlos

Giuseppe Verdi hat bekanntlich aus Schillers literarischer Vorlage eine packende Oper gemacht. Das Theater Osnabrück eröffnete nun mit Verdis Meisterwerk die aktuelle Opernsaison und zeigt die vieraktige italienische Fassung. Der Engländer Sam Brown führt Regie. Ein ganz großer Wurf ist Browns Inszenierung nicht. Zwar lohnt es sich unter musikalischem Aspekt unbedingt zuzuhören. Doch was Verdis Musik über drei Stunden lang so plastisch, so greifbar und emotional berührend schildert, findet kaum Entsprechung im Geschehen auf der Bühne. Leidenschaft, Enttäuschung, unerfüllte Sehnsucht und Hoffnung, auch die finstere Macht der Kirche in Form des Großinquisitors – alles ist in Verdis Klängen angelegt und wird ganz direkt spürbar.

Doch Sam Brown lässt sich davon nicht sonderlich inspirieren. Denn auf der eher nüchtern gehaltenen, aber sehr praktisch zu handhabenden Bühne mit verschiebbaren Elementen aus Türen und Fenstern (Bengt Gomér) kommen echte Gefühle zu kurz: Elisabetta und der von ihr begehrte Don Carlo, Don Carlo und der Marquis de Posa, die Gelüste der Prinzessin Eboli – das alles wirkt eher statuarisch und ohne glaubwürdige Gestik. Aber womöglich ist das von der Regie so gewollt. Um nichts als Machtausübung, Machterhalt auf Kosten menschlicher Beziehungen scheint es Brown zu gehen. Mit dem Strippenzieher Posa im Zentrum, mag man sich fragen? Denn der liegt ganz am Ende nicht ermordet an der Seite Don Carlos sondern steht auf kraftvollen Beinen anstelle Karls V. in dessen Gruft. Die tödliche Attacke auf ihn war nur vorgetäuscht!

Ist Posa jetzt der neue König? Womöglich. Denn auch das Autodafé scheint hier eine Umdeutung zu erfahren: Es richtet sich nicht gegen Aufständige aus Flandern, die den Scheiterhaufen erwarten. Vielmehr stürmt ein Mob aus Wutbürgern auf die Bühne. Es sind dieselben Typen, die Donald Trump im Januar 2021 zum Angriff auf das Kapitol aufgehetzt hat. Eine Revolte gegen Philipp? Mit dem Großinquisitor in Ku-Klux-Klan-Maskierung an der Spitze? Auch so eine der Fragen, die Browns Inszenierung aufwirft.

In Verdis Musik bleibt alles „beim Alten“. Und so strömt sie auch weitgehend aus dem Orchestergraben, in dem GMD Andreas Hotz ein gut aufgelegtes Osnabrücker Symphonieorchester dirigiert, ihm schöne Farben und instrumentale Soli entlockt. Das macht Vergnügen. Auch sängerisch hat Osnabrück durchaus etwas zu bieten. Neben der formidablen Elisabetta, dargestellt von Susann Vent-Wunderlich, überzeugen Erik Rousi als ein Philipp von markiger Statur, Olga Privalova als verführerische Eboli (deren „Maurischer Tanz“ zum Stehtheater degradiert wird) und Magnus Piontek in der Rolle des Inquisitors. Dmitry Lavrov als Marquis de Posa singt sehr solide, bekommt aber wenig Gelegenheit, schauspielerisches Potenzial zu mobilisieren. Da darf James Edgar Knight als Don Carlo durchaus mehr geben, singt aber im Dauer-Fortissimo zum Nachteil seiner Kollegen in all den Ensembles, die Verdi so grandios ersonnen hat.

Weitere Termine: 14., 16., 27. Oktober; 1., 6., 19. November 2022

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