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Simon Rattle
Dirigent Sir Simon Rattle erhält hohen Verdienstorden. Foto: Hufner
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München ein bisschen aufrütteln – Sir Simon Rattle übernimmt Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks ab Herbst 2023

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„Aber bitte mit Sahne…“ gilt so in etwa für das Münchner Kulturselbstverständnis. Auch wenn Berlin Bundeshauptstadt ist, die dortigen Philharmoniker schon Weltklasse sind und ein immer noch fabulöses Konzertgebäude bespielen: München kann sich mit Mozart-, Wagner-, Strauss-, etlichen anderen Uraufführungen und eben dem „SO des BR“ auch in die Welt-Liga der Musik einreihen. Deshalb ist das Beste gerade gut genug. Ein Kommentar von Wolf-Dieter Peter.

Reaktion eins: Wenn man einen Maazel, Celibidache, Levine oder Mehta in der Stadt hatte, wenn man die derzeit wohl herausragende Begabung, einen Kirill Petrenko an Berlin abgegeben hat, dann muss – nach dem Tod von Mariss Jansons - was Großkalibriges den seit einem Jahr verwaisten Chefsessel des „SO“ einnehmen. Schließlich kam ein Weltstar wie Leonard Bernstein zu seiner „Tristan“-Einspielung eben zum „SO“ – und deutlich weniger glamourös, aber von selten anzutreffender Tiefe und Herzenswärme war die Ära des unvergesslichen Rafael Kubelik als Chef des „SO“. Ein SO-Konzert unter Kubelik mit Beethovens 9.Symphonie soll 1970 in Liverpool einen prägenden Eindruck hinterlassen haben: der Teenager Simon wollte so ein Dirigent werden.

Reaktion zwei: „Rattle-di-tattle“… na, da kommt einer, der wird dem stets gediegenen, mitunter auch selbstgefälligen Münchner Musikleben mal so etwas wie das Tanzen beibringen! Der 1955 geborene Liverpooler Simon Rattle hat schon in seiner ersten Chefposition beim zunächst nur regional bekannten Birmingham Symphony Orchestra internationales Aufsehen erregt. Seine von 2002 bis 2018, also ganze 16 Jahre währende Chef-Periode bei den Berliner Philharmonikern, führte das vor, was München jetzt gut tun wird: Neugier über gängige Repertoire-Bereiche hinaus – siehe seine Video-Box „Musik im 20.Jahrhundert“; ein Musizieren, das nicht auf emotionale Überwältigung zielt, sondern auf feine Klangreize und Durchhörbarkeit; dies und dazu die Freude an Monumenten der Klassik zeigen Rattles Einspielung der ersten zwei Werke aus Wagner „Ring des Nibelungen“ mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Vor allem aber „Kommunikation über Grenzen hinaus“: Rattle spielte mehrfach Filmmusik ein; er dirigierte bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in London; er initiierte ab 2002 mit den Berliner Philharmonikern das Projekt „Zukunft@BPhil“, mit und in dem Kinder an Musik herangeführt wurden – gipfelnd in dem Tanz-Projekt auf Strawinskys „Sacre du Printemps“, mehrfach preisgekrönt verfilmt als „Rhythm is it“. Auf dieser kommunikativen Schiene – niederschwellig erstklassige Kunst zu vermitteln - sollte München also einiges erwarten.

Außerdem kann das internationale Renommee, mit dem Rattle antreten wird, der problem- und jetzt auch finanziell belasteten Situation um einen neuen Münchner Konzertsaal-Bau nur zuträglich sein. Schon einmal hat der „british style“ um Sir Peter Jonas Münchens Musikleben in der Oper eine singuläre Blüte beschert. Das als Omen genommen: Welcome Sir Simon!

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