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Foto: Wilfried Hösl.
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Seit 1523 Musikgeschichte hörbar gemacht: 500 Jahre Bayerisches Staatsorchester

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Mehrfach ausgezeichnete Exzellenz – Mit einem Festakt zu seinem 500jährigen Bestehen eröffnet das Bayerische Staatsorchester ein ganzes Jubiläumsjahr.

Mit Kulturstaatsministerin Claudia Roth an der Spitze waren „alle da“ – im bis hin zu den Stehplätzen ausverkauften Nationaltheater. Während die Video-Schalte von Ministerpräsident Söder Unmutsreaktionen auslöste und ein peinlicher Versprecher mit höhnischem Beifall quittiert wurde, gab es auch begeisterten Applaus für die mehrfachen Grußworte: vor allem Kunstminister Markus Blume bekam lachenden Zuspruch für seine Feststellung, dass das Bayerische Reinheitsgebot, das Bier-Weltgeschichte gemacht hat, nur sieben Jahre jünger sei als die Klang-Reinheit, mit der das Staatsorchester seit 1523 Musikgeschichte hörbar mache.

Kein leeres Festtagsgerede: Allein zehnmal, davon achtmal in Folge heimste das Staatsorchester den Titel „Orchester des Jahres“ aus einer deutschen Kritikerumfrage ein; gleich im ersten Jahr der Etablierung des Labels für hauseigene CD- und DVD-Mitschnitte eroberte das „BSO“ im maßgebenden Fachmagazin „Gramophone“ von elf Preisen ganze vier, darunter auch in der Kategorie „Recording of the Year“; den Anfragen zu Tournee-Gastspielen im jeweiligen September vor Saisonbeginn kann nicht voll entsprochen werden … etliches andere … bis hin zur Ablehnung aller Bitten aus der Opernwelt, ob man nicht die originale Holztrompete, die Richard Wagner für das Jubel-Signal im 3. Aufzug „Tristan“ anfertigen ließ, ausleihen könne.

Jetzt wurde unter GMD Vladimir Jurowski erst einmal auftrumpfend begonnen: entsprechend der Uraufführung 1868 im einstigen Haus und der festlichen Eröffnung des wiederaufgebauten Nationaltheaters 1963 erklang das Vorspiel zum 1. Aufzug der „Meistersinger von Nürnberg“ – unschwelgerisch flüssig, mit einer gewissen hellen Härte in den Streichern, fern allem Wagner-Wohlfühl-Seim. Erfreulicherweise sprach dann Staatsintendant Serge Dorny vor allen Honoratioren die auf der Bühne sitzenden Musiker als Erste an: mit Stolz und Demut. Dann ging es zurück an die Anfänge: Der von Herzog Wilhelm IV. nach intensivem Werben 1523 nach München gelockte Ludwig Senfl wurde von zwölf Blechbläsern „Mit Lust trit ich in disen Tanz“ belebt. Den nächsten schon europaweit ausstrahlenden Künstler präsentierten dann neun Bläser: Orlando di Lasso Madrigal „Il magnanimo Pietro“ in Bearbeitung für Blechinstrumente.

Nach weiteren Grußworten breitete dann GMD Jurowski mit dem Staatsorchester in Großbesetzung den Klangzauber und die Opulenz von Richard Strauss‘ „Alpensinfonie“ aus. Da war in klarer Zeichengebung letztlich alles da: der dämmernde Beginn einer Voralpenwanderung hinauf, das geradezu dionysische Schwelgen in den Melodiebögen des Sonnenaufgangs, die Naturlaute von Vögeln und Almglocken, das existentielle Ringen eines Ich in Dunkelheit, Visionen, Pauken- und Tamtam-Gedonner in Naturgewalten, klagenden Klängen eines Gespensterkonzerts bis hin zur Lösung im Streicher-Dolce des Sonnenuntergangs – einhelliger Jubel für ein großes Orchester-Panorama.

Ähnlich reizvoll hört sich aber das zuvor präsentierte Jahresprogramm an: von den lebenden und noch musizierenden „Chefs“ kommen Kent Nagano, Zubin Mehta und Kirill Petrenko zu einem Festkonzert – die ersten beiden mit je einer Uraufführung eigener Wahl, während Petrenko sowohl an die mehrfachen Auftritte Gustav Mahlers wie an die Uraufführung seiner 8. Symphonie durch GMD Bruno Walter erinnern will – mit einer Aufführung dieser herausfordernden „Symphonie der Tausend“. Obwohl schon die ungebrochene Reihe der „Akademiekonzerte“ seit 1811 mit ihrer Öffnung hin zum bürgerlichen Publikum eine Besonderheit darstellt, ragt aus vielen anderen Höhepunkten, etwa der Erinnerung an „Erstaufführung von Bruckners 7. Symphonie durch GMD Hermann Levi 1881“ eine weitere erinnernde Konzertbesonderheit heraus: im September 1881 brachte Clara Schumann in München erstmals das Klavierkonzert ihres Mannes zur Aufführung – was jetzt der in München ansässige und lehrende Gerhard Opitz übernehmen wird. Parallel zu einer Buch-Dokumentation im Sommer werden die Jugend-Arbeit mit „attacca“ und „Schule & Co“ fortgesetzt, lockt „Oper für Alle“ mit „Aida“ ins Open Air vor dem Theater und eine Vielzahl von Klein-Konzerten in Münchner Stadtteile.

Wird München oft als Stadt eines gewissen barocken Protzes mit Hang zu Selbstinszenierung abqualifiziert: jetzt und das ganze Jahr 2023 trumpft die Stadt auf mit „Musizieren – Brillieren – Jubilieren“!

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