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Das Klaviertrio Michel Reis, Marc Demut und Paul Wiltgen beim BMW Welt Jazz Award 2020. Foto: Ralf Dombrowski
Das Klaviertrio Michel Reis, Marc Demut und Paul Wiltgen beim BMW Welt Jazz Award 2020. Foto: Ralf Dombrowski
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Steigerungstexturen und Energiespitzen beim BMW Welt Jazz Award 2020

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Zu welch souveränen Resultaten es führen kann, wenn sich drei Musiker über einen langen Zeitraum kennen und ihre speziellen kreativen Eigenheiten ineinander wachsen lassen, demonstrierte am Dienstag das Klaviertrio mit Michel Reis, Marc Demuth und Paul Wiltgen beim BMW Welt Jazz Award 2020 in München.

Das Trio zeigte mehreres: Zum ersten dokumentiert es die Selbstverständlichkeit, mit der die klassische Form des jazzenden Miniaturorchesters zur Sphäre der improvisierenden Musik im weiteren Sinne gehört. Denn vieles, was die drei während des Abends andeuten und ausführen, hat sich über Jahrzehnte in aufsteigenden Linien der stilistischen Differenzierung vom energischen ästhetischen Aufbäumen bis zur motivischen Feinjustage als Ausdrucksform des kommunikativen Dreiecks etabliert. Zweitens zeigt es, dass es ebenso normal geworden ist, die rhythmischen Gewohnheiten und Sicherheiten zu verlassen, und neben dem swing-boppenden Kosmos und Balladenexkursen auch Beats von Drum & Bass bis Indie-Rock in die Gestaltung einzubeziehen.

Drittens aber führt es in diesem speziellen Fall vor, zu welchen souveränen Resultaten es führen kann, wenn sich drei Musiker über einen langen Zeitraum kennen und ihre speziellen kreativen Eigenheiten ineinander wachsen lassen. Der Pianist Michel Reis beispielsweise ist ein Freund der repetitiven Figuren, mag Hammering-Motive in der dezenten Nachfolge des Minimalismus und die kontrastive Konfrontation dieser flächig wirkenden Klangraumdominanz mit dynamischer Rücknahme und Reduktion auf kleine, kompakte Motive. Aus solchen gegensätzlichen Modellen entwickelt er Spannung, hinein in Steigerungstexturen und Energiespitzen, die er mit umfassender gestalterischer Übersicht zu entfalten und portionieren versteht.

Seit Widerpart ist der Schlagzeuger Paul Wiltgen, dessen Freude am kraftvollen Überschwang und der rhythmischen Brechung im Detail mit der pianistischen Fülle korrespondiert, manchmal auch bewusst kollidiert. Auch das sind Elemente der Spannungsgestaltung, in deren Mitte der Bassist Marc Demut als Vermittler fungiert. Seine Rolle umfasst das Klammern der Gesamtheit, Ausgleich und Fundamentierung, letztlich auch eine Tendenz zur Domestizierung der Opulenz, um das Poröse des Systems zu binden. Einen Konzertabend lang führt das Trio in der BMW Welt auf diese Weise durch die eigenen Kompositionen, von poppig eingängigen Motiven über weite Improvisationskaskaden bis hin zu feinen, kleinen Momenten der Rücknahme. Ein Klaviertrio auf dem Stand der Zeit.

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