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(v.li.): Preisübergabe Kompositionspreis der Stadt Stuttgart (v.li.): Andreas Eduardo Frank, Ashley Fure und Marc Gegenfurtner. Foto: Susanne van Loon
(v.li.): Preisübergabe Kompositionspreis der Stadt Stuttgart (v.li.): Andreas Eduardo Frank, Ashley Fure und Marc Gegenfurtner. Foto: Susanne van Loon
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Stuttgarter ECLAT im Hier und Jetzt – Das Preisträger*innenkonzert

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2020 stand mit 43 Werken und 26 Uraufführungen erneut die Musik von heute im Zentrum – Andreas Kolb berichtet ausführlich vom Preisträger*innenkonzert des Kompositionspreises der Stadt Stuttgart mit Ashley Fure und Andreas Eduardo Frank.

Das Festival ECLAT erinnerte dieses Jahr an „40 Jahre neue Musik in Stuttgart“. 1980 als „Tage für Neue Musik“ von Musikern der Stadt gegründet, sprach es Publika in ganz diversen Spielorten Stuttgarts wie dem Planetarium, der Alten Reithalle oder dem früheren Theaterhaus in Stuttgart-Wangen an. Das ECLAT-Festival selbst gab es dann seit 1998. Seine endgültige Heimat fand ECLAT 2003 im neuen Theaterhaus am Stuttgarter Pragsattel, wo seither unter europaweit recht einmaligen Produktionsbedingungen Gegenwartsmusik produziert wird. Wer anlässlich des Jubiläums eher Retrospektivisches erwartet hatte, wurde enttäuscht. Die Macher und Gesichter von früher wie der SWR-Redakteur und Regisseur Hans Peter Jahn oder die Komponisteninterpreten Albrecht Imbescheid und András Hamary – um nur drei Namen stellvertretend für viele zu nennen – fehlten.

Man denkt bei ECLAT eben im Hier und Jetzt: 2020 stand mit 43 Werken und 26 Uraufführungen erneut die Musik von heute im Zentrum. Im vierzigsten Jahr des Festivals war noch ein weiterer 40-Jähriger zu Gast: das Ensemble Modern, das ein sensationelles Preisverleihungskonzert im Rahmen des Kompositionspreis der Stadt Stuttgart spielte. Der konnte 2020 zwar nicht mit einem runden Jubiläum aufwarten, ist aber mit seinen 64 Jahren der dienstälteste deutsche Kompositionspreis und hat seit 1978 – also seit 42 Jahren – mit Vivienne Olive und Renate M. Birnstein erstmals – und dann immer häufiger – auch Frauen unter den Ausgezeichneten.

Um den 64. Kompositionspreis 2019 haben sich 17 Komponistinnen und 53 Komponisten mit insgesamt 124 Werken beworben. Mit den Werken „Noise is a common sound – I“ (2018) von Andreas Eduardo Frank und „Bound to the Bow“ (2016) von Ashley Fure hat die Jury 2019 unter dem Vorsitz von Mike Svoboda eine gute Wahl getroffen. Man hatte entschieden, den mit 12.000 Euro dotierten Kompositionspreis in zwei gleichen Teilen von jeweils 6.000 Euro zu vergeben und so ging der Preis 2019 an die US-amerikanische Komponistin Ashley Fure und an den deutschen Komponisten Andreas Eduardo Frank. Letzterer arbeitet in seinen Werken an der Schnittstelle zwischen real und virtuell, zwischen Musik, Performance, Video und Theater. Den nmz-Leser*innen dürfte er als Preisträger des JukeBoxx NewMusic Awards 2017 bekannt sein, den die neue musikzeitung zusammen mit der Christoph und Stephan Kaske Stiftung ins Leben gerufen hat.

Im Rahmen eines Preisträger*innenkonzertes fand auch die Preisverleihung mit der Übergabe der Urkunde an die beiden Preisträger durch den neuen Stuttgarter Kulturamtsleiter Marc Gegenfurtner statt, der seine Feuertaufe im Sektor Neue Musik in Stuttgart mit Bravour bestand und das Publikum durch eine launig-kompetente Preisrede auf seine Seite zog. Ein dem Fachpublikum bestens vertrauter Künstler hielt die Laudatio: Der Jury-Vorsitzende Mike Svoboda brachte schwäbischen Tüftlergeist mit der Erfindung erweiterter Spieltechniken in Zusammenhang und hielt eine Lobrede auf die vor einigen Jahrzehnten noch kaum für möglich gehaltene Liaison zwischen Elektronik und Interpret. Während zu Beginn der „Elektrifizierung“ der neuen Musik mancher Komponist große Sehnsucht nach der Emanzipation vom widerständigen, konservativen Interpreten hatte (Was kümmert mich seine Geige!), werden elektronisch erweiterte Instrumente von der heutigen Komponisten- und Interpretengeneration ganz selbstverständlich genutzt.

Aus einem Preisverleihungsritual wurde ein abendfüllender Konzertabend mit dem Jubilar Ensemble Modern unter der Leitung von Enno Poppe. Abendfüllend auch deshalb, weil ECLAT-Leiterin Christine Fischer den beiden Kompositionen die deutsche Erstaufführung von Zeynep Gedizlioglus Stück „Nacht“ für Ensemble vorangestellt hatte. Die Musiker und Musikerinnen des Ensemble Modern zeigten an diesem Abend ihre Kompetenz nicht nur am Instrument, sondern auch in szenischen Klangaktionen (bei Fure) oder im theatralen, trimedialen Einsatz bei Franks „Lautsprecher-Musik“. Bei Gedizlioglu mussten sie dagegen  Flüstern nach Noten. Von einem Neue Musik-Klischee konnte bei dieser Übung jedoch nicht die Rede sein, eher von einem paradigmatischen Klangmotiv des Werks. Gedizlioglu verlangte ein dramatisches, rhythmisch-drängendes, flirrendes Flüstern – gemischt mit Klangattacken der Ensemble Modern-Solisten. Gemessen am Beifall fast schon der Publikumspreis des Abends.


  • Mehr zu den Uraufführungen, den musikalischen Tendenzen und zur Programmatik von ECLAT 2020 in der nmz März/2020.

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