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 The Sound of Music: Monika Reinhard (Maria), Thomas Lüllig (Franz, der Diener) und Statisterie des Staatstheaters Meiningen. Foto: Christina Iberl
The Sound of Music: Monika Reinhard (Maria), Thomas Lüllig (Franz, der Diener) und Statisterie des Staatstheaters Meiningen. Foto: Christina Iberl
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„The Sound of Music“ in Meiningen: Frohsinn und Tiefgang

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Die vierte Musiktheater-Premiere des Staatstheaters Meiningen in der noch jungen Spielzeit 2021/22 und die dritte im Kalendermonat Oktober! Intendant Jens Neundorff von Enzberg nahm die fertig gebauten Dekorationen vom Theater Regensburg mit nach Thüringen, weil Corona dort die Produktion verhindert hatte. Die Kostüme entstanden dann in Meiningen. Ovationen für einen bewegenden Abend über die lebensverändernde Kraft der Musik und eine an Emotionen reiche und von Sentimentalität freie Inszenierung. Besonders beeindruckend waren die sechs virtuosen Kinderdarsteller.

So richtig heimisch wurde das Musical nach dem Buch „Trapp Family Singers” von Maria Augusta Trapp im deutschen Sprachraum nie. Dabei war der amerikanische Komponist Richard Rodgers ein mindestens ebenso guter Salzkammergut-Versteher wie die dreißig früher am „Weißen Rössl“ beteiligten Komponisten. In Meiningen gelangte eine in allen Bereichen überzeugende und begeisternde Neuproduktion des 1959 am Broadway herausgekommenen und 1965 mit Julie Andrews verfilmten Musicals heraus.

Vor Friedrich Eggerts Felsenlandschaft mit einer Klosterkirche, in der Nonnen fesches Lila tragen und die Meininger Chorfrauen einen so gar nicht weltfernen Eindruck machen, kommen allenfalls in der mit Beige-Tönen dekorierten Villa gelinde Heimatfilm-Assoziationen auf. Nicht nur in „Cabaret“ beschäftigte sich das amerikanische Musical mit Deutschlands finsterster Zeit, sondern auch in „The Sound of Music“. Erträglicher und sogar eine Spur optimistisch sind Rodgers und Oscar Hammerstein II vor allem in der Überzeugung, dass Musik wie der Glaube Berge versetzt. Harish Shankar und die Meininger Hofkapelle brachten Rodgers' unwiderstehliche Musik kristallin, schwebend und verführerisch zum Klingen. Sie bestätigen, dass Ultra-Rechte falsch liegen, wenn sie Alleinanspruch auf das musikalische Alpenidiom geltend machen. Musikalisch distanzierte man sich erfreulicherweise vom amerikanischen Show-Sound. Das waren beste Voraussetzungen für einen auch in den feinen Wechseln von Musik und Text gelungenen und stellenweise anrührenden Premierenabend.

Stars sind in zwei Besetzungen die sechs Kinder des in Trauer um seine Frau verhärteten Kapitän Trapp, der den Nachwuchs (dazu der ältesten aus dem Schauspiel-Ensemble) in Orgelpfeifen-Aufstellung drillt wie früher seine Schiffscrew. Das wird anders, als Maria als Gouvernante aus dem Kloster hereinschneit und – von Hakan T. Aslans Choreografie unterstützt – umso schneller die Zuneigung der Kinder gewinnt. Diese – am Premierenabend: Paul Rümann, Klara Kovác, Gabriel Kovac, Leona Balázs-Piri, Rosanna Samantha Loos, Melia Mahr – nehmen es richtig gut mit den eingefleischten Profis auf und sprechen ihre Dialoge mit bewundernswert geschliffener Bühnenpräsenz. Auch die Ausdrucksintensität der jungen Darsteller stimmt immer. Niedlichkeit bleibt den ganzen Abend ein Fremdwort. – Als Schwester Maria ist Monika Reinhard ein Glücksfall, hält den opernhaften Momenten ihrer riesigen Partie bestens stand, überzeugt mit einem Leuchten von innen und wirkt trotz ihres unerschütterlichen Glaubens an das Gute nicht naiv.

Bernd Mottl kommt es in seiner Regie immer auf filigrane, nie schwerfällig werdende oder das subtile Tempo des Rodgers-Musicals bremsende Menschenbilder an. Im feinen Schwebezustand zwischen leiser Karikatur und Herz hält er die Szenen im Nonnenbergstift, gibt er den Figuren mehr synkopische Individualität als szenische Motorik. Die schleichende Anpassung Österreichs an Hitler-Deutschland gerät deutlich, aber nicht grob – Ausnahme bleibt die Drohgebärde von Hitlers Vollstreckern, welche die Flucht der Trapp-Familie beschleunigen. Stan Meus als opportunistischer Künstleragent Max Dettweiler, Thomas Lüllig als sich auf die Nazi-Seite schlagender Diener Franz und Christine Zart als resolut-verständnisvolle Haushälterin Frau Schmidt geben vitale Figuren. Beim ersten Auftritt von Elsa Schrader (Cordula Rochler) ist – anders als im Film – noch nicht klar, ob sie oder Maria das Rennen um den Platz an der Seite von Kapitän Trapp machen wird. Erst durch bonvivante Einstellung zu den Kindern, dann zu den Nationalsozialisten bootet sich Elsa aus. Bewegend geraten auch die Flirts von Trapps ältester Tochter Liesl (Carmen Kirschner) mit dem als Braunhemd der Familie die Flucht ermöglichende Rolf Gruber (Emil Schwarz).

An diesen Figur sieht man, wie stark Bernd Mottl auf die Menschlichkeit des Stücks setzt. Auch an Michael Jeske als Kapitän Trapp, der vor der langsamen Entblößung seines weichen Kerns hier eine außergewöhnlich harte und polternde Schale hat. Jeske ist kein Kavalier mit leichtem Brustharnisch, sondern ein beinharter Dragoner, bei dessen emotionaler Eroberung auch Nicht-Nonnen an ihre Grenzen geraten wären. „My Fair Lady“, „Hello Dolly“, „The Sound of Music“... – in Meiningen wird deutlich, dass dieses Stück zum Broadway-Muster „Des Widerspenstigen Zähmung“ gehört.

Manuel Bethe gestaltete die Nonnenszenen mit dem Frauenchor auf Madrigalistinnen-Niveau Marianne Schechtel ist mehr Therapeutin als Oberin und damit das Nonnenbergstift ein recht angenehmer Aufenthaltsort. Die Ebenen stimmen einfach zwischen politischen Donnergrollen und Inseln von Glückseligkeit. Der Schlussapplaus gilt einer Aufführung in gelungener Proportionierung von Heiterkeit und Tiefgang.

  • Premiere: Fr 29.10., 19:30 (Premiere, besuchte Vorstellung) – Termine: So 31.10., 18:00 – Mi 03.11., 19:30 – So 07.11., 15:00 – So 21.11., 18:00 – Fr 26.11., 19:30 – Mi 22.12., 19:30 – Sa 15.01., 19:30 – Sa 29.01., 19:30 – Do 03.02., 19:30 – Mi 09.03., 19:30 – Fr 06.05., 19:30 – Do 26.05., 18:00

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