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Jakob Kunath (Gawein), Anton Kuzenok (Iwein): Foto: © Thilo Beu.
Jakob Kunath (Gawein), Anton Kuzenok (Iwein): Foto: © Thilo Beu.
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Unterhaltsam, temporeich, pointiert – Moritz Eggerts „Iwein Löwenritter“ an der Oper Bonn

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Dieser Iwein, der macht Kinder froh … und Erwachs‘ne ebenso. So könnte man in Anlehnung an die Werbung eines aus Bonn stammenden Süßwarenherstellers titeln, denn die Oper aus der Feder von Moritz Eggert, die in der Regie von Aron Stiehl am dortigen Opernhaus uraufgeführt wurde, bringt tatsächlich das Kunststück fertig Alt wie Jung zu begeistern.

Das Bonner Publikum sparte jedenfalls nicht mit Beifall und Bravorufe gab’s auch schon zur Pause. Entstanden ist das neue Werk im Rahmen der Kooperation „Junge Opern Rhein Ruhr“, zu der sich das Bonner Haus mit den Häusern in Düsseldorf/Duisburg und Dortmund zusammengeschlossen hat. Im Gegensatz zu manch anderem neuen Opus, das nach der Uraufführung mehr oder weniger schnell in der Rumpelkammer der Musikgeschichte verschwindet, sind weitere Aufführungen also zunächst gesichert.

Ein nachhaltiger Erfolg wäre Eggerts Werk jedenfalls zu wünschen, denn es garantiert nicht nur kurzweilige zwei Stunden, sondern vermag auch bestens zu unterhalten ohne dass dies auf Kosten des musikalischen oder dramaturgischen Anspruchs ginge. Das macht die Oper so familientauglich: jede Altersgruppe kann sie auf der Ebene lesen, die ihr gemäß ist – und auch ein bisschen über den Tellerrand hinausschauen. Man kann sich einfach nur unterhalten lassen oder den Subtext von Story und Musik lesen. Damit ist Iwein Löwenritter im besten Sinne pädagogisch wertvoll, ohne jedoch jemals den pädagogischen Zeigefinger zu erheben.

Die Geschichte ist altbekannt gleichermaßen ziemlich fantasievoll: aus dem mittelalterlichen Ritter-Epos von Hartmann von Aue hat die Autorin Felicitas Hoppe ein Buch gemacht, das die Librettistin Andrea Heuser in eine heutige Rahmenhandlung eingepasst und mit einem sicheren Gespür für eine treffend verdichtete Handlung in operntaugliche Form gebracht hat. Die Brüder Leon und Gereon werden darin im Zoo auf magische Weise in das Löwengehege gezogen und erleben als Ritter Iwein und Gawein allerlei Abenteuer am Hof des legendäre Ritters Artus im Land Nebenan. Dabei geht es um Mut, Ehre, Phantasie und auch – es ist ja schließlich eine Oper – um die Liebe. Ein Erzähler in Person eines sprechenden Löwen gibt der Geschichte dabei einen Rahmen und steuert Hintergründe bei.

Die Magie beginnt gleich in den ersten Takten: mystische Chor- und Orchesterklänge wabern aus dem Orchestergraben, in dem das unter der Leitung von Daniel Johannes Mayr mit schmissiger Verve und detailverliebter Sinnlichkeit spielende Beethoven Orchester Bonn sitzt. Konturen eines Schlosses erscheinen auf dem Vorhang und wenn selbiger schließlich aufgeht verzaubert das mit überbordender Phantasie gemalte Bühnenbild von Thomas Stingl sofort. In perspektivischer Andeutung ist es beides: ein die Phantasiewelt eröffnender Raum und wandlungsfähige Kulisse. Die phantastische Atmosphäre des Stückes wird hier überaus treffend visualisiert.

Hinzu kommen die originellen, von Sven Bindseil gestalteten Kostüme, die nach Art von Figurinen zweidimensional geschnitten sind. Lediglich die beiden Protagonisten Iwein und Gawein tragen permanent „echte“ Kostüme in 3D und bewegen sich auch so, während die Figurinen zumeist in 2D-Schemen agieren. Ein Kampf gegen die finsteren Mächte der Dunkelheit wird zudem als scherenschnittartiges Schattentheater inszeniert, auch das eine stimmige Anspielung auf so manch einen Klassiker im Kinderzimmer.

Moritz Eggert hat eine überaus farbige Musik dazu geschrieben, die ebenfalls auf vielen Ebenen spielt. Bekanntermaßen hat Eggert keinerlei stilistischen Berührungsängste. Er bedient sich mit routinierter Hand aus dem musikalischen Gemischtwarenladen aller Epochen und amalgamiert alles zu etwas völlig Neuem. Was dabei rauskommt ist echter Eggert: unterhaltsam, temporeich, immer pointiert und charakteristisch, ernst und witzig, manchmal auch tragisch und aberwitzig. Aber eines ist diese Musik nie: anspruchslos. Sie fordert ihr Publikum, biete ihm allerdings auch viel Stoff für die Ohren.

Schlagzeug- und Bläsergewitter kommen mit voller Wucht aus dem Orchestergraben, ebenso wie irisierende Klänge und sphärische Klangwolken von faszinierender Vielschichtigkeit. Das Beethoven Orchester leistet wirklich Großartiges. Das Ensemble auf der Bühne steht dem in nichts nach. Der von Marco Medved einstudierte Opernchor ist immer eine sichere Bank und hat hier hinreißende Szenen: ein von Moritz Eggert sehr charakteristisch auskomponiertes Schluchzen der Hofdamen im ersten Akt etwa oder manche Kampfszene im zweiten Akt. Als Klangkörper singt man ebenso druckvoll wie sensibel, als Darsteller agiert man gewandt und kollektiv.

Das Sängerensemble ist ausgezeichnet, allen voran Anton Kuzenok als Iwein, der den Helden mit tenoraler Markanz verkörpert. Sein Bruder Gawein, ausgezeichnet verkörpert und gesungen von Jakob Kunath, tritt in der Geschichte etwas in den Hintergrund, kann aber darstellerisch und sängerisch nicht weniger überzeugen. Zusammen haben beide einige ziemlich flotte Tanzszenen, die sich durchaus am Puls heutiger Jugendkultur bewegen. Zwei Kunstgriffe erlaubt sich die Geschichte: die Figur des erzählenden Löwen wird auf einen Puppenspieler (Christoph Levermann) und einen Sänger (Michael Krinner) verteilt und die Herzen von Iwein und der Burgherrin Laudine (kantabel und anrührend: Lada Bočková) werden von eigenen Darstellerinnen übernommen. Hier sind es Ava Gesell und Sarah-Lena Winterberg, die ihnen stimmlich und szenisch rundum gelungene Konturen geben. Ferner gehören Katharina von Bülow als Hofdame Lunete und Pavel Kudinov als Gegner/Wilder Mann zum insgesamt vorzüglichen Ensemble, auch diese beiden tragen maßgeblich zum Erfolg der Oper bei.

In der temporeichen Inszenierung von Aron Stiehl, der die Geschichte zu einem knallbunten Panoptikum macht, kommen Klein und Groß auf ihre Kosten. Stiehl erzählt die Geschichte von Iwein Löwenritter sehr unterhaltsam und beziehungsreich. Die Abenteuer, die die beiden erleben, lassen sich auf vielen Ebenen deuten, sie ergeben aber auch eine ebenso temporeich wie unterhaltsam erzählte Geschichte. Insgesamt erlebt man so zwei kurzweilige Stunden, die aber tiefgründiger sind als man zunächst meinen könnte.

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