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B90/Grüne: Keinen Bücherverbrenner als Kulturstaatsminister

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Zur möglichen Ernennung von Bernd Neumann zum Kulturstaatsminister erklärt Wolfgang Wieland MdB(Bündnis90, DIE GRÜNEN) :
Noch wird der Name des Bremer CDU-Landesvorsitzenden Bernd Neumann als möglicher Nachfolger von Christina Weiss gehandelt. Damit würde nicht nur erstmals ein aktiver Parteipolitiker - unvergessen als letzter Getreuer von Helmut Kohl - mit diesem Amt betraut. Für die Kultur zuständig würde auch ein Mann mit einem höchst zweifelhaften Verständnis der Freiheit von Kunst und Literatur.

1977 verwandte er sich als Fraktionsvorsitzender der CDU in der bremischen Stadtbürgerschaft per se gegen die Behandlung des Gedichts „Die Anfrage“ von Erich Fried an einer Bremer Schule. Er brandmarkte das Gedicht pauschal als „grundgesetzwidriges Material“ und brachte einen entsprechen Antrag in die Bürgerschaft ein. In der folgenden Plenardebatte am 3.November 1977 warf ihm der spätere Bremer Bürgermeister Henning Scherf vor, er stehe „in der Tradition nationalsozialistischer Bücherverbrenner“. Diesen Vorwurf wiederholte der SPD-Abgeordnete Kunick. Daraufhin Neumann wörtlich: „Ja, Herr Kunick, so etwas würde ich lieber verbrannt sehen, das will ich Ihnen einmal ganz eindeutig sagen.“ (Plenarprotokoll der 25. Sitzung der Bremischen Stadtbürgerschaft, S. 795). Zwei ihm angebotene Möglichkeiten zur Revidierung ließ er ungenutzt. „Ich habe gar nichts zurückgenommen.“

Auch wenn der Vorfall etliche Jahre zurückliegt, kann diese verbale Entgleisung eines 35-jährigen Fraktionsvorsitzenden, an der er zudem ausdrücklich festhielt, nicht als Jugendsünde abgetan werden. Die Werke eines von den Nazis verfolgten jüdischen Schriftstellers den Flammen überlassen zu wollen, offenbart ein derart geschichtsvergessenes und ignorantes Urteilsunvermögen, dass ihn dies ein für allemal für das angestrebte Amt disqualifiziert: keinen Bücherverbrenner als Kulturstaatssekretär.


Meldung der Bundestagsfraktion B90/Grüne, 21.11.05



Erich Fried

Die Anfrage
Mit Verleumdung und Unterdrückung
und Kommunistenverbot
und Todesschüssen in Notwehr
auf unbewaffnete Linke
gelang es den Herrschenden
eine handvoll empörte Empörer
Ulrike Meinhof
Horst Mahler
und einige mehr
so weit zu treiben
dass sie den Sinn verloren
für das was in dieser Gesellschaft
verwirklichbar ist

Was weiter geschah
war eigentlich zu erwarten:
Wieder Menschenjagd
Wieder Todesschüsse in Notwehr
die bekannten Justizmethoden
die bekannten Zeitungsartikel
und die Urteile gegen Horst Mahler
und gegen Ulrike Meinhof

Aber Anfrage an die Justiz
betreffend die Länge der Strafen:
Wieviel tausend Juden
muss ein Nazi ermordet haben
um heute verurteilt zu werden
zu so lange Haft?