Body
Deutscher Kulturrat: EU-Grundrechtscharta weiterentwickeln
Charta erst nach öffentlicher Diskussion verabschieden
Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, begrüßt, dass mit einer Charta der Grundrechte der Europäischen Union ein Diskussionsanstoss über grundsätzliche Fragen gegeben wurde. Als großen Mangel sieht der Deutsche Kulturrat, dass mit der vorgesehenen Verabschiedung noch in diesem Jahr eine Diskussion abgeschlossen werden soll, die jetzt erst beginnen muss.
Der Deutsche Kulturrat setzt sich mit Nachdruck für die in der Präambel formulierten Grundsätze der Würde der Person, der Freiheit, der Gleichheit und der Solidarität ein. Er tritt für die Wahrung der kulturellen Eigenständigkeit der Mitgliedsstaaten sowie die Intensivierung der Zusammenarbeit und des Austausches auf dem Gebiet der Kultur und der kulturellen Bildung ein. Er tritt für die Wahrung der kulturellen Eigenständigkeit der Mitgliedsstaaten sowie die Intensivierung der Zusammenarbeit und des Austausches auf dem Gebiet der Kultur und der kulturellen Bildung ein.
Eine Charta der Grundrechte der Europäischen Union stellt für den Deutschen Kulturrat ein hohes Gut dar. Damit wird das Fundament des künftigen Zusammenwirkens in Europa und der Rechte und Pflichten der Staatsbürger der Europäischen Union gelegt.
Der Deutsche Kulturrat versteht die EU-Grundrechtscharta als Selbstbindung der Staats- und Regierungschefs auf der Grundlage des vorliegenden Entwurfs eine Debatte in den nationalen Parlamenten und auch öffentlich zu initiieren. Ebenso sieht der Deutsche Kulturrat das Europäische Parlament aufgefordert, sich mit der EU-Grundrechtscharta ausführlich zu befassen.
Die EU-Grundrechtscharta ist der erste wichtige Schritt für eine europäischen Verfassung. Dabei darf aber in entscheidenden Fragen kein Rückfall hinter bereits besser fundierte Positionen wie zum Beispiel hinter Art. 27 Abs. 2 der
UN-Menschenrechtserklärung zum geistigen Eigentum oder Art. 2 des Zusatzprotokolls der Europäischen Menschenrechtskonvention zur Bildung stattfinden.
In der vorliegenden Fassung ist der Entwurf nach Auffassung des Deutschen Kulturrates nicht verabschiedungsreif.
Der Deutsche Kulturrat fordert, dass in einer EU-Grundrechtscharta insbesondere folgende Aspekte Berücksichtigung finden:
die Verankerung des "Rechts auf Kultur",
die Präzisierung der Meinungs- und Informationsfreiheit, der Freiheit des Wortes und der Literatur,
die offenere Definition des Rechts auf Bildung,
die Konkretisierung des Schutzes des geistigen Eigentums und seiner Schöpfer,
die Sicherung der Partizipationsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger im Sinne der Bürgergesellschaft.
Verankerung des Rechts auf Kultur
Europa baut auf einem gemeinsamen kulturellen Fundament auf. Europa hat ein gemeinschaftliches kulturelles Erbe und vielfältige kulturelle Landschaften.
Der Deutsche Kulturrat fordert, dass, ebenso wie das Recht auf Bildung in der EU-Grundrechtscharta verankert wurde, das Recht auf Kultur festgeschrieben wird. Bildung setzt Kultur voraus, ebenso erschließt sich die Kultur erst durch Bildung. Kultur umfasst dabei die gesamte Vielfalt künstlerischer Ausdrucksformen, die aktive Rezeption, die Kultureinrichtungen sowie die Einrichtungen der kulturellen Bildung. Für die weitere Entwicklung der Gesellschaft ist die Kultur ein unverzichtbarer Humus, Anstoß und Wirtschaftsfaktor.
Aufgrund der herausragenden Bedeutung der Kultur in der Vergangenheit des Europas der Nationalstaaten und der künftigen Entwicklung eines gemeinschaftlichen Europa unter Wahrung der kulturellen Identität muss das Recht auf Kultur in der EU-Grundrechtscharta verankert werden.
Präzisierung der Meinungs- und Informationsfreiheit
Durch Artikel 11 der Grundrechtscharta wird die Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit gesichert.
Der Deutsche Kulturrat ist der Überzeugung, dass die Freiheit der Presse, des Rundfunks, des Films sowie der sonstigen an die Allgemeinheit gerichteten Kommunikation gesichert sein muss. Die Sicherung und Weiterentwicklung der Demokratie ist zwingend mit der Freiheit der Presse und des Rundfunks verbunden.
Der Deutsche Kulturrat schließt sich Forderungen an, dass Artikel 11 der Grundrechtscharta um folgenden Passus geändert werden soll:
Das Recht der freien Meinungsäußerung wird gewährleistet. Ebenso wird das Recht gewährleistet, sich aus allgemein zugänglichen Quellen umfassend zu informieren. Dies schließt insbesondere den Zugang zu kulturellen Angeboten und Angeboten der Bildung ein.
Die Freiheit der Presse, des Rundfunks, des Films und der sonstigen an die Allgemeinheit gerichteten Kommunikation wird gewährleistet.
Der Rundfunk dient der Information durch umfassende und wahrheitsgemäße Berichterstattung und durch die Verbreitung von Meinungen. Er trägt zur Bildung und Unterhaltung bei. Er ist Medium und Faktor des Prozesses freier Meinungsbildung. Er trägt der kulturellen Vielfalt in Europa Rechnung und fördert die europäische Integration. Er nimmt damit eine öffentliche Aufgabe wahr und ist darum unabhängig in der Programmgestaltung. Unbeschadet des Angebots privatwirtschaftlichen Rundfunks, werden Bestand und Entwicklung von Rundfunk in öffentlicher Trägerschaft gewährleistet.
Auf rundfunkähnliche Mediendienste sind diese Bestimmungen entsprechend anzuwenden.
Eine Zensur findet nicht statt.
Offenere Definition des Rechts auf Bildung
Bildung ist eine der Grundvoraussetzungen zur Partizipation an der modernen Gesellschaft. Der Deutsche Kulturrat begrüßt daher die ausführliche Behandlung des Rechts auf Bildung in der EU-Grundrechtscharta mit Nachdruck.
Mit Blick auf Abs. 1 Art. 14 (Recht auf Bildung) fordert der Deutsche Kulturrat, dass "jede Person (..) das Recht auf Bildung (hat) sowie dem Zugang zur beruflichen und kulturellen Aus- und Weiterbildung."
Kulturelle Bildung ermöglicht die aktive Auseinandersetzung des Menschen mit sich, seiner Umwelt und mit anderen. Angesichts der globalen Wirtschaftsverflechtungen und der Entwicklung der Informationsgesellschaft wird die kulturelle Bildung an Bedeutung gewinnen. Die Verankerung des Rechts auf berufliche Aus- und Weiterbildung verkürzt das Spektrum und trägt den Anforderungen des lebensbegleitenden Lernens nicht Rechnung.
Konkretisierung des Schutzes des geistigen Eigentums
Der Schutz des geistigen Eigentums hat in allen europäischen Ländern einen hohem Stellenwert. Der Schutz des geistigen Eigentums ermöglicht Investitionen in Forschung und Entwicklung. Der Schutz des geistigen Eigentums ist eine der Voraussetzungen für ein lebendiges kulturelles Leben.
Der in Abs. 2 Art. 17 formulierte Satz "Geistiges Eigentum wird geschützt" wird nach Auffassung des Deutschen Kulturrates der Bedeutung, die dem Schutz des geistigen Eigentums zukommt, nicht gerecht. Durch die unmittelbare Anknüpfung an das in
Abs. 1 von Art. 17 behandelte materielle Eigentum umfasst die Formulierung nur die vermögensrechtliche Seite des geistigen Eigentums. Es kann nicht angehen, dass das ebenso wichtige Urheberpersönlichkeitsrecht (droit moral) unberücksichtigt bleibt.
Bereits in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 10.12.1948 Art. 27 Abs 2 wurde formuliert "Jedermann hat das Recht auf Schutz der geistige und materiellen Interessen, die sich für ihn als Urheber von Werken der Wissenschaft, Literatur oder Kunst ergeben." Der Deutsche Kulturrat ist der Auffassung, dass eine Europäische Grundrechtscharta hinter dieser allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen nicht zurückfallen darf.
Darüber hinausgehend hält es der Deutsche Kulturrat für geboten, den im oben erwähnten Passus der allgemeinen Menschenrechte verwendeten Begriff des "Urhebers" durch des "Schöpfers" zu ersetzen. Damit würde dem heutigen Stand der Diskussion Rechnung getragen.
Sicherung der Partizipationsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger im Sinne der Bürgergesellschaft
Die Europäische Union ist bislang noch ein Zusammenschluss von Staaten, bei dem die wirtschaftliche Zusammenarbeit im Vordergrund steht. Zur weiteren Entwicklung der Europäischen Union und zur Demokratisierung ist es erforderlich, dass ein Europa der Bürgerinnen und Bürger erwächst. Dieses Europa der Bürgerinnen und Bürger geht mit einer aktiven Bürgergesellschaft einher, zu deren Entwicklung jeder nach seinen eigenen Kräften beiträgt.
Damit eine aktive Bürgergesellschaft in Europa entsteht, müssen die Partizipationsmöglichkeiten der EU-Bürgerinnen und Bürger über die Tätigkeit in den politischen Parteien hinausgehend entwickelt werden.
Berlin, den 12.10.2000