Im Nordkolleg Rendsburg wird wie immer konzentriert gearbeitet. Die Atmosphäre fordert auch an diesem April-Wochenende alle Kursteilnehmer zu persönlichen Höchstleistungen heraus. Alles liegt friedlich da, und doch ist dieser Tage nichts, wie es einmal war. Die Idylle täuscht, denn das Nordkolleg Rendsburg steht möglicherweise schon bald vor dem Aus.
Im Nordkolleg Rendsburg wird wie immer konzentriert gearbeitet. Die Atmosphäre fordert auch an diesem April-Wochenende alle Kursteilnehmer zu persönlichen Höchstleistungen heraus. Alles liegt friedlich da, und doch ist dieser Tage nichts, wie es einmal war. Die Idylle täuscht, denn das Nordkolleg Rendsburg steht möglicherweise schon bald vor dem Aus.Wie ein Damoklesschwert hängt die kontinuierlich rückläufige Förderung des Landes seit Jahren über der Einrichtung: allein 27 Prozent seit 1998. Nun droht der ohnehin dünne Faden endgültig zu reißen. Eine erneute siebenprozentige Kürzung gegenüber dem Vorjahr wurde dem Direktor und Geschäftsführer des Nordkollegs, Peter Amadeus Schneider im laufenden Haushaltsjahr vor kurzem bekannt gegeben. Hinzu kommt ein Investitionsstau, den niemand aufzulösen vermag.Die als GmbH organisierte Bildungsstätte hat ihre Rücklagen weitestgehend aufgezehrt. Trotz stetigem Personalabbau (allein sechs Stellen in den vergangenen vier Jahren) und einer zugleich kontinuierlichen Steigerung der Teilnehmertage mit entsprechenden eigenerwirtschafteten Erlösen ist das Defizit nicht mehr aufzufangen. Längst arbeiten die Mitarbeiter des Nordkollegs am Rande ihrer vertraglichen Belastbarkeit.
Das Land zwischen den Meeren tut sich keinen Gefallen. Wie vermutlich kaum eine andere staatlicherseits geförderte Bildungseinrichtung in der Bundesrepublik Deutschland wird das Nordkolleg Rendsburg mit nur noch 26,1 Prozent aus öffentlichen Kassen gestützt. 23,4 Prozent der Finanzierung davon trägt das Land, die verbleibenden 2,7 Prozent steuern der Kreis und die Kommune bei. Die chronische Unterfinanzierung seitens der öffentlichen Hand hat Ausmaße erreicht, die es dem Haus schwer machen werden, sich auch weiterhin mit einem vergleichbaren bildungspolitischen Profil auszuweisen.
Im Zentrum Schleswig-Holsteins, zwischen Eider und Nord-Ostsee-Kanal gelegen, behauptet sich das Nordkolleg imageträchtig als eine von fünf Bildungsstätten im Lande. Für den musikalischen Bereich hat sich die Einrichtung konkurrenzlos positioniert und ist aus der Kulturlandschaft nicht mehr wegzudenken. Bereits 1995 übertrug die damalige Kultusministerin des Landes, Marianne Tidick, der Einrichtung Teilfunktionen einer Landesmusikakademie, und so kooperiert das Nordkolleg seither mit dem Schleswig-Holstein Musik Festival, der Musikhochschule Lübeck, dem Landesverband deutscher Musikschulen, dem Musiktherapieinstitut Rendsburg und dem Landesmusikrat Schleswig-Holstein, um nur einige der Partner zu nennen.
Das Nordkolleg ist der Standort des Landesjugendchores und des Landesjugendjazzorchesters Schleswig-Holstein und damit wesentlicher Beförderer des musikalischen Spitzennachwuchses im Land.
Darüber hinaus sind diverse musikalische Aktivitäten ohne die Einrichtung undenkbar, denn mit drei Hörsälen, elf Seminarräumen, einem Konzertsaal für Tonproduktionen, drei Flügeln, zwei Klavieren und vielen weiteren Instrumenten, sowie hundertdrei Betten in zweiundsechzig Einzel- und Doppelzimmern ist das Nordkolleg funktionsfähig ausgestattet. Einschlägige Kurse mit Hans Werner Henze bis hin zu den Sommerakademien mit Eric Ericson haben dem Nordkolleg national wie international zu hohem Ansehen verholfen.
Auf Bundesebene zeigt sich das Rendsburger Kleinod darüber hinaus als Mitglied im Arbeitskreis der Musikbildungsstätten aktiv. Jeder weiß um das positive Image und die bildungspolitisch intensive Arbeit der Einrichtung, die sich im Übrigen auch jenseits der musikalischen Schwerpunktsetzung durch ihre inhaltliche Ausrichtung nach Skandinavien und in den Ostseeraum profiliert hat. Warum also tut niemand etwas dafür, diese Institution am Leben zu erhalten? Insbessondere an die Landesregierung richtet sich die Frage, ob das sichere Sterben der Einrichtung wissentlich in Kauf genommen wird.
In einem mit Datum vom 7. März 2002 veröffentlichten Bericht der Landesregierung (Drucksache 15/1712) zur Weiterentwicklung der Kulturpolitik im Lande heißt es: „Unser Ziel lautet unverändert ‚Mehr Kultur für Menschen’“. Zugleich wird festgehalten, dass unbenommen der Zielsetzung nach einem Mehr an Kultur von einer veränderten Rolle des Staates in der Kulturförderung ausgegangen werden muss.
In welchen Bereichen sich das Land verstärkt zurückziehen will, bleibt offen, denn hierzu bedarf es der Auswertung einer umfassenden Evaluation, deren Ergebnisdiskussion seit eineinhalb Jahren andauert und bis dato noch nicht abgeschlossen ist. In jedem Fall wolle man im Kultursektor auf eine Leistungssteigerung in allen Bereichen, „mithin auch für einen effizienten Einsatz öffentlicher Mittel“ dringen. Bei der Frage, warum Kultur für dieses Land wichtig sei, wird das kulturelle Angebot vor allem als „weicher Standortfaktor“ für ökonomische Belange geltend gemacht.
Ohne Zweifel kann Kultur als Signal für den ökonomischen Bereich und als Indikator für die Eigenschaften einer Region verstanden werden. Kulturförderung kann zu einer Verbesserung der Standortqualität führen und sich auf das Image einer Region positiv auswirken.
Gleichwohl wird es aber nicht gelingen, die Auswirkungen von Kultur in Zahlen und Rechenbeispielen nachzuweisen. Empirische Studien haben längst belegt, dass das Kulturangebot letztendlich für die Standortwahl eines Unternehmens nur eine geringe Rolle spielt. Kultur als Mittel zum Zweck einer gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zu begreifen fruchtet aus verschiedenen Gründen nicht. Kultur ist weitaus mehr, denn sie prägt die Gesellschaft jenseits wirtschaftlicher Interessen – eingreifend und nachhaltig.
Die Landesregierung in Schleswig-Holstein kennt diese Fakten, aber angesichts leerer Staatskassen und dem verständlichen Versuch, der Überschuldung des Landes entgegenzuwirken, werden vermeintlich neue Vorzeichen gesetzt. Und leider wird bei der Lösung der Probleme der einfachste Weg beschritten. Hinhaltung und keinerlei Festlegung kennzeichnen das Resultat.
Die Kultureinrichtungen im Lande sind offen für konstruktive Kritik. Außerdem wünscht man sich endlich ein deutliches Zeichen seitens der Kulturpolitik. Es kann doch nicht wirklich im Interesse liegen, eine Einrichtung wie das Nordkolleg einfach ausbluten zu lassen. Niemand wird der Einrichtung ernsthaft den Vorwurf machen können, dass es sich bei 26,1 Prozent öffentlicher Förderung und gleichzeitiger Wahrung des kulturpolitischen Auftrags nicht ernsthaft um weitere Einnahmen bemüht habe. Nichts wäre leichter gewesen, als das Haus durch zahlungskräftige Teilnehmer jenseits des bildungspolitischen Interesses zu füllen; Anfragen gibt es genug.
Tatsächlich ist es aber ein Unding, eine öffentlich arbeitende Einrichtung erst im laufenden Haushaltsjahr darüber zu informieren, dass die Zuschüsse sinken, und zugleich einen Ausgleich des überraschend entstandenen Defizits bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung des Bildungsauftrages zu fordern.
Seit Jahren bemühen sich neben dem Nordkolleg Rendsburg auch andere kulturelle Einrichtungen in Schleswig-Holstein um planbare Zuverlässigkeit. Das Prinzip der Kameralistik lässt sich nicht auflösen, gleichwohl würden Absichtserklärungen staatlicherseits eine Menge bewirken. In anderen Bundesländern ist dies bereits seit Jahren gang und gäbe.