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Frühlingsgefühle im Parlament

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Deutscher Bundestag verabschiedet Gesetz zur steuerlichen Förderung von Stiftungen

Am 24.03.2000 hat der Deutsche Bundestag das „Gesetz zur steuerlichen Förderung von Stiftungen“ verabschiedet. Mit diesem Gesetz wurde der erste Schritt zu einer umfassenden Reform des Stiftungs- und des Stiftungssteuerrechts gemacht.


Die Verabschiedung des Gesetzes markiert zugleich die Halbzeit im gesetzgeberischen Prozess zur Reform des Stiftungs- und des Stiftungssteuerrechts. Die Debattenredner der Regierungskoalition machten in ihren Beiträgen deutlich, dass sie die zweite Halbzeit also die Reform des Stiftungszivilrechts noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg bringen wollen.

Der Diskussionsprozess um die Reform des Stiftungsrechts und die Stärkung bürgerschaftlichen Engagements dauert also fort. Jetzt in der zweiten Halbzeit gilt es die Länder davon zu überzeugen, dass auch sie einen großen Gewinn von der Reform des Stiftungsrechts haben werden.

Die kulturpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Monika Griefahn, verwies in ihrem Redebeitrag darauf, dass zwar von den Finanzministern die Einnahmeverluste durch die Reform des Stiftungsrechts immer betont werden, dabei aber vergessen wird, dass eine aktive Bürgergesellschaft einen materiellen und ideellen Gewinn für die Gesellschaft darstellt. Griefahn erinnerte zugleich daran, dass das „Gesetz zur steuerlichen Förderung von Stiftungen“ das erste Gesetzesvorhaben ist, bei dem der Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundestags federführend war. Dieser Ausschuss wird jetzt in der zweiten Reformphase wiederum aktiv werden und bei den Ländern für Unterstützung werben.

Auf die Verantwortung der Länder bei der zweiten Stufe der Stiftungsrechtsreform ging auch Staatsminister Dr. Naumann ein. Als erster Debattenredner am 24.03.2000 stellte er das „Gesetz zur steuerlichen Förderung von Stiftungen“ vor und führte aus, dass damit der Stiftungsgedanke in die Mitte der Gesellschaft geführt werden sollte. Die neuen steuerlichen Möglichkeiten kommen in erster Linie Besitzern kleinerer Vermögen zugute, die sich an Bürgerstiftungen beteiligen und so ihren Beitrag zur Entwicklung des Gemeinwesens leisten. Als wichtige Reformvorhaben für die zweite Stufe nannte Staatsminister Dr. Naumann eine Klimaverbesserung zwischen den Stiftungsbehörden und potenziellen Stifterinnen und Stiftern. Die Stiftungsbehörden sollten sich, so Staatsminister Dr. Naumann, zu Serviceeinrichtungen weiterentwickeln, die die potenziellen Stifterinnen und Stifter ermutigen und unterstützen. Dazu gehört, laut Staatsminister Dr. Naumann, auch eine bessere Abstimmung zwischen der Stiftungsaufsicht und den Finanzämtern.

Von Seiten der Opposition wurde von den Rednern der CDU/CSU-Fraktion und der F.D.P.-Fraktion begrüßt, dass ein erster Schritt gemacht wurde. Die Koalition ist, so die einhellige Auffassung der Redner, aber zu kurz gesprungen.

Der kulturpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Dr. Norbert Lammert, erinnerte daran, dass in der Expertenanhörung im Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundestags von allen Expertinnen und Experten einhellig eine Reform des Stiftungszivilrechts eingefordert wurde. Seiner Auffassung nach liegt sowohl dem heutigen Stiftungszivilrecht als auch dem Gemeinnützigkeitsrecht eine veraltetes Staatsverständnis zugrunde. Das Engagement der Bürgerinnen und Bürger, so Dr. Lammert, ist vorhanden, der Staat sollte nun anstelle zu reglementieren, dieses Engagement unterstützen. Otto Bernhard (CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag) appellierte ebenfalls an die Entwicklung eines stiftungsfreundlichen Klimas in den Verwaltungen. Das Engagement der Bürgerinnen und Bürger ist vorhanden. Doch werden bislang Stifterinnen und Stifter vielfach als Bittsteller behandelt, anstatt dass ihr Engagement begrüßt wird.

Auch Hans-Joachim Otto, kulturpolitischer Sprecher der F.D.P.-Fraktion im Deutschen Bundestag, machte deutlich, dass nach dem ersten Schritt der steuerlichen Förderung von Stiftungen, der zweite die zivilrechtlichen Änderungen unabdingbar sind.

Bundestagsvizepräsidentin, Dr. Antje Vollmer (kulturpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag), führte in ihrem Beitrag aus, dass der Prozess zu mehr Bürgerengagements vom Parlament durch die Gesetzgebung zwar unterstützt werden kann, die eigentliche Entwicklung aber aus der Mitte der Gesellschaft kommen muss und auch kommt.

Auch Bundestagspräsidentin a.D. Prof. Dr. Süßmuth vertrat die Auffassung, dass das Engagement der Bürgerinnen und Bürger vorhanden ist und aus der Mitte der Gesellschaft kommt. Sie erklärte in ihrem Beitrag, dass die Bürger weiter sind als das Parlament. Als wesentliche Anforderungen an ein Stiftungszivilrecht wurden von Prof. Dr. Süßmuth angeführt: es muss einfach, transparent und bürgerfreundlich sein.

Der Abgeordnete Jörg Tauss (SPD-Bundestagsfraktion) beschwor in seinem Beitrag in der Bundestagsdebatte den Frühling im Stiftungswesen, der durch die Gesetzesreform unterstützt werden wird. Stiftungen können eine wichtige Ergänzungsfunktion in der Gesellschaft wahrnehmen.

Eine ermutigende Debatte also. Auch wenn die Frage offen bleiben muss, ob nach dem ersten Schritt der Reform des Stiftungssteuerrechts das Glas nun halb voll oder halb leer ist, bleibt, dass das Thema bürgerschaftliches Engagement im Parlament eine wichtige Rolle spielt. Die Einsetzung des Enquete-Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“ ist ein weiterer Beleg dafür.

Die Politik will die Rahmenbedingungen für mehr Bürgerengagement verbessern. Für den Kulturbereich ist es sehr ermutigend, dass alle Abgeordneten versichert haben, dass das „Gesetz zur steuerlichen Förderung von Stiftungen“ der erste Schritt zu einer umfassenden Reform des Stiftungsrechts ist und noch in dieser Legislaturperiode der zivilrechtliche Teil auf den Weg gebracht werden soll. Im zivilrechtlichen Teil der Stiftungsrechtsreform liegen die Chancen, die Problempunkte, die von den Debattenrednern angesprochen wurden, anzupacken. Die Stiftungsbehörden in Serviceeinrichtungen umzuwandeln, die die Bürgerinnen und Bürger unterstützen und ihnen bei der Realisierung ihrer Stiftungsabsicht behilflich zu sein, wäre ein wesentlicher Fortschritt zur Unterstützung des Bürgerschaftlichen Engagements.

Ein weiterer Erfolg der Stiftungsdebatte ist ein Zusammenrücken des Dritten Sektors. Die Diskussion um das Stiftungsrecht wurde auch von den Organisationen des Dritten Sektors über zwei Jahre in der kulturpolitischen Debatte präsent gehalten. Die unterschiedlichen Organisationen Verbände, Stiftungen und gemeinnützige Forschungseinrichtungen haben an einem Strang gezogen und jeder auf seine Weise Lobbyarbeit für die Reform des Stiftungs- und des Stiftungssteuerrechts geleistet. Dieser Diskussionsprozess ist seinerseits ein Beispiel für die Lebendigkeit des Dritten Sektors und des Bürgerschaftlichen Engagements.

Olaf Zimmermann
Gabriele Schulz