Resolution des Deutschen Kulturrates zu den GATS-2000 Verhandlungen der WTO über bestimmte audiovisuelle Dienstleistungen und über Kulturdienstleistungen vom 31.01.2003
Berlin, den 31.01.2003. Die EU-Kommission hat die Interessenverbände in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union aufgefordert, bis zum 31. Januar 2003 zu dem "Konsultationspapier der EU-Kommission bezüglich der Anforderungen der WTO-Mitglieder an die Europäische Gemeinschaft und ihrer Mitgliedsstaaten für einen verbesserten Marktzugang für Dienstleistungen" Stellung zu nehmen. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, legt hiermit eine aktualisierte Resolution zu den GATS-Verhandlungen vor und verweist auf die Stellungnahme des Deutschen Kulturrates vom 19.06.2001 (http://www.kulturrat.de/aktuell/Stellungnahmen/gats.htm). Die darin ausführlicher dargelegten Positionen geben weiterhin die Auffassung des Deutschen Kulturrates wieder.
Um eine angemessene Beteiligung der Zivilgesellschaft zu gewährleisten, fordert der Deutsche Kulturrat, dass die Zeiträume für den Konsultationsprozess zu den GATS-Verhandlungen zukünftig so gewählt werden, dass deren Stellungnahmen entsprechend berücksichtigt werden können.
Der Deutsche Kulturrat teilt die "universale Erklärung zur kulturellen Vielfalt" der UNESCO-Generalkonferenz vom 2. Oktober 2001. Auf dieser Grundlage wurde zuletzt in der Brixener Erklärung zu kultureller Vielfalt und GATS vom 18. Oktober 2002 bekräftigt, dass kulturelle Dienstleistungen nicht als reine Waren oder Gebrauchsgüter behandelt werden können. Die kulturelle Vielfalt hat für die Menschheit einen ebenso hohen Rang wie die Biodiversität für die Natur. Daraus folgt, dass eine Politik zur Förderung und zum Schutz der kulturellen Vielfalt dem Prinzip der nachhaltigen Entwicklung dienen soll. Dazu gehört u.a. der Aufbau bzw. die Erhaltung einer leistungsfähigen nationalen Kulturwirtschaft.
In diesem Sinne unterstützt der Deutsche Kulturrat die Klausel zur "kulturellen Vielfalt" in der Ratschlussfolgerung der WTO-Ministerkonferenz zur Konferenz in Seattle aus dem Jahr 1999. In dieser Klausel wird festgehalten, dass "die Union (..) bei den bevorstehenden WTO-Verhandlungen dafür Sorge tragen [wird], dass wie im Rahmen der Uruguay-Runde gewährleistet wird, dass die Gemeinschaft und ihre Mitgliedsstaaten ihre Fähigkeit zur Festlegung und Umsetzung ihrer Politiken im kulturellen und audiovisuellen Bereich im Hinblick auf die Wahrung ihrer kulturellen Vielfalt erhalten und entwickeln können".
Der Deutsche Kulturrat hält es für unabdingbar, dass bei der jetzt anstehenden Verhandlungsrunde die vorstehende Klausel als Grundlage für die Verhandlungen des Kulturbereiches gewählt wird, was aber Liberalisierungen und den Abbau von Handelsschranken in bestimmten Bereichen der Kulturwirtschaft (z.B. der Musikwirtschaft) nicht von vorneherein ausschließt.
In Bezug auf den Bildungsbereich schließt sich der Deutsche Kulturrat der in der Grundsatzposition der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung vom 18.10.2002 niedergelegten Auffassung an, dass "die für den Bildungsbereich relevanten Vorbehaltsklauseln in den horizontalen Verpflichtungen, wie im Abkommen selbst, (...) nicht zur Disposition stehen. Die sektoralen Verpflichtungen sollen weiterhin auf privat finanzierte Bildungsdienstleistungen beschränkt bleiben."
Museen, Bibliotheken, Theater und Orchester werden in der Bundesrepublik Deutschland öffentlich gefördert. Die öffentliche Kulturförderung ermöglicht, dass die Einrichtungen ohne den Blick auf höchstmögliche wirtschaftliche Erträge ein breites qualitatives Repertoire an Kulturgut erwerben und vermitteln können. Bibliotheken zählen zu den öffentlichen Gütern. Sie sind einzigartige soziale Einrichtungen, die sich der Aufgabe widmen, die Allgemeinheit mit einem möglichst breiten Spektrum an Informationen und Ideen zu versorgen, unabhängig vom Alter, Religion, physischer und psychischer Gesundheit, sozialem Status, Rasse, Geschlecht oder Sprache. Der freie Zugang zur Information ermöglicht eine breite Partizipation an der Gesellschaft. Dies alles könnte durch zu weitgehende Liberalisierungsverpflichtungen in Frage gestellt werden.
Inzwischen gibt es auch Forderungen von Drittländern, insbesondere den USA, die vorschlagen, dass im Bereich der öffentlichen Dienstleistungen, die in Ausübung hoheitlicher Gewalt erbracht werden (s.o. Art. 1 Abs. 3b GATS), Institute und Einrichtungen in Listen aufgenommen werden sollen, die dann in Zukunft von den Liberalisierungsverpflichtungen ausgenommen würden. Diesem Ansinnen muss vehement entgegen getreten werden. Dies ist im Bereich der kulturellen Dienstleistungen nicht praktikabel und würde insbesondere dem deutschen Kulturföderalismus widersprechen, der den Ländern und Kommunen das Recht überträgt, selbst zu entscheiden, welche Einrichtungen öffentlich gefördert werden und welche nicht.
Das Urheber- und Leistungsschutzrecht hat die Funktion eines Marktordnungsrechts. Mit Blick auf die Liberalisierung von Märkten ist daher dem Urheber- und Leistungsschutzrecht besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Die Einhaltung bestehender Abkommen oder deren Fortentwicklung zum Schutz des geistigen Eigentums ist unabdingbar für ein lebendiges kulturelles Leben. Die in den internationalen urheber- und leistungsschutzrechtlich relevanten Verträgen aufgeführten Schutzmaßnahmen müssen im Zuge einer weiteren Liberalisierung erhalten bleiben.
Es ist unumgänglich, dass Inländerbehandlung grundsätzlich nur bei materieller Reziprozität gilt, sofern nicht durch internationale Konventionen, wie z.B. die RBÜ, ausdrücklich die Inländerbehandlung auch ohne Reziprozität vorgesehen ist.
Es muss sichergestellt werden, dass im Rahmen internationaler Konventionen wie z.B. den aktuellen GATS-Verhandlungen außerhalb des Urheber- und Leistungsschutzrechts "durch die Hintertür" nicht ein generelles Inländerbehandlungsprinzip eingeführt wird, ohne gleichzeitig für materiell gleich hohes Schutzniveau in allen beteiligten Staaten zu sorgen.
Für den Deutschen Kulturrat hat das droit moral einen hohen Stellenwert, daher wird an dieser Stelle noch einmal insbesondere auf den Artikel 6bis der RBÜ verwiesen.