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Berlin (dpa) - Der Deutsche Kulturrat hat die Bundesregierung aufgefordert, sich "noch in letzter Minute" für den Schutz des Kulturbereichs bei den anstehenden GATS-Verhandlungen zur weltweiten Liberalisierung von Dienstleistungen einzusetzen. "Es ist 5 vor 12, denn bereits im September sollen bei der nächsten Konferenz der Welthandelsorganisation WTO im mexikanischen Cancun erste Entscheidungen getroffen werden", sagte der Geschäftsführer des Kulturrates, Olaf Zimmermann, in einem dpa-Gespräch.
Zimmermann forderte den Bundestag auf, unmittelbar nach Ostern einen Parlamentsvorbehalt für die GATS-Verhandlungen im Kulturbereich anzumelden. Ohne Ausnahmeregelungen für den Kultur- und Bildungsbereich drohe dem öffentlichen Subventionssystem in Deutschland bei Theatern, Museen, Bibliotheken und im Bildungsbereich ein Kollaps: GATS siehe eine so genannte Inländerbehandlung für alle Wettbewerber auch aus dem Ausland vor. Das bedeute, dass allen das gleiche Recht auf Subventionen zustünde oder aber bisherige Subventionen gestrichen werden müssten.Zimmermann bemängelte ein deutliches Desinteresse beim Wirtschaftsministerium, sich für Ausnahmeregelungen im Kulturbereich einzusetzen. In der letzten Anhörung zu diesem Thema im Wirtschaftsausschuss des Bundestages sei "nicht ein einziges Mal das Wort Kultur gefallen, geschweige denn, dass Kulturvertreter eingeladen wurden", kritisierte der Geschäftsführer des Kulturrates. "Ich muss ehrlich sagen, dass uns die Globalisierungskritiker von ATTAC in dieser Frage erheblich näher sind als das Wirtschaftsministerium. Ich bin den Leuten von ATTAC dankbar, dass sie durch ihre Aktionen auf die Globalisierungsprobleme aufmerksam machen."
Er forderte auch Kulturstaatsministerin Christina Weiss (parteilos) zu einem stärkeren Engagement in dieser Frage auf, auch wenn sich die Politikerin einer Erklärung des Kulturrates zu den GATS-Verhandlungen angeschlossen habe. Sie müsse aber dem Problem auch innerhalb der Bundesregierung und auf europäischer Ebene eine größere Priorität als bisher zumessen. "Wo, wenn nicht in dieser elementaren Frage für die Kultur, zeigt sich die Berechtigung für das neue Amt des Beauftragen der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und Medien?" fragte Zimmermann, der einen Rückgang der Kompetenz der Kulturstaatsministerin im europäischen Bereich sieht.
"Wir haben die große Sorge, dass eine exportorientierte Nation und damit auch ihre Regierung der Erweiterung der Exportmöglichkeiten, die GATS bietet, eindeutigen Vorrang gibt vor dem Schutz der kulturellen Vielfalt im eigenen Land." Die möglicherweise gravierenden Folgen sowohl für die Kommunen, Länder, Bürger und Künstler seien in ihrer Tragweite bisher nicht in das Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit gelangt, meinte Zimmermann. "Das kann ein böses Erwachen geben. Da droht eine vollständige Kommerzialisierung der Kultur und ein Verschwinden der bewahrenswerten, wenn auch reformbedürftigen Tradition deutscher Kulturförderung und damit auch des Kulturföderalismus."
©dpa
200330 Apr 03