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Neuer Stellenwert, neue Offenheit für Kultur auch im Steuerrecht

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Stand Februar 1999

Der Deutsche Kulturrat hat im September 1998 steuerpolitische Vorschläge zur Zukunftssicherung von Kultur in Deutschland und Europa vorgelegt, die auch heute noch gültige Anforderungen für eine kulturfreundliche Politik in der 14. Legislaturperiode darstellen. Die Vorschläge sind im Hinblick auf personelle Veränderungen, die seitdem eingetreten sind, noch einmal zur Information beigefügt. Darüber hinaus hatte sich der Deutsche Kulturrat gesonderte Stellungnahmen zu zwei großen Modernierungskomplexen vorbehalten:

1. zur für dringend erforderlich gehaltenen Reform des Stiftungs- und Stiftungssteuerrechts, sobald diese Gesetzesentwürfe neu eingebracht sind, und

2. zum Modernisierungskomplex “große Steuerreform”, zu dem hier aus aktuellem Anlaß und in Ergänzung zum vorgenannten steuerpolitischen Papier des Deutschen Kulturrates, Stellung genommen wird:

E s wird nochmals betont, daß bei der zu begrüßenden Steuerentlastung bei den Tarifen nicht mit der einen Hand gegeben und mit der anderen wieder genommen werden sollte darf. Der Zusage der Bundesregierung, künftig alle Vorhaben auf Kulturverträglichkeit hin zu prüfen, fällt hier die Aufgabe zu, im Einzelfall bei der steuerlichen Umsetzung kulturfreundliche Rahmenbedingungen zu gestalten.

Teilwertabschreibung
Zu begrüßen ist die von allen Fraktionen signalisierte Bereitschaft, im Rahmen des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 Kulturgüter vom Verbot der Teilwertabschreibung auszunehmen. Damit wird den wirtschaftlichen Anforderungen an das langfristige Engagement für die Ware “Kultur” durch mittelständische Firmen - wie z. B. bei Verlagen und Galerien - steuerlich Rechnung getragen. Es wird noch einmal darauf hingewiesen, daß die Vermittler von Kulturgütern heute und in Zukunft nicht die Kapitaldecke und den langen Atem wie Großfirmen haben, ohne Teilwertabschreibung ihre Vermittlungsarbeit durchzuhalten. Es wird daher dringend an die politischen Entscheidungsträger appelliert, nicht nur für den Buchhandel großzügige Lösungen vorzusehen, sondern dies auf alle Kulturgüter zu beziehen, da sonst besonders junge Künstler und Vermittler existentiell betroffen würden.

Ermäßigter Mehrwertsteuersatz
Die von allen im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien gegebene Zusage, an dem ermäßigten Steuersatz für bildende Kunst bei der Mehrwertsteuer nicht zu rütteln, muß Bestandskraft haben, auch vor dem Hintergrund weiterer europäischer Harmonisierungsentscheidungen.

Spendenrecht
Die geplante Änderung im Spendenrecht, die den Spendenrücktrag von 2 auf 1 Jahr verkürzen will, § 10b Abs. 2 Satz 3 EStG, verschlechtert die Bedingungen für Spender allgemein. Die damit verbundene Verkürzung der Verteilung des Spendenabzugs bei Großspenden über 50.000 DM von 8 auf 7 Jahre ist nicht verträglich mit dem von allen Parteien geplanten Vorhaben, das Stiftungsrecht zu reformieren, um eine aktivere Beteiligung der Bürger für den Kulturstaat zu aktivieren. Der Deutsche Kulturrat fordert, daß nicht hinter das bestehende Stiftungs- und Kulturförderungsgesetz zurückgegangen wird. Vielmehr sind die steuerlichen Bedingungen für Spenden im Rahmen des angekündigten, großen Modernisierungskomplexes Gemeinnützigkeit und Stiftungs- und Stiftungssteuerrecht zu behandeln.

Spendendurchlaufverfahren
Zu erinnern ist auch daran, daß die seit Jahren geforderte aufkommensneutrale Abschaffung des sogenannten “Spendendurchlaufverfahrens” nach wie vor dringlich ist: ein unnötiger bürokratischer Wall gegen die Bürger, die sich gemeinnützig engagieren wollen, könnte durch Änderung eines Erlasses kurzfristig fallen. Darüber hinaus würde bei den Kommunen falsch eingesetzte Manpower frei für praxisrelevante Kulturarbeit.

Steuerliche Entlastung beim Erhalt von Baudenkmälern
Über eine Million Baudenkmäler sind Zeichen des reichen kulturellen Erbes in Deutschland. Ihr Schutz und ihre Pflege sind Aufgabe eines Kulturstaates. Gerade in Zeiten knapper öffentlicher Ressourcen darf es daher nicht zur Streichung von steuerlichen Entlastungen der Eigentümer solcher Denkmäler kommen.

Sog. Ausländersteuer
Eine steuerpolitisch wichtige Ergänzung erscheint geboten durch Ermäßigung der sog. “Ausländersteuer” auf einen einheitlichen Satz von 20% sowohl für die selbständigen als auch die unselbständigen ausländischen Künstler sowie die Ermäßigung des Umsatzsteuersatzes für selbständig tätige darstellende Künstler von 16% auf 7%.

Der Deutsche Kulturrat sieht sich bei einigen seiner steuerpolitischen Vorschläge seit längerer Zeit immer wieder Grenzen gegenüber, die insbesondere von der Steuerverwaltung mit dem Argument der sogenannten Steuersystematik errichtet werden. Wenn eine Regelung unter dem Gesichtspunkt der Kulturfreundlichkeit sachlich erforderlich erscheint, so ist es demokratiewidrig, dies mit abstrakten Systemargumenten zu behindern. Um hier einen Schritt weiterzukommen, schlägt der Steuerausschuß vor, im Rahmen der vom Deutschen Kulturrat geforderten Kultur-Enquete eine besondere Arbeitsgruppe für ein kulturfreundliches Steuerrecht vorzusehen, die sich u. a. auch mit zum Teil bereits eingeführten Fragen wie den folgenden befasst:

Gewinnerzielungsabsicht bei künstlerischer Tätigkeit
Anforderungen an die Gewinnerzielungsabsicht bei künstlerischer Tätigkeit (sogenannter “Hobbytätigkeit”) aufstellen, die den Besonderheiten im Kunst- und Kulturmarkt angepaßt sind und ungerechtfertigte Existenzbedrohungen von Künstlern und Kunstvermittlern verhindern. Dies ist bereits in der steuerpolitischen Stellungnahme des Deutschen Kulturrates 1998 eine zentrale Forderung gewesen. Hierzu gehören auch Fragen der Gewerbesteuerfreiheit von Kunstvermittlern sowie der Abschreibung im Anlagevermögen von Firmen.

Mehrwertsteuerpflicht für selbständige Lehrtätigkeit
Aktuelle Vorschläge, die Befreiung von der Mehrwertsteuerpflicht für selbständige Lehrtätigkeit im Bereich der Musiker und der Bildenden Künstler einzuschränken, lehnt der Deutsche Kulturrat ohne eingehende Behandlung des auch von der öffentlichen Hand, insbesondere im Medienbereich praktizierten Outsourcings von abhängig Beschäftigten zu selbständig Tätigen ab. Der Deutsche Kulturrat erwartet, daß eine Steuerpolitik, die den Anspruch der Kulturverträglichkeit erhebt, keinen, auch keinen verdeckten Anlaß zu Einkommenskürzungen in Höhe der Mehrwertsteuer von 16 Prozent gibt.

Ermäßigter Mehrwertsteuersatz für Fotokunst und künstl. Siebdruck
“Fotokunst”, künstlerischer Siebdruck und andere moderne Techniken werden durch die Systematik des Zolltarifes (Kapitel 97 des GTZ) und in der Folge dementsprechend vom kulturfördernden ermäßigten Mehrwertsteuer im Bereich der bildenden Kunst ausgegrenzt: für sie gilt im Gegensatz zu sogenannten anerkannten künstlerischen Originalen nicht der ermäßigte Mehrwertsteuersatz. Dies entspricht schon seit mehr als 10 Jahren nicht mehr den Gegebenheiten der künstlerischen Produktion, die sich inzwischen auch auf multimediale Konzepte und Techniken erweitert hat. Der Deutsche Kulturrat erinnert an die 1998 gegebene Antwort auf die diesbezüglichen Fragen des Deutschen Kulturrates: demnach soll jedenfalls Fotografie nicht länger umsatzsteuerrechtlich diskriminiert werden.

Alterssicherung von Kulturschaffenden
Die Alterssicherung für Künstler und Kunstvermittler verschlechert sich seit Jahren. Oft verschärfen steuerliche Regelungen dies ohne Not. Auf die Besteuerung der Lebensversicherungen auf Rentenbasis kann beispielhaft verwiesen werden. Die so verschlechterten Zukunftsaussichten für Kulturschaffende sind ein Hemmnis für eine lebendige Kulturszene.

Bonn, Februar 1999