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Verbände und Vereine

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Vereine und Verbände nehmen in der Demokratie eine wichtige Funktion wahr. Nach Art. 9 Abs. 1 GG haben alle Deutschen das Recht „Vereine und Gesellschaften zu bilden“. Die Verankerung der Vereinigungsfreiheit in den ersten Kapiteln des Grundgesetzes spiegelt die hohe Bedeutung, die der freien Bildung von Vereinen und Gesellschaften in der Demokratie beigemessen wird.


In Vereinen und Verbänden wird die Demokratie „im Kleinen“ lebendig. Entscheidungen werden nach demokratischen Spielregeln getroffen, d.h. vor einer Entscheidung muss um die Mehrheiten gerungen werden. Kompromisse müssen geschlossen werden und auch diejenigen, die sich mit ihren Voten nicht durchsetzen konnten, müssen die getroffene Entscheidung bis zur erneuten Wahl mittragen. Diese abstrakten Formulierungen finden im realen Vereinsleben von der Entscheidung über den Zeitpunkt des Vereinsfestes, die Aufnahme oder den Ausschluss von Mitgliedern, die Verabschiedung des Vereinshaushaltes ihren Ausdruck.

Vereine und Verbände unterscheiden sich in Hinblick auf ihre Verfasstheit nur wenig. Bei den meisten Verbänden handelt es sich um Vereine. Die oben genannten Handlungsfelder treffen auf Vereine und Verbände gleichermaßen zu. Das wesentlichste Unterscheidungskriterium ist, dass unter dem Verein in der Regel der Zusammenschluss vor Ort, in der Kommune verstanden wird, der sich in der Regel auch durch ein geselliges Vereinsleben und die Mitgliedschaft natürlicher Personen auszeichnet. Unter einem Verband versteht man in der Regel einen Zusammenschluss, der sich zumindest auf regionaler zumeist aber auf Landes- oder Bundesebenegebildet hat. Mitglieder von Verbänden sind sehr häufig juristische Personen. D.h. der Gesangverein „Wohlklang e.V.“ ist ein Verein, der Deutsche Sängerbund e.V. als Zusammenschluss von Gesangvereinen ist ein Verband.

Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal von Vereinen und Verbänden ist, dass Vereine in der Regel auf der lokalen Ebene wirken und Verbände die übergreifenden Anliegen der lokalen Vereine bündeln, einen Meinungsbildungsprozess innerhalb des Verbandes anstreben, eine Position herausarbeiten und diese dann gegenüber Öffentlichkeit, Politik und Verwaltung vertreten.

Als erster Zwischenschritt kann also festgehalten werden: Vereine artikulieren ihre Anliegen auf der kommunalen Ebene. Es besteht eine enge Bindung zwischen Einzelmitglied und Verein. Verbände tragen abgestimmte Positionen ihrer Mitglieder gegenüber Öffentlichkeit, Politik und Verwaltung auf der Landes- oder Bundesebene vor. Die Verbindung zwischen Einzelmitglied und Verband ist mittelbar.

Seit Beginn der 90er Jahre war vielfach davon die Rede, dass Vereine und Verbände nicht mehr zeitgemäß sind. Sie wurden mit dem so genannten alten Ehrenamt assoziiert und ihnen wurde Unbeweglichkeit, Festkleben an eingefahrenen Traditionen, Beharren auf Partikularinteressen vorgeworfen. Vielfach wurden verkrustete Strukturen in Vereinen und Verbänden kritisiert sowie den Vereinen und Verbänden Selbstgenügsamkeit attestiert.

Auch wenn diese Pauschalkritik verkennt, dass sich auch viele neue Formen des Bürgerschaftlichen Engagements in Vereinen zusammengeschlossen haben, sind einige der Kritikpunkte nicht von der Hand zu weisen und werden von den betroffenen Organisationen auch angegangen. Gerade Vereine und Verbände mit Traditionen, die bereits in das 19. Jahrhundert zurückreichen, stehen vor der Heerausforderung, stetig einen Ausgleich zwischen der Bewahrung ihrer Tradition und der Öffnung gegenüber Neuem erzielen zu müssen. Dieser Prozess ist vereinsintern ein Balanceakt.

Traditionsvereine und –verbände vermitteln neben dem praktischen Tun auch Werte. So verfolgen die in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände zusammengeschlossenen Verbände der Freien Wohlfahrtspflege zwar ähnliche Ziele und gründen alle auf Bürgerschaftlichen Engagements, doch haben sie aus ihrem Verständnis und ihrer Tradition heraus ein unterschiedliches Menschenbild. Auch wenn konfessionelle oder Schichtunterschiede heute an direkter Bedeutung verloren haben, darf ihre kulturelle Bedeutung für die Entwicklung eines Gemeinschaftsgefühls innerhalb des Vereins oder des Verbands nicht unterschätzt werden. Das gemeinsame, oftmals gar nicht artikulierte sondern selbstverständliche Grundverständnis in einer Organisation beeinflusst die Entscheidung, in welcher Organisation sich die Bürgerinnen und Bürger schließlich engagieren.

So kann als zweiter Zwischenschritt ganz pragmatisch festgestellt werden, dass zu jeder Zeit sich adäquate neue Engagementformen herausbilden. Bestehende Organisationen sind um des eigenen Überlebens willen gefordert, sich kontinuierlich selbst zu überprüfen und gegebenenfalls zu wandeln. Organisationen, die diesen Wandel nicht erfolgreich bestehen, werden in ihrem Fortbestand gefährdet sein. An ihre Stelle werden neue angepasste Organisationsformen treten. Generell kann also von einem Lebenszylus eines Vereins oder Verbandes gesprochen werden, auf die Aufbau- folgt die Konsolidierungsphase an die sich im positiven Fall eine Erneuerungsphase im negativen die Stagnationsphase anschließt.

Verschiedene Gremien auf der Bundesebene haben in den letzten fünf Jahren zu einem vermehrten Austausch der Verbände untereinander beigetragen. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang u.a. der Nationale Beirat zum Johns Hopkins International Nonprofit Research Projekt, der Beirat zur Bevölkerungsumfrage zum Freiwilligen Engagement beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, der Nationale Beirat zum Internationalen Jahr der Freiwilligen, das Verbändeforum Ehrenamt.

Die Diskussionen in den genannten Gremien haben zu Tage gefördert, dass bei der Unterschiedlichkeit der vertretenen Interessen in Hinblick auf die Problemlagen in den Rahmenbedingungen für Bürgerschaftliches Engagements eine große Vergleichbarkeit und Ähnlichkeit besteht.

Fragen des Steuerrechts, des Arbeits- und Sozialrechts oder auch des Zuwendungsrechts betreffen die unterschiedlichen Organisationen von den Sportverbänden, über die Wohlfahrtsverbände, die Kulturverbände, die Umwelt- und Naturschutzverbände, die Jugendverbände gleichermaßen. Ein Austausch über mögliche Probleme mit Blick auf die Rahmenbedingungen Bürgerschaftlichen Engagement könnte zu gemeinsamen Empfehlungen führen. Diese Empfehlungen hätten eine große Verbindlichkeit. Sie könnten Politik und Verwaltung im Idealfall einen gemeinsame Kompromiss der Forderungen der unterschiedlichsten Bereiche des Bürgerschaftlichen Engagement anbieten.

Auch was die Organisationsentwicklung anbelangt, sind alle Verbände gleichermaßen gefordert. Alle Verbände, auch die die gerade in der Konsolidierungsphase sind, müssen daran arbeiten, dass ihre Organisation nicht stagniert, dass adäquate Beteiligungsformen entwickelt werden. Die verschiedenen Organisationen können vom Austausch untereinander profitieren. Sie können Modelle, die von anderen Organisationen bereits erfolgreich angewandt wurden, für sich weiterentwickeln.

Weiter könnte ein vermehrter und institutionalisierter Austausch unter den Organisationen des Dritten Sektors auch zu einer nachhaltigen Stärkung der öffentlichen Wahrnehmung dieses Bereiches beitragen. Die vergangenen zwei Jahre der Arbeit der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“ sowie die Aktivitäten im Internationalen Jahr der Freiwilligen zeigen, wie groß und wie vielfältig das Engagement ist. Sie bieten ein öffentliches Forum für den Austausch zu Fragen des Bürgerschaftlichen Engagements. In den Medien ist gerade mit Blick auf das Internationale Jahr der Freiwilligen ein bemerkenswerter Wandel in der Berichterstattung festzustellen. Überwogen noch vor einiger Zeit eher spöttische Artikel über die Vereinshuberei, so wird heute die Vielschichtigkeit der Engagement formen dargestellt.

Um die positive Öffentlichkeit für Vereine und Verbände der unterschiedlichen Bereiche nachhaltig zu stärken, bedarf es einer Verstetigung des Austauschs der Organisationen des Dritten Sektors.

Dieser Austausch kann nur unter den Vereinen und Verbänden selbst geleistet werden. Hier kann eine vertrauensvolle Atmosphäre hergestellt werden, die es erlaubt von Erfolgen aber auch von Misserfolgen und Problemlagen zu berichten. Organisationen, die von außen insbesondere von Seiten der Verwaltung zum Austausch der Vereine und Verbände aufgebaut werden, fehlte zumindest in der Vergangenheit der nötige Vertrauensvorschuss aus dem Vereins- und Verbandsleben.

So kann zusammengefasst werden, dass Vereine und Verbände ein wesentlicher Bestandteil der Demokratie sind. Vereine und Verbände sind zum stetigen Wandel unter Berücksichtigung ihrer Werte und Traditionen aufgerufen. Den Austausch unter den Vereinen und Verbänden gilt es nachhaltig zu verbessern und zu stärken.


Olaf Zimmermann
Sep. 2001