Fast zwei Jahre nach der Bundestagswahl 1998 ist die Bundeskulturpolitik zu einem festen Bestandteil der politischen Diskussionen geworden. Die Behörde des Beauftragten der Bundesregierung für die Angelegenheiten der Kultur und der Medien hat ihren Platz zwischen den Bundesministerien gefunden. Der Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundestags nimmt seine federführenden oder mitberatenden Aufgaben im parlamentarischen Alltag wahr, als hätte es diesen Ausschuss schon immer gegeben. Mit der Einsetzung des Unterausschusses Medien des Ausschusses für Kultur und Medien des Deutschen Bundestags wurde der Komplexität der Aufgabenstellung Rechnung getragen und spezifische Aufgaben wurden dem Unterausschuss übertragen.
Fast könnte man meinen, dass die Diskussionen vor der Bundestagswahl 1998, in denen von einer Gefahr für den Föderalismus bei der Einrichtung eines Beauftragten für Kultur die Rede war, ein Sturm im Wasserglas war. Denn es hat sich gezeigt, dass der Föderalismus keineswegs in Gefahr geraten ist, viel mehr die Konkurrenz zwischen den Ländern durch die selbstbewusstere Wahrnehmung der kulturpolitischen Kompetenz des Bundes belebt wurde.
Politische Normalität zeigte sich in dem Zeitraum, der im vorliegenden Bericht dargestellt werden soll, auch darin, dass nicht alle kulturpolitischen Wünsche in Erfüllung gegangen sind und dass kulturpolitischer Schaden auch durch einen Staatsminister für Kultur allein nicht abgewandt werden kann.
Bundeskulturpolitik ist also ein fester Bestandteil der Politik des Bundes geworden. Bundeskulturpolitik ist aber auch ein normaler Bestandteil der Politik des Bundes geworden. Und dies schließt die Freude über gelungene gesetzgeberische Maßnahmen ebenso mit ein wie die Enttäuschung über nicht Erfülltes.
Deutlich wurde ersteres in der Debatte um die Reform des Stiftungs- und des Stiftungssteuerrechts.
Die Diskussion um diesen Reformprozess begann bereits in der letzten Legislaturperiode. Die Koalition hatte die Debatte aufgenommen und in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt, das Stiftungsrecht zu reformieren. Die F.D.P.-Bundestagsfraktion legte bereits im Oktober 1998 einen Gesetzesentwurf vor, der Veränderungen im Stiftungszivilrecht in den Mittelpunkt stellte. Die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag brachte im Herbst 1999 einen Vorschlag in das Parlament ein, in dem ebenfalls in erster Linie zivilrechtliche Fragen angesprochen wurden. Mit diesen parlamentarischen Vorschlägen sollten die von vielen Verbänden beklagten Hürden bei der Errichtung von Stiftungen beseitigt und insgesamt ein stiftungsfreundliches Klima geschaffen werden.
Der Deutsche Kulturrat hat sich an der Debatte um die Reform des Stiftungs- und des Stiftungssteuerrechts intensiv beteiligt und mit seiner Stellungnahme „Verbesserungen im Stiftungsrecht sind erforderlich!“ den aus seiner Sicht erforderlichen gesetzgeberischen Handlungsbedarf aufgezeigt (siehe hierzu: Kapitel 8 Positionen, Resolutionen und Stellungnahmen des Deutschen Kulturrates). In der gemeinsamen Erklärung mit dem Bundesverband Deutscher Stiftungen, dem Stifterverband für die deutsche Wissenschaft und dem Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im Bundesverband der Deutschen Industrie „Vorschläge zur Weiterentwicklung des Stiftungs- und des Stiftungssteuerrechts“ (siehe hierzu: Kapitel 8 Positionen, Resolutionen und Stellungnahmen des Deutschen Kulturrates) hat der Deutsche Kulturrat seine Positionen verdeutlicht. In gemeinsamen Thesen mit dem Deutschen Städte- und Gemeindebund zum Stiftungswesen in der Bundesrepublik Deutschland hat der Deutsche Kulturrat mit Nachdruck auf das Erfordernis der Stiftungsrechtsreform verwiesen (siehe hierzu: Kapitel 8 Positionen, Resolutionen und Stellungnahmen des Deutschen Kulturrates).
Pointiert hat sich der Deutsche Kulturrat insbesondere zur künftigen Definition von Stiftungen geäußert. In den Fachdiskussionen mit Wissenschaftlern und anderen Verbänden kristallisiert sich derzeit heraus, dass sich immer mehr der Argumentation des Deutschen Kulturrates in dieser Frage anschließen.
Der im Dezember 1999 von den Regierungsfraktionen in den Deutschen Bundestag eingebrachte Entwurf zur Reform des Stiftungssteuerrechts wurde vom Deutschen Kulturrat begrüßt. Der Deutsche Kulturrat machte aber auch deutlich, dass aus seiner Sicht die geforderten Änderungen im Stiftungszivilrecht notwendig sind, um dem bürgerschaftlichen Engagements in Stiftungen noch mehr Schubkraft zu verleihen.
In der vom Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundestags am 15.12.1999 durchgeführten Anhörung zur Reform des Stiftungs- und Stiftungssteuerrechts wurde dieser zweite, zivilrechtliche Reformschritt von allen Experten aus der Wissenschaft und aus den Verbänden einmütig gefordert. In der zweiten und dritten Lesung des Regierungsvorschlags „Gesetz zur steuerlichen Förderung von Stiftungen“ wurde von den Rednern der Koalition zugesagt, dass die Reform des Stiftungszivilrechts noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg gebracht werden soll.
Der Deutsche Kulturrat wird die Regierung und die Regierungsfraktionen an diese Zusage erinnern.
Die Verbesserung der Rahmenbedingungen für bürgerschaftliches Engagements wird von den Organisationen des Dritten Sektors bereits seit langem gefordert. Mit der Abschaffung der Durchlaufspende zum 01.01.2000 hat die Bundesregierung eine bereits seit langem bestehende Forderung aus dem Dritten Sektor eingelöst. Gemeinnützige Kulturvereine und –verbände können nun, wie andere gemeinnützige Organisationen auch, selbst Spendenbescheinigungen ausstellen. Der Umweg der Spende über eine öffentliche Körperschaft entfällt und es ist zu hoffen, dass es damit für gemeinnützige Kulturvereine und –verbände einfacher wird, Spenden für ihre Arbeit ein zu werben.
Ein weiterer wichtiger Schritt zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für bürgerschaftliches Engagement war die Anhebung der so genannten Übungsleiterpauschale von DM 2.400 auf DM 3.600 im Jahr zum 01.01.2000 und die Ausdehnung dieser Pauschale auf Betreuer. Es wurde damit nicht nur die Pauschale deutlich erhöht, sondern auch der Personenkreis derjenigen, die bei ihrer Einkommenssteuererklärung eine erhaltene Aufwandsentschädigungen steuerunschädlich ansetzen können, erweitert.
Die im Dezember 1999 eingesetzte Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“ bekam mit ihrem Einsetzungsbeschluss den ausdrücklichen Auftrag, das laufende Gesetzgebungsverfahren zu diesem Themenkomplex zu begleiten und konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für bürgerschaftliches Engagements zu unterbreiten. Der Deutsche Kulturrat wird mit dem in seinen Mitgliedsverbänden versammelten Sachverstand die Enquete-Kommission bei dieser Aufgabe unterstützend begleiten.
Von großer Bedeutung für die Verbesserung der Rahmenbedingungen für bürgerschaftliches Engagements ist für den Deutschen Kulturrat das „Bündnis für Ehrenamt“ mit dem Deutschen Sportbund und der Arbeiterwohlfahrt Bundesverband. Mit diesem Bündnis haben sich drei Spitzenorganisationen zusammengeschlossen, die für die Kontinuität des bürgerschaftlichen Engagements in Institutionen stehen. Sie sehen in diesem kontinuierlichen, verlässlichen Engagement einen unverzichtbaren Bestandteil der Demokratie. Im „Bündnis für Ehrenamt“ sollen gemeinsame Vorstellungen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für bürgerschaftliches Engagements diskutiert, in Positionen zusammengefasst und gegenüber der Politik vertreten werden. Deutscher Kulturrat und Deutscher Sportbund haben mit ihrer Erklärung „Vielversprechende Partnerschaft im gesamtgesellschaftlichen Interesse – Gemeinsame Stellungnahme des Deutschen Kulturrates und des Deutschen Sportbundes“ einen Anfang gemacht (siehe hierzu: Kapitel 8 Positionen, Resolutionen und Stellungnahmen des Deutschen Kulturrates). Weiter will sich das „Bündnis für Ehrenamt“ mit den gewandelten Anforderungen an die Verbände selbst und den veränderten Engagementformen auseinander setzen.
Weniger erfreulich als die Initiativen zur Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements war die Arbeits- und Sozialgesetzgebung der Bundesregierung im vorliegenden Berichtszeitraum. Die Absenkung des Bundeszuschusses zur Künstlersozialkasse und die Vereinheitlichung der Abgabesätze an die Künstlersozialkasse, die mit dem Haushaltssanierungsgesetz im November 1999 verabschiedet wurden, haben in der Kulturwirtschaft für Unruhe gesorgt. Diese Veränderung bereitet gerade den öffentlich-finanzierten Kultureinrichtungen, die einen festen Etat für die Honorare und Sozialabgaben für freiberufliche Künstlerinnen und Künstler haben, große Probleme.
Scharf kritisiert wurde vom Deutschen Kulturrat, dass die Änderungen im Künstlersozialversicherungsgesetz ohne eine vorherige Einbindung des Sachverstandes aus den Kulturverbänden umgesetzt wurde. Diese Vorgehensweise unterschied sich von den vorherigen Änderungen zum Künstlersozialversicherungsgesetz, bei denen im Konsens mit den Verbänden der Versicherten und der Abgabepflichtigen eine Lösung gesucht wurde.
Der Deutsche Kulturrat hat gegen die Veränderungen im Künstlersozialversicherungsgesetz protestiert. Er setzt nun auf die in der ersten Jahreshälfte 2000 angekündigte Reform des Künstlersozialversicherungsgesetzes mit der nach Auffassung des Deutschen Kulturrates die Zusage der Bundesregierung im Koalitionsvertrag, nämlich das Künstlersozialversicherungsgesetz zu verbessern, eingelöst werden muss.
Ein Erfolg für den Deutschen Kulturrat ist, dass die seinen Sektionen angeschlossenen Verbände der Künstler, der Kulturwirtschaft, der Kultureinrichtungen und der Kulturvermittler unter dem Dach des Deutschen Kulturrates einen gemeinsamen Vorschlag zur Reform des Künstlersozialversicherungsgesetzes unterbreiten (siehe hierzu: Kapitel 8 Positionen, Resolutionen und Stellungnahmen des Deutschen Kulturrates). Mit diesem gemeinsamen Vorschlag unterstreichen die unterschiedlichen Verbände des Kulturbereiches ihre Verantwortung für die soziale Sicherung der Künstler und Publizisten. Im Gespräch mit der Politik wird dieses Positionspapier vom Deutschen Kulturrat vertreten.
Die Reform des Künstlersozialversicherungsgesetzes und die Reform des Stiftungsrechts sind politische Themen, die aus dem abgelaufenen Berichtszeitraum in den neuen hineinreichen. Dies gilt ebenso für die verschiedenen Projekte des Deutschen Kulturrates (siehe hierzu: Kapitel 7 Projekte des Deutschen Kulturrates)und die kontinuierlichen Aufgaben wie die fachliche Diskussion in den Fachausschüssen, die Öffentlichkeitsarbeit und die Lobbyarbeit.
Vorstand und Geschäftsführung danken den Expertinnen und Experten aus den Mitgliedsverbänden für das große ehrenamtliche Engagement im Berichtszeitraum. Ohne dieses Engagements wäre die hier vorgestellte Arbeit des Deutschen Kulturrates vom 01.05.1999 bis zum 30.04.2000 nicht möglich gewesen.
Dank gilt ebenfalls den Zuwendungsgebern des Deutschen Kulturrates, die durch die Förderung der Projekte einen wesentlichen finanziellen Beitrag zur Arbeit des Deutschen Kulturrates geleistet haben.
Namentlich erwähnt seien in diesem Zusammenhang der Beauftragte der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien für die Förderung der Projekte:
Politikberatung durch den Deutschen Kulturrat e.V.,
Bündelung verbandlicher Kulturpolitik und Politikberatung durch den Deutschen Kulturrat e.V.
sowie die anteilige Finanzierung des Cultural Contact Point, dem Beratungsbüro des Deutschen Kulturrates für die Europäischen Kulturförderprogramme.
Benannt werden soll in diesem Zusammenhang auch die Europäische Kommission, die ebenfalls anteilig den Cultural Contact Point gefördert hat.
Unser Dank gilt weiter dem Bundesministerium für Bildung und Forschung für die Förderung des Projektes „Kulturelle Bildung in der Wissensgesellschaft unter besonderer Berücksichtigung der Künste – Anforderungen, Entwicklungen und Qualifikationen“.
Im vorliegenden Bericht sind die wichtigsten Aktivitäten des Deutschen Kulturrates im Berichtszeitraum 01.05.1999 bis 30.04.2000 zusammengestellt. Aus der Fülle an Aktivitäten musste eine Auswahl getroffen werden. Wir hoffen dennoch, dass die Zusammenstellung einen Eindruck von der Vielschichtigkeit der Arbeit des Deutschen Kulturrats vermitteln wird.
Vorstand und Geschäftsführung danken allen Freunden und Kritikern für die Beiträge und Anregungen aus dem abgelaufenen Berichtszeitraum. Wir hoffen auf eine weitere gute Zusammenarbeit. Auch im kommenden Berichtszeitraum wird der Deutsche Kulturrat wieder seiner Stimme erheben als „Lobby für die Kultur“.
Prof. Dr. Franz Müller-Heuser, Vorsitzender des Deutschen Kulturrates
Heinrich Bleicher-Nagelsmann, Stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Kulturrates
Bogislav von Wentzel, Stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Kulturrates
Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates