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Künstlersozialversicherung - Einführung

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Eine kurze Einführung in das Gesetz über die Sozialversicherung der Künstler und Publizisten (Künstlersozialversicherungsgesetz – KSVG)

von Olaf Zimmermann, Gabriele Schulz


Künstler-Enquete und Autorenreport – Empirische Arbeiten belegen soziale Not von Künstlern und Publizisten

Mit der Verabschiedung des „Gesetzes über die Sozialversicherung der Künstler und Publizisten“ – im folgenden Künstlersozialversicherungsgesetz – wurde im Jahr 1981 eine Lücke im Sozialversicherungssystem der Bundesrepublik geschlossen.

Bis zu diesem Zeitpunkt konnten sich selbständig tätige Künstler und Publizisten für den Krankheitsfall nur durch den Abschluss einer privaten Krankenversicherung absichern. Eine Absicherung für das Alter musste ebenfalls auf privater Basis erfolgen.


Diese Lücke im Sozialversicherungssystem verbunden mit niedrigen Einkommen von Künstlern und Publizisten führte dazu, dass vielfach im Krankheitsfall von selbständigen Künstlern und Publizisten die Sozialämter eine Kostenübernahme leisten mussten. Im Alter litten viele Künstler und Publizisten unter großer ökonomischer Not. Das ohnehin knappe Einkommen von Künstlern und Publizisten verringerte sich im Alter u.a. infolge schwindender Schaffenskraft oder veränderter Marktanforderungen erheblich, so dass ältere Künstler und Publizisten entweder von der Sozialhilfe abhängig waren oder aber unter erbärmlichen Verhältnissen lebten.

Die beim Bundespräsidenten angesiedelte Deutsche Künstlerhilfe, die von verschiedenen Bundeslän­dern vergebenen Ehrensolde oder andere (Sozial)Leistungen an Künstler und Publizisten sowie die Leistungen aus Versorgungswerken und –kassen der Verwertungsgesellschaften konnten die Lücken in der Altersversorgung von Künstlern und Publizisten nicht ausgleichen.

Umfassend untersucht wurde die soziale, berufliche und wirtschaftliche Lage der Künstler und Publizisten in der 1974 vorgelegten „Künstler-Enquete“[1] des Instituts für Projektstudien. Der Künstler-Enquete ging der Autorenreport[2] voraus, in dem die soziale, berufliche und wirtschaftliche Lage von Wortautoren untersucht wurde.

Die Ergebnisse der beiden angeführten Untersuchungen waren die Grundlage für den Künstlerbericht der Bundesregierung vom 13.01.1975[3]. Im Künstlerbericht der Bundesregierung wurde festgehalten, dass die soziale und wirtschaftliche Lage der Künstler und Publizisten aufgrund bestehender Notlagen verbesserungsbedürftig ist. Entlang der Diskussionsstränge in der erwähnten „Künstler-Enquete“ so­wie im „Autorenreport“ beschloss die Bundesregierung im Jahr 1976 Maßnahmen zur Verbesserung der beruflichen und sozialen Lage der Künstler. Im Kontext der Diskussion um das Künstlersozialver­sicherungsgesetz ist von Bedeutung, dass u.a. Maßnahmen im Bereich des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts ergriffen werden sollten.

Neben dem Zahlenmaterial, dass die o.g. Arbeiten zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Künstler und Publizisten vorlegten, war für den Gesetzgebungsgang zur Künstlersozialversicherung bedeutsam, dass die Frage gestellt wurde, inwiefern selbständige Künstler und Publizisten überhaupt Unternehmer sind und ob bei ihnen die arbeitnehmerähnlichen Merkmalen nicht vielmehr überwiegen. In den Be­richten wird bereits auf eine enge Verbindung von Kulturproduktion und –vermarktung abgehoben, die für die spätere Argumentation zur Heranziehung der zur Künstlersozialabgabepflichtigen Unternehmen wegweisend ist.

Erster Entwurf eines Künstlersozialversicherungsgesetzes 1976

Im Jahr 1976 legt die sozialliberale Koalitionsregierung einen Gesetzesentwurf für ein Künstlersozialversicherungsgesetz vor. Nach diesem Gesetz sollten selbständige Künstler und Publizisten in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung pflichtversichert werden.

Die selbständige Künstler und Publizisten sollten für den Arbeitnehmeranteil der Beiträge aufkommen, die Vermarkter künstlerischer und publizistischer Leistungen für den Arbeitgeberanteil.

Gegen dieses Gesetzesvorhaben leisteten die Vermarkter künstlerischer und publizistischer Leistungen erheblichen Widerstand.

Vom Bundesrat wurde das Gesetz abgelehnt.

Zweiter Entwurf eines Künstlersozialversicherungsgesetzes 1979

In diesem Entwurf wurde erstmals ein Bundeszuschuss zur Aufbringung des Arbeitgeberanteils vorge­sehen. Von der einfachen Übertragung des Modells Arbeitnehmer/Arbeitgeber-Beiträge, wie es im Sozialversicherungssystem üblich ist, auf das Künstlersozialversicherungsgesetz wurde damit abgerückt. Als Bezugspunkt für den Bundeszuschuss wurde angeführt, dass selbständige Künstler und Publizisten teilweise ohne Einschaltung eines Vermarkters direkt an den Endverbraucher verkaufen.

Dritter Entwurf eines Künstlersozialversicherungsgesetzes 1979

In diesen Entwurf wurden Bedenken des Bundesrates hinsichtlich einer Absenkung des Jahresmin­desteinkommens eingearbeitet, wenn Krankengeld oder Mutterschaftsgeld geleistet wurde. Weitere Vorschläge des Bundesrates, insbesondere der Anspruch auf Zustimmungspflichtigkeit wurden abgelehnt.

Nach Beratungen des zuständigen Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung wurden im Jahr 1980 weitere Änderungsvorschläge in den Dritten Gesetzesentwurf eingebracht. Es wurde fest­gelegt, dass die selbständigen Künstler und Publizisten den hälftigen Beitrag zur Kranken- und Rentenversicherung aufbringen müssen. Die andere Hälfte wird von der zu gründenden Künstlersozial­kasse geleistet. Die Künstlersozialkasse wiederum bezieht ihren Beitrag aus dem Bundeszuschuss (ein Drittel) und der Künstlersozialabgabe (zwei Drittel). Die Künstlersozialabgabe wird von den Ver­marktern künstlerischer und publizistischer Leistungen erbracht. Grundlage ist nach einem Umlageverfahren ein festzulegender Prozentsatz der gezahlten Entgeltsumme an Künstler und Publizisten.

Im Gesetzesentwurf wurde festgeschrieben, dass die Bundesregierung im Jahr 1984 einen Bericht über die Entwicklung der sozialen Lage der Künstler und Publizisten vorlegt und über die praktischen Erfahrungen mit dem Künstlersozialversicherungsgesetz berichtet.

Vierter Entwurf des Künstlersozialversicherungsgesetzes 1980

Nach der Bundestagswahl 1980 wurde ein dem Dritten Entwurf des Künstlersozialversicherungsgesetz entsprechender Gesetzesentwurf von den Regierungsfraktionen SPD und F.D.P. in das Parlament eingebracht.

Dieses Gesetz wurde nach vorherigen eingehenden Ausschussberatungen und Anhörungen im Jahr 1981 vom Deutschen Bundestag verabschiedet. Der Bundesrat stimmte dem Gesetz nicht zu.

Das Künstlersozialversicherungsgesetz trat am 01.01.1983 in Kraft.

Selbständige Künstler und Publizisten wurden damit in die gesetzliche Sozialversicherung integriert. Keine Anwendung fand das Künstlersozialversicherungsgesetz für die sog. Altlast, d.h.. Künstler und Publizisten, die entweder bereits im Rentenalter waren oder aber bei Inkrafttreten des Gesetzes und für eine Übergangszeit von fünf Jahren das 50. Lebensjahr vollendet hatten.

Aller Anfang ist schwer...

In der Anfangsphase war die Umsetzung des Künstlersozialversicherungsgesetz von zahlreichen Problemen begleitet.

Als erstes Problem erwies sich die Verwaltung der Künstlersozialkasse. Sie war als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechst errichtet worden. Nach dem Inkrafttreten des Künstlersozialversicherungsgesetzes kam auf die Künstlersozialkasse eine so große Zahl an Versicherten zu, mit der im Vorfeld nicht gerechnet worden war. Die Künstlersozialkasse war auf diese Versichertenzahl weder personell noch in Hinblick auf die Sachausstattung eingerichtet. Weiter gestaltete sich als Problem, dass die Versichertenbeiträge aufgrund der schwankenden Einkommen von selbständigen Künstlern und Publizisten erst im Nachhinein – nach Ablauf eines Kalenderjahres – endgültig festgelegt wurden. Es konnte sich also erweisen, dass im Nachhinein die endgültigen Versichertenbeträge die im laufenden Jahr vorläufig gezahlten Beitrag unterschritten und daher eine Rückzahlung erfolgen musste. Es entstand u.a. hieraus ein beträchtlicher Verwaltungsaufwand.

Das weitere mindestens ebenso schwer wiegende Problem war die Weigerung von Verwertern künst­lerischer und publizistischer Leistungen, die Künstlersozialversicherungsabgabe zu zahlen. Verwerter künstlerischer und publizistischer Leistungen klagten ferner beim Bundesverfassungsgericht in Hinblick auf die Verfassungskonformität des Künstlersozialversicherungsgesetzes.

Beide Anfangsschwierigkeiten wurden mit dem Gesetzentwurf zur finanziellen Sicherung der Künstlersozialversicherung im Jahr 1987 überwunden. In den Gesetzentwurf gingen in der Entscheidung des Bundesverfassungerichts vom 08.04.1987 genannte Aspekte wie z.B. die Einführung einer bereichsspezifischen Künstlersozialversicherungsabgabe ein.

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 08.04.1987

Nach der Verabschiedung des Künstlersozialversicherungsgesetzes haben verschiedene Verlage, Tonträgerhersteller, Werbeagenturen, Konzertdirektionen und Kunstgalerien gegen das Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt. Diese Klage wurde angenommen. Gründe hierfür waren, dass von Fachgerichten keine wesentlichen Vorentscheidungen erwartet wurden und der Bestand des Gesetzes im Zusammenhang mit der Verfassungskonformität gesehen wurde. Beide, Versicherte und Abgabe­pflichtige, mussten wirtschaftlich planen und brauchten daher Rechtssicherheit.

Die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht bezog sich auf folgende Punkte:

· der Bund habe keine Gesetzgebungskompetenz für das Künstlersozialversicherungsgesetz gehabt. Da der Bundesrat dem Gesetz nicht zugestimmt hat, ist es formell verfassungswidrig;

· ebenso wird das Gesetz für materiell verfassungswidrig gehalten, weil der Kreis der Abgabepflich­tigen willkürlich eingegrenzt ist und daher die Künstlersozialabgabe fremdnützig ist. Die unterstellte enge Bindung von Vermarktern sowie Künstlern und Publizisten liegt so nicht vor. Der Gesetzgeber hat ferner nicht ausreichend berücksichtigt, wie viele Künstler und Publizisten ohne Einschaltung eines Vermarkters direkt an den Endverbraucher ihre Leistungen verkaufen. Ebenfalls ist der Kreis der Abgabepflichtigen zu eng gezogen. Darüber hinaus wird mit der pauschalen Festsetzung des Künstlerabgabesatzes gegen das Übermaßverbot verstoßen.

Das Bundesverfassungsgericht entschied am 08.04.1987, dass das Künstlersozialversicherungsgesetz verfassungskonform ist.

· Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergibt sich daraus, dass das Künstlersozialversicherungsgesetz dem Recht der Sozialversicherung zuzurechnen ist.

· Das Künstlersozialversicherungsgesetz war nicht durch den Bundesrat zustimmungspflichtig.

· Die Zahlungspflicht der Vermarkter ist mit dem Grundgesetz vereinbar.

· Die gesetzliche Abgrenzung der Abgabepflichtigen ist grundgesetzkonform. Der Gesetzgeber sollte jedoch prüfen, inwiefern die Eigenwerbung treibende Wirtschaft in die Abgabepflicht einbezogen werden sollte.

· Die pauschale Festsetzung des Abgabesatzes verstößt nicht gegen Grundrechte. Dem Gesetzgeber wird aber empfohlen eine Spartentrennung (Bereiche: Bildende Kunst, darstellende Kunst, Musik, Wort) des Abgabesatzes vorzunehmen.

Der Gesetzgeber hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in das Gesetz zur finanziellen Sicherung der Künstlersozialversicherung (1987) und in das Gesetz zur Änderung des Künstlersozialversicherugsgesetzes (1988) aufgenommen.

Gesetz zur finanziellen Sicherung der Künstlersozialversicherung 1987

Mit diesem Gesetz wurde eine wichtige Änderung bei der Durchführung des Künstlersozialversicherungsgesetzes vorgenommen. Die zuvor selbständige Künstlersozialkasse wird an die Landesversicherungsanstalt Oldenburg-Bremen angegliedert. Damit sollte der Verwaltungsablauf vereinfacht und verbessert werden.

Der Bundeszuschuss wurde von 17% auf 25% erhöht. Der Abgabesatz für Vermarkter wurde ohne bereichsspezifische Trennungen auf 5% festgelegt.

Der Kreis der Abgabepflichtigen wurde um die Eigenwerbung betreibenden Unternehmen ausgedehnt.

Weiter sollte durch Streichung des §52 Abs. 5 KSVG die mögliche Doppelbelastung von Vermarktern ausgeschlossen werden. Dieser Paragraph war der einzige Paragraph des Künstlersozialversicherungs­gesetzes, der vom Bundesverfassungsgericht als nicht verfassungskonform angesehen wurde. Seine Anwendung hatte zur Folge, dass Künstler und Publizisten, die nicht über die Künstlersozialversicherung versichert waren, einen Zuschlag zu ihrem Honorar für die private Absicherung im Alter und im Krankheitsfall verlangen konnte. Es entstand damit eine Doppelbelastung für die Vermarkter, die un­abhängig davon, ob die selbständigen Künstler und Publizisten über die Künstlersozialversicherung versichert waren oder nicht die Künstlersozialabgabe leisten mussten und u.U. zusätzlich den o.g. Zuschlag.

Gesetz zur Änderung des Künstlersozialversicherungsgesetzes 1988

Die Novelle des Künstlersozialversicherungsgesetzes von 1998 zielte darauf ab, den Verwaltungsauf­wand für die Künstlersozialkasse zu vereinfachen und die Künstlersozialabgabe zu präzisieren.

Mit diesem Gesetz wurde der Einzug der Versichertenbeiträge dem allgemeinen Beitragseinzugsver­fahren der Sozialversicherungträger angepasst. Die Versicherten müssen grundsätzlich die Hälfte der Krankenversicherungs- und Rentenversicherungsbeiträge an die Künstlersozialkasse leisten. Ihr monatlicher Beitrag berechnet sich nach dem vorausgeschätzten Jahreseinkommen. Der Beitrag bleibt für das Versicherungsjahr stabil. Es wurden verbindliche Mindestbeiträge eingeführt. Sollten Versicherte ihrer Beitragspflicht beharrlich nicht nachkommen, sind Sanktionen möglich.

Der Katalog der Abgabepflichtigen wird erweitert. Von Bedeutung ist hier die Generalklausel. Hier­unter werden Unternehmen gefasst, die mehr als nur gelegentlich künstlerische und publizistische Leistungen verwerten. Neben der Einbeziehung der Eigenwerbung leistenden Unternehmen wurde hiermit der Weg für die Verbreiterung der Basis an Abgabepflichtigen bereitet und die Künstlersozialabgabe aus dem engen Kreis der Kulturwirtschaft herausgelöst.

Ausdrücklich freigestellt wurden aber jene Unternehmen und Institutionen, die künstlerische und publizistische Leistungen nur gelegentlich verwerten.

Weiter wird mit diesem Gesetz zum ersten Mal eine bereichsspezifische Künstlersozialabgabe eingeführt. Grundlage für die Berechnung der Künstlersozialabgabe für das Jahr 1989 waren die Jahresein­kommen der Versicherten und die gemeldeten Entgeltsummen der Abgabenpflichtigen aus dem Jahr 1987. Es ergab sich zunächst eine sehr breite Spreizung von 11,2% Abgabesatz im Bereich der Bil­denden Kunst, von 8.8% in der Darstellenden Kunst, 5.1% in der Musik und 2,8% im Bereich Wort[4].

Da auf die Bereiche der Bildenden Kunst und der Darstellenden Kunst mit dem errechneten Prozent­satz eine sehr hohe Belastung zukam, wurde eine interner Ausgleich getroffen. Die Abgabesätze durften für das Jahr 1989 nicht über 6% liegen, für 1990 nicht über 6,5% und für 1991 nicht über 7%. Es wurde dabei in die Überlegungen einbezogen, dass die Zugehörigkeit zu den einzelnen Sparten nicht so scharf zu ziehen sind. Weiter wurde angemerkt, dass Künstler und Publizisten zum Teil Grenzgänger zwischen den Sparten sind[5].

Eingliederung der Künstler und Publizisten aus den neuen Ländern

Mit dem Beitritt der neuen Länder zur Bundesrepublik Deutschland mussten selbständige Künstler und Publizisten aus den neuen Ländern in die Künstlersozialversicherung integriert werden. In Hin­blick auf die Berechnung von deren Mindesteinkommen, Meldefristen usw. wurden zunächst gesetzliche Sonderregelungen getroffen.

Normalität stellt sich ein....

Nach den Schwierigkeiten der Anfangsjahre dieses neuen Sozialversicherungsgesetzes stellte sich nach den gesetzlichen Änderungen von 1988 eine gewisse Normalität ein. Alle Seiten hatte sich mit der Existenz des Künstlersozialversicherungsgesetz abgefunden und kamen ihren Verpflichtungen nach.

Die Abgabesätze wurden jährlich unter vorheriger Beteiligung der betroffenen Verbände auf Verordnungsweg festgelegt. Sie unterlagen im Verlauf der Jahre Schwankungen.

Eingespielt hatte sich auch, wer als selbständiger Künstler oder Publizist über die Künstlersozialversicherung versichert werden konnte. Da im Gesetz der Begriff des Künstlers[6] bzw. Publizisten umschrieben wurde, wurde vielfach auf dem Weg der Rechtssprechung entschieden, ob jemand in der Künstlersozialkasse sozialversichert sein kann oder aber nicht.

Alle Jahre wieder....

Trotz dieser Normalität wurde seit Beginn der 90er Jahre der Versuch unternommen, den Bundeszuschuss abzusenken. Grundlage hierfür sind Empfehlungen des Bundesrechungshofs sowie ein Gutachten des ifo-Instituts zum Einkommenszusammensetzung selbständiger Künstler und Publizisten[7].

Sowohl der Bundesrechungshof als auch das ifo-Institut gingen davon aus, dass der Selbstvermark­tungsanteil geringer ist, als mit der Festsetzung von 1987 angenommen und darum der Bundeszu­schuss gesenkt werden könnte. Den Ausgleich für den abgesenkten Bundeszuschuss sollten die Abgabepflichtigen leisten. Ausgangspunkt war hierbei, dass die Verwertung künstlerischer und publizisti­scher Leistungen in stärkerem Umfang über Vermarkter erfolgt.

Die Versuche zur Absenkung des Bundeszuschuss konnten bis zum Jahr 1999 mit dem Verweis auf eine unzureichende Datenbasis und methodische Fehler im ifo-Gutachten zurückgewiesen werden.

Haushaltssanierungsgesetz von 1999

Im Rahmen des Haushaltssanierungsgesetzes von 1999 wurde dann von der neuen Bundesregierung Vorschläge umgesetzt, die bereits seit langem in den Schreibtischschubladen der Bundesbehörden lagen.

Nicht in einer eigenen Novelle zu Künstlersozialversicherungsgesetz sondern innerhalb des Haushaltssanierungsgesetzes wurde festgelegt, dass der Bundeszuschuss von 25% auf 20% der Kosten der Künstlersozialkasse gesenkt wird. Darüber hinaus wurde der bereichsspezifische Künstlerabgabesatz aufgegeben und für alle Sparten verbindlicher Abgabesatz für das Jahr 2000 von 4% eingeführt.

Trotz vielfacher Proteste der einzelnen Bundeskulturverbände und des Deutschen Kulturrates passierte das Gesetz am 12.11.1999 den Deutschen Bundestag.

Geplante Novelle vom Frühjahr 2000 wird erst im April 2001 veabschiedet

Als Trostpflaster für die in den Bundeskulturverbänden zusammengeschlossenen Künstler und Publizisten, die Kulturwirtschaft, die Kultureinrichtungen und die Kulturvermittler wurde eine Novelle des Künstlersozialversicherungsgesetzes im Frühjahr 2000 vorgesehen. Die Beratungen ziehen sich bis zum April 2001 hin.

Die im Deutschen Kulturrat zusammengeschlossenen Bundesverbände haben für diese Novelle ein Positionspapier erarbeitet, in dem der aus Sicht der Bundeskulturverbände bestehende Handlungsbedarf dargestellt wird. Dabei findet sowohl die Seite der Versicherten als auch die der Abgabepflichtigen Berücksichtigung. Konkret werden Vorschläge unterbreitet:

· zu einer Änderung der Systematik der Aufbringung des Arbeitgeberanteils,

· zur Verbesserung des Versicherungsschutzes der Künstler und Publizisten.

Bericht der Bundsregierung über die soziale Lage der Künstlerinnen und Künstler

Die Bundesregierung legt im Juni 2000 zur Vorbereitung der Reform einen Bericht über die soziale Lage der Künstlerinnen und Künstler in Deutschland (pdf-Datei) vor.

Der Bericht erläutert die Ziele und die Funktionsweise der Künstlersozialversicherung, zeigt ihre Entwicklung anhand der Zahl der Versicherten auf und stellt den Umfang der mit ihr erreichten sozialen Absicherung dar. Nach einem Überblick über die wesentlichen Änderungen des KSVG seit seiner Novellierung im Jahre 1988 geht der Bericht auf den Reformbedarf ein und befasst sich mit den wichtigsten aktuellen Änderungsvorschlägen.

Der Bericht beruht in erster Linie auf statistischem Material der Künstlersozialkasse (KSK) und der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, auf Erfahrungen der KSK, des Bundesversicherungsamts und des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung mit dem KSVG. Neue Daten wurden nicht erhoben!

Ein neuer Künstlersozialreport ist erforderlich

Der Deutsche Kulturrat fordert bereits seit vielen Jahren dass eine umfassende Untersuchung der wirtschaftlichen und sozialen Lage der Künstler und Publizisten. Seit der Vorlage des Autorenreport und der Künstler-Enquete sind fast zwei Jahrzehnte vergangen. In diesem Zeitraum hat sich der gesamte Kultur- und Medienbereich gravierend geändert. Die Medienbranche gehört zu den Zukunftsbranchen. Selbständige Existenzen werden vielfach im Kultur- und Medienbereich gegründet. Durch die Entwicklung der Informationsgesellschaft ändern sich Verwertungsformen und –chancen tief greifend.

Der von der Bundesregierung vorgelegte Bericht über die soziale Lage der Künstlerinnen und Künstler in Deutschland (pdf-Datei) und die bestehenden Einzeluntersuchungen können diese vom Deutschen Kulturrat und einigen seiner Mitgliedsverbänden bereits seit Jahren geforderte umfassende Untersuchung, die quantitative und qualitative Daten enthalten muss, nicht ersetzen.

Zweite Gesetz zur Änderung des Künstlersozialversicherungsgesetzes und anderer Gesetze (06.April 2001)

Zahlreiche Änderungsvorschläge des Deutschen Kulturrates, die insbesondere die Verbesserung der Situation der Versicherten betreffen, wurden in das "Zweite Gesetz zur Änderung des Künstlersozialversicherungsgesetzes und anderer Gesetze" (pdf-Datei) aufgenommen wurden. Auch für die gemeinnützigen Musikvereine wurden positive Klarstellungen vorgenommen, die der Deutsche Kulturrat begrüßt hat. Besonders bedeutsam für den Deutschen Kulturrat war, dass der Bundeszuschuss zur Künstlersozialversicherung in der Zukunft nicht mehr an den so genannten Selbstvermarktungsanteil der Versicherten gekoppelt wird. Der Deutsche Kulturrat hat auch begrüßt, dass in der Bundestagsdebatte am 06. April 2001 zur Reform des Künstlersozialversicherungsgesetzes von der Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung Ulrike Mascher, MdB (SPD) und der Berichterstatterin des Ausschusses Arbeit und Sozialordnung des Deutschen Bundestags, Angelika Krüger-Leißner, MdB (SPD), bekräftigt wurde, dass der Bundeszuschuss in der Zukunft nicht mehr weiter abgesenkt werden soll.

Offene Frage: Armut im Alter

Bereits 1983, also in dem Jahr in dem die Künstlersozialkasse ihre Arbeit aufnahm, hat Karla Fohrbeck im Buch „Künstler in Not“[8] darauf verwiesen, dass bei dem unbestrittenen großen Fortschritt der Einführung des Künstlersozialversicherungsgesetzes die Altersarmut von Künstlern und Publizisten ein drängendes Problem bleiben wird.

Sie zeigt sehr anschaulich auf, dass auch nach den Jahrgängen der so genannten Altlast[9], die Jahrgänge, die in die Künstlersozialversicherung aufgenommen werden konnten, also nach 1934 geboren waren, nur äußerst geringe Renten bekommen würden, da ihre Versicherungszeiten zu kurz sind, um ausreichende Anwartschaften zu erwerben. Erst die Jahrgänge ab 1953 sind im Bereich der Rentenversicherung Nutznießer des Gesetzes.

Und auch für diese Jahrgänge stellt sich aufgrund geringer Einkommen und damit auch geringer Beiträge nach wie vor das Problem der drohenden Altersarmut. Dieses Problem ist im Rahmen des Künstlersozialversicherungsgesetzes nicht zu lösen.



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[1] Erschienen 1975 unter dem Titel: Fohrbeck, Karla; Wiesand, Andreas Johannes: Der Künstler-Report, Musikschaffende, Darsteller/Realisatoren, Bildende Künstler/Designer. München-Wien 1975.

[2] Fohrbeck, Karla; Wiesand, Andreas Johannes: Der Autorenreport. Reinbek b. Hamburg 1972.

[3] Bundestagsdrucksache 7/3971.

[4] Die sehr unterschiedlich hohen Abgabesätze ergaben sich in der unterschiedlich straffen Erfassung von Versicherten und Abgabepflichtigen sowie aus dem Umstand, dass in den Entgeltmeldungen auch Entgelte an nicht künstlersozialversicherte Künstler und Publizisten enthalten sind.

[5] Als Abgabesatz für 1989 wurde festgelegt: 6,0% Bildende Kunst, 6,0% Darstellende Kunst, 6,0% Musik, 4,4% Wort.

[6] Künstler im Sinne dieses Gesetzes ist, wer Musik., darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt. Publizist im Sinne des Gesetzes ist, wer als Schriftsteller, Journalist oder in anderer Weise publizistisch tätig ist. (Erster Abschnitt, § 2, KSVG)

[7] Hummel, Marlies unter Mitarbeit von Waldkircher-Heyne, Claudia: Zur Zusammensetzung des Arbeitseinkommens der nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz versicherten Künstler und Publizisten in den alten Bundesländern. München 1994.
Hummel, Marlies unter Mitarbeit von Waldkircher-Heyne, Claudia: Höhe und Zusammensetzung des Arbeitseinkommens selbständiger Künstler und Publizisten. München 1997.

[8] Fohrbeck, Karla: Künstler in Not. Härtefonds und Altershilfen für Künstler und Publizisten in der Bundesrepublik Deutschland. Köln 1983.

[9] Bei der Einführung des Künstlersozialversicherungsgesetzes wurde unterschieden zwischen der Uraltlast, d.h,. jenen die vor 1928 geboren waren und der Altlast, die zwischen 1928 und 1934 geboren waren. Beide Gruppen konnten nicht mehr über die Künstlersozialversicherung versichert werden.