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Leipzig: Gewandhauschef Chailly fordert mehr Unterstützung für Oper +++ Salzburg: Bilanz der ersten Festspiel-Saison unter Jürgen Flimm +++ Berlin: West-Eastern Divan Orchestra gastiert in Berliner Philharmonie
Leipzig: Gewandhauschef Chailly fordert mehr Unterstützung für Oper
Leipzig (ddp-lsc). Leipzigs Gewandhauskapellmeister Riccardo Chailly hat die Kulturpolitik der Stadt kritisiert. Sollte die Stadt seine Arbeit für ein spürbar besseres Niveau der Oper nicht unterstützen, dann stehe er «nicht mehr zur Verfügung», sagte Chailly in der «Leipziger Volkszeitung». Er verlange Klarheit über die Ziele der Oper sowie finanzielle Zusagen. «Die Stadt muss verstehen, dass die Epoche des Sparens vorbei ist», sagte Chailly, der auch Generalmusikdirektor der Leipziger Oper ist. Irritiert reagierte er auf Äußerungen von Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD), der die künstlerische Zukunft der Oper laut Zeitung lediglich in ihrer regionalen Bedeutung sieht. «Das ist das Gegenteil von dem, was der Oberbürgermeister mir sagte», erklärte Chailly. Er hoffe, dass dies ein Missverständnis sei.
Leipzig war im Juni in die Schlagzeilen geraten, weil die Stadt den erst kurz zuvor um fünf Jahre verlängerten Vertrag mit Opernintendant Henri Maier aufgekündigt hatte. Dies hatte zu massiven Protesten in der Kulturszene geführt. Offiziell waren unterschiedliche Vorstellungen über die künftige Ausrichtung der Oper als Grund für die Entlassung Maiers genannt worden.
Salzburg: Bilanz der ersten Festspiel-Saison unter Jürgen Flimm
Salzburg/ddp. Superstar Anna Netrebko war auch dieses Jahr wieder die Hauptperson der Salzburger Festspiele. Allerdings in anderer Weise, als es sich die Diva und die Festspielleitung gewünscht hätten. Denn die Sängerin musste ihren einzigen Auftritt, der wegen des enormen Andrangs vom Dom ins Haus für Mozart verlegt worden war, kurzfristig stornieren. Offizielle Begründung: eine Kehlkopfentzündung.
Überhaupt traf es Salzburg, was die Stars angeht, besonders hart. Neben Netrebko ließen sich Rolando Villazón, Neil Shicoff, Elina Garanca, Vesselina Kasarova und Pianist Mikhail Pletnev mehr oder weniger kurzfristig entschuldigen, was an der Salzach einer mittleren Katastrophe gleichkam. Festspielintendant Jürgen Flimm reagierte ungewöhnlich verschnupft auf die Absagen. Was da passiert sei, sei den Zuschauern, die für manche Auftritte von weit her anreisten, nicht mehr zuzumuten. Grimmig kündigte er «ernsthafte Gespräche» mit Sängerinnen und Sängern an, in denen zu klären sei, was den Herrschaften eigentlich noch an Salzburg liege.
In seinem Furor stellte Flimm sogleich den ganzen Starbetrieb in Frage und sah in den Absagen «nun eine gute Gelegenheit, die Grundfrage neu zu stellen und wieder mehr über Kunst und Kommerz nachzudenken». Aus dem Munde Flimms klang dies allerdings ein wenig wie das Rufen im dunklen Wald. Denn der umtriebige Theatermacher, der dieses Jahr in Salzburg seine erste Intendantensaison zu verantworten hatte, steht selbst zuweilen im Verdacht des «Anything goes», einer gewissen Verflachung beziehungsweise Verbreiterung des Programms zugunsten größerer Massenkompatibilität.
Eine Öffnung der Festspiele zum Populären hatte sich schon in der Ruzicka-Ära angekündigt, als Harald Schmidt im Fernsehen eine Mozart-Oper live moderieren durfte und Allround-Entertainer Thomas Gottschalk mit einer illustren Schauspielerrunde über den Festspiel-Dauerbrenner «Jedermann» diskutierte. Auch diesen Sommer witterten Kritiker die Gefahr, die hehre Kunst könne in Salzburg peu à peu unter die Räder kommen, und sahen sich durch einige der aktuellen Opern- und Theaterinszenierungen hinreichend bestätigt.
Allen voran durch die Inszenierung von Hector Berlioz\' Künstleroper «Benvenuto Cellini» des Münchner Regisseurs Philipp Stölzl, der schon Madonna und Rammstein ins rechte Licht gerückt hatte. Seine opulente Bühnenshow im Batman-Look, eine der aufwendigsten Produktionen der Festspiele überhaupt, war zwar ein veritabler Publikumserfolg, fand aber bei der professionellen Kritik keine Gnade. Zu viel Brimborium, zu wenig Substanz, lautete der Vorwurf. Auch Carl Maria von Webers «Freischütz» von Regisseur Falk Richter Christian Weises Sicht von William Shakespeares «Sommernachtstraum» fielen unter den Generalverdacht einer angeblichen Rückkehr des «undialektisch-kulinarischen Theaters».
Allerdings gab es auch manches, was nicht dem Zeitgeist huldigte. Vor allem in dem erstmals von Markus Hinterhäuser gestalteten Konzertprogramm. Sein Schwerpunkt «Kontinent Scelsi», in dem er den verschrobenen italienischen Komponisten Giacinto Scelsi (1905-1988) präsentierte, wurde zu einem unerwarteten Erfolg. Vor allem dank des feinsinnig-skurrilen Scelsi-Musiktheaterprojekts «Sauser aus Italien», das Christoph Marthaler auf die Bühne der Perner-Insel in Hallein bei Salzburg zauberte. Auch die viel beachtete Orchesterresidenz von Daniel Barenboims «West-Eastern Divan Orchestra», einem völkerverbindenden Klangkörper, in dem junge Israelis mit Musikern aus Palästina und anderen arabischen Staaten miteinander musizieren, war alles andere als ein Mainstream-Event.
Die Gratwanderung zwischen Kunst und Kommerz wird den Festspielen aber auch in Zukunft nicht erspart bleiben. Schließlich liegt der Eigenanteil aus Kartenverkäufen bei mehr als 50 Prozent, was bei stagnierenden öffentlichen Zuschüssen besonders wichtig ist. Um den zu halten oder sogar noch auszubauen, braucht es eben klingende Namen, die mühelos größte Säle füllen können.
Natürlich will man es sich mit Anna Netrebko nicht verscherzen. Alsbald, so verlautet aus der Pressestelle, werde es wieder Verhandlungen mit der Diva geben. Und zum Glück gibt es, neben hoch gehandelten «Entdeckungen» wie der Sopranistin Annette Dasch, die in der Opern-Eröffnungspremiere mit Joseph Haydns «Armida» brillierte, immer noch Placido Domingo. Der Altmeister ist stimmlich gut in Form, wie er bei einem Konzert mit spanischen Volksliedern eindrücklich unter Beweis stellte.
Bei der Verleihung einer goldenen Ehrennadel an den Künstler konnte es sich Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler nicht verkneifen, Domingo zum «Fixstern» unter lauter «Sternschnuppen am Starhimmel» auszurufen. Vielleicht etwas ungerecht gegenüber Netrebko, die ihre Karriere in Salzburg begann und seither in nur drei Jahren 30 Auftritte an der Salzach absolvierte.
Georg Etscheit
Berlin: West-Eastern Divan Orchestra gastiert in Berliner Philharmonie
Berlin (ddp-bln). Nach der Europareise durch sieben Städte beschließt das West-Eastern Divan Orchestra seine diesjährige Sommertournee in Berlin. Zum Abschluss spielt das Orchester, in dem 80 junge Musiker aus Israel und arabischen Staaten gemeinsam musizieren, am 26. August in der Philharmonie Stücke von Mozart, Schönberg und Tschaikowski. "Neben meinen anderen Engagements ist dieses Orchester, das Wichtigste was ich tue", sagte Pianist und Dirigent Daniel Barenboim am Montag in Berlin.
Das Ziel des 1999 von ihm mitbegründeten Projektes sei erst erreicht, wenn das gesamte Ensemble sowohl in Tel Aviv als auch in Damaskus auftreten könne. "Weil das Orchester miteinander musiziert, müssen sich Menschen unterschiedlich kultureller Prägung zuhören", betonte der Generalmusikdirektor der Staatsoper Unter den Linden. In den vergangenen Jahren seien alle Mitglieder des Orchesters nicht nur musikalisch, sondern auch menschlich gewachsen. "Musik ist sehr lehrreich und erleichtert die Kommunikation", sagte Barenboim.