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Durch seinen Bruder wieder im Blickpunkt - Erste Biografie über den Regensburger Ex-Domkapellmeister Ratzinger erschienen: «Der Bruder des Papstes - Georg Ratzinger und die Regensburger Domspatzen».
München (ddp). Plötzlich stand er wieder im Blickpunkt der Öffentlichkeit - unerwartet und unfreiwillig. Eigentlich hatte sich der ehemalige Regensburger Domkapellmeister schon längst aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, als ihm nach zehn Jahren Ruhestand ein historisches Ereignis eine ungewollte zweite «Karriere» bescherte: Georg Ratzinger wurde Papst-Bruder. Im Herder-Verlag erscheint am Samstag die erste Biografie des mittlerweile 83-Jährigen: «Der Bruder des Papstes - Georg Ratzinger und die Regensburger Domspatzen» von Anton Zuber.Für Georg Ratzinger war die Wahl seines Bruders zum Papst ein Schock. Immer wieder hatte er vor dem Konklave betont, Kurienkardinal Joseph Ratzinger werde bestimmt nicht Kirchenoberhaupt. Als sein Bruder am 19. April 2005 dann doch als Benedikt XVI. auf die Loggia des Petersdoms trat, war der Ex-Domkapellmeister zunächst für niemanden zu sprechen. «Er war a bisserl dermatscht von den Ereignissen», erinnert sich seine Haushälterin an den Abend. Telefonanrufe nahm er nicht entgegen - nicht einmal der neue Papst kam in den Stunden nach der Wahl durch.
Es sind vor allem die Schilderungen überraschender Details und kleiner Episoden, die den Reiz der neuen Biografie ausmachen. Autor Anton Zuber beschreibt auf mehr als 250 Seiten das Leben Georg Ratzingers ausgehend von der Kindheit und Jugend zwischen Inn und Salzach, über seine 30 Jahre als Regensburger Domkapellmeister bis hin zurzeit nach der Wahl Kardinal Ratzingers zum Papst.
Zuber schildert anschaulich, wie sich schon in früher Kindheit das musikalische Talent Georg Ratzingers zeigte und festigte: die Begeisterung des Gendarmensohnes für die Marktler Blasmusik, erste eigene Kompositionen des Jugendlichen, die gemeinsamen Ausflüge mit Bruder Joseph zu den Salzburger Festspielen. Seinen ersten Einsatz als Kirchenmusiker hatte Georg schon 1934 - mit zehn Jahren: Er durfte bei einer Messe das Harmonium spielen, weil der eigentliche Organist, ein überzeugter Nazi, sich weigerte, an Werktagen hinter der Orgel zu sitzen.
Fast ein Drittel des Buchs nimmt Ratzingers Zeit bei den Regensburger Domspatzen ein, die er von 1964 bis 1994 leitete. Der Leser findet einen kurzen Abriss der Geschichte des traditionsreichen Knabenchores, erfährt von den Schwierigkeiten Ratzingers zu Beginn seiner neuen Aufgabe, den Auslandstourneen und Auftritten vor Papst Johannes Paul II., der britischen Königin Elisabeth II. und US-Präsident Ronald Reagan.
Einen Einblick in das Privatleben von Benedikt XVI. nach seiner Wahl zum Papst geben die letzten Kapitel des Buchs. Mit viel Liebe zum Detail zeigt Zuber, wie die beiden Brüder trotz der neuen Situation versuchen, ihren engen Kontakt nicht abreißen zu lassen: wie Benedikt XVI. seinem sehbehinderten Bruder in der Päpstlichen Sommerresidenz Castel Gandolfo manchmal vorliest, die beiden gemeinsam im italienischen Fernsehen die Krimiserie «Kommissar Rex» verfolgten und sie nach wie vor regelmäßig miteinander telefonieren - wenn auch meist nur kurz. «Mir san koane Langtelefonierer», sagt Ratzinger.
«Menschen mit einem unverwechselbaren Profil, Charaktere mit Ecken und Kanten, faszinieren mich», begründet Zuber seine Entscheidung, Ratzingers Leben zu schildern. Der Papstbruder selbst bezeichnete die Biografie in einem Interview kürzlich als «eine eigentlich nicht erwartete Premiere». Vergangene Woche überreichte der 83-Jährige dem Papst persönlich in dessen Sommerresidenz Castel Gandolfo bei Rom ein Exemplar des Werks und ist sich sicher: »Der Joseph nimmt sich sicher Zeit, das Buch zu lesen.«
(Anton Zuber: «Der Bruder des Papstes - Georg Ratzinger und die Regensburger Domspatzen», 256 Seiten, 19,90 Euro, Herder-Verlag 2007, ISBN: 978-3-451-29604-8)
Petr Jerabek