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Die Rezension: Erstaufführung der Oper «Motezuma»

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Düsseldorf (ddp). Als das italienische Orchestra Barocco Modo Antiquo am Mittwochabend die ersten Partiturseiten von Vivaldis Oper «Motezuma» in Angriff nahm, war endlich das möglich geworden, um was sich Gerichte in mehreren Instanzen gestritten hatten. 272 Jahre nach der Uraufführung von «Motezuma» in Venedig fand in der Industriehalle der Böhler-Werke unter großem Beifall die deutsche Erstaufführung statt.

Erstritten hatte sich das Kulturfestival «Altstadtherbst» den ersten Zugriff auf eine Partitur, die bis 2002 als verschollen galt und von der dann in den Archiven eine Kopie entdeckt wurde. In der Regie von Uwe Schmitz-Gielsdorf und mit einem sechsköpfigen Ensemble von Barock-Sängern erlebte der mexikanische Azteken-König Motezuma, der im Machtkampf dem spanischen Eroberer Fernando Cortéz erliegt, seine Auferstehung.

So außergewöhnlich die Handlung für eine barocke Opera seria ist, die sich im 17. und 18. Jahrhundert zumeist mit griechischen Mythen und römischen Feldherrn auseinander setzte, so abenteuerlich war der Weg der Partitur aus den Archiven an die Öffentlichkeit. In einem aus Kiew nach Berlin zurückgekehrten Noten-Archiv war vor drei Jahren das Werk in einer Kopie aufgetaucht. Nachdem die Berliner Sing-Akademie die Partitur von «Motezuma» im Januar dann im Internet veröffentlicht hatte, planten die Veranstalter des «Altstadtherbstes» eine Aufführung für das diesjährige Festival.

Da die Sing-Akademie jedoch darauf bestand, dass die Aufführungsrechte ihr zustehen, wurden die Gerichte bemüht. Im August entschied schließlich das Düsseldorfer Oberlandesgericht zugunsten des «Altstadtherbstes». Die italienische Opera Barga, mit der «Motezuma» koproduziert worden ist, durfte im Juni zunächst nur eine konzertante und radikal umgearbeitete Fassung aufführen.

Der Rechtsstreit um das Werk sorgte immerhin für eine öffentliche Debatte, die sich für den «Altstadtherbst» im Publikumszuspruch auch bei den anderen Jazz- und Klassik-Konzerten sowie Lesungen bemerkbar gemacht hat, wie Sprecherin Claudia Holthausen sagte.

Die Erwartung an die Operninszenierung war entsprechend hoch. Die dreiaktige Oper «Motezuma» ist zwar lediglich fragmentarisch überliefert, immerhin gibt es in dem über zweistündigen Werk aber zwölf Arien, die Vivaldis Ausdrucksradius von virtuoser Koloraturkunst bis zur Kantabilität zeigen. Doch bis auf ein furioses «Kriegs»-Terzett ist «Motezuma» arm an Höhepunkten. Stattdessen
werden in ausgedehnten Rezitativen die Konflikte zwischen Motezuma und Fernando Cortéz diskutiert.

So entwickelte sich die «Motezuma»-Inszenierung in einer
Guckkastenbühne zu einem äußerst sparsam eingerichteten Kammerspiel, das Paolo Atzori mit Video-Projektionen dekorierte. Die beiden Hauptrollen sagen Bariton Tobias Scharfenberger (Motezuma) und der männliche Sopran Jörg Waschinski (Fernando Cortéz). Den zwei jungen Stars fehlte jedoch die nötige Brillanz und Tiefe, um aus sich heraus den Machtkampf zu entwickeln. Die Orchestermusiker unter der Leitung von Federico Maria Sardelli zeigten sich als versierte Vertreter der historischen Aufführungspraxis.

Guido Fischer

http://www.altstadtherbst.de

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