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Die Rezension: Keisers «Der lächerliche Prinz Jodelet»

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Ein Kessel Buntes - Opernkomponist Keiser begeistert Hamburger auch fast 300 Jahre später wieder - Premiere für «Der lächerliche Prinz Jodelet»

Hamburg (ddp-nrd). Das Hamburger Opernpublikum ist irritiert: Zwei Verkäufer des Obdachlosenmagazins «Hinz & Kunzt» schwirren vor der Vorstellung durch das Haus und bieten ihre Zeitung an. Plötzlich sind die Vagabunden und Draufgänger wieder verschwunden - um zehn Minuten später mit prächtigen Stimmen auf der Opernbühne aufzutauchen und auch prompt die Hauptrollen zu spielen. Ein ganz besonderes Opernvergnügen bot die Hamburgische Staatsoper am Sonntagabend ihrem Premierenpublikum: die grandiose Wiederentdeckung von Reinhard Keisers Oper «Der lächerliche Prinz Jodelet». Bereits bei der Uraufführung 1726 versetzte das Werk die Hamburger einer historischen Überlieferung zufolge «in einen Sturm». Das gelang auch der burlesken Neuinszenierung mit ihren großartigen Sängern.

Barockopern sind an deutschen Bühnen sehr in Mode. Umso erstaunlicher ist es, dass der zu seiner Zeit wichtigste deutsche Opernkomponist Reinhard Keiser (1674-1739) vollends in Vergessenheit geraten ist. Dabei hat er an die 80 Opern komponiert und leitete das erste bürgerliche Opernhaus Deutschlands in Hamburg. Auch den «Jodelet» komponierte Keiser in der Hansestadt. Verwunderlich also, dass das renommierte Haus im Rahmen seiner Barockopern-Reihe erst heute ihren einstigen Hauskomponisten wieder entdeckte.

Regisseur Uwe Eric Laufenberg hat den Stoff um den charmanten Taugenichts Jodelet (großartig: Jan Buchwald) konsequent ins Heute verlegt. So findet er vor Hamburgs berüchtigtem Anarcho-Tempel Rote Flora die Bekleidung aus einer höheren Gesellschaft und schlüpft hinein. Über dem Haus prangt der Schriftzug «Die Gunst dem Pöbel». Dass der Prinz, der die Kleider liegen ließ um selbst in eine andere Rolle zu schlüpfen, wegen Mordes gesucht wird, das bekommt Jodelet dann vielfältig zu spüren. Doch dieser Kerl hat selber viel Talent, mit seinem Geltungsdrang und seinem vorlauten Mundwerk Verwirrungen zu stiften.

Es entspinnen sich Liebeshändel, in denen auch Jodelet und der echte Prinz (Moritz Gogg) eine wichtige Rolle spielen. Verkleidet ist nämlich auch der in Neapel erschienen und findet Unterschlupf bei der Schwester des Getöteten, Isabella (Julia Sukmanova). Und auch Prinzessin Laura (Inga Kalna) hätte diesen feschen jungen Mann gerne für sich. In einem Feuerwerk von Gags hangeln sich die Beteiligten durch diese skurrile Geschichte.

Mal singen die durchweg erstklassigen Sänger in Deutsch, mal in Italienisch. Das war wohl vor 300 Jahren so üblich. Wie auch das Klauen von Arien und Rezitativen für die eigene Oper. Ein Urheberrecht gab es damals nicht, und so bedienten sich die Komponisten der damaligen Zeit freizügig bei den Werken der Kollegen oder bei eigenen anderen Opern. So ein typisches «Pasticcio», also eine Oper, die ganz oder teilweise aus entlehnten Arien zusammengesetzt ist, ist auch «Jodelet». Man geht aber heute davon aus, dass Instrumentalsätze, Rezitative, Chöre und der überwiegende Teil der deutschsprachigen Arien von Keiser sind. Etwa 20 italienische Arien und Duette sind von anderen Komponisten wie Caldara und Vivaldi oder aus anderen Werken Keisers entlehnt. Trotzdem fügt sich alles zu einem harmonischen Werk mit atemberaubenden Arien und einer sprühenden Musik zusammen.

Dass am Ende der lächerliche Prinz der einzige ist, der bei dem Liebeshändel leer ausgeht, ist fast Nebensache. Denn unvermittelt tauchen Anspielungen auf die Hamburger Politik auf, die das Publikum in Entzücken versetzen. So trägt das Bildnis des angehimmelten Königs Züge der Wahlplakate von Bürgermeister Ole von Beust (CDU) und die so unbeliebte Kultursenatorin Dana Horakova (parteilos) biedert sich mit Kusshand hier und Kusshand da dem Volke an. Das große Vergnügen an der Oper dürfte für das Publikum auch nach den Wahlen am 29. Februar anhalten, wenn diese Personen vielleicht längst andere Rollen spielen.

Angelika Rausch
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