Hauptrubrik
Banner Full-Size

Die Rezension: „La Traviata“ in Salzburg

Publikationsdatum
Body

Die Neuinszenierung von Giuseppe Verdis Oper «La Traviata» bei den Salzburger Festspielen mit Anna Netrebko in der Titelrolle ist am Sonntagabend frenetisch gefeiert worden. Die russische Starsopranistin wurde für ihre Darstellung der Violetta Valéry vom Premierenpublikum im Großen Festspielhaus mit Standing Ovations und anhaltenden Bravorufen bedacht.


Salzburg (ddp). «Ich zahle alles» stand auf einigen Pappschildern, die Opernfans am Sonntagabend vor dem Großen Festspielhaus in Salzburg hochhielten. Die Kartenpreise auf dem Schwarzmarkt hatten kurz vor der seit Monaten ausverkauften Neuinszenierung von Giuseppe Verdis Oper «La Traviata» mit Anna Netrebko in der Titelrolle astronomische Höhen erklommen.

Die Russin als schwindsüchtige Kurtisane Violetta Valéry und der junge mexikanische Tenor Rolando Villazón in der Rolle des Alfredo Germont enttäuschten die hohen Erwartungen an die letzte Opern-Neuinszenierung der diesjährigen Festspiele nicht. Nach einem etwas unterkühlten ersten Akt steigerten sich die beiden zu großer dramatischer und stimmlicher Präsenz. Netrebko verfügt zwar nicht über den schicksalhaften Furor wie die Callas, mit der sie zuweilen verglichen wird. Ihre Violetta ist anmutiger und zerbrechlicher, die Stimme betörend in ihrer glockenreinen Brillanz und Elastizität.

Netrebko ebenbürtig, zuweilen vielleicht sogar überlegen, erscheint Rolando Villazón, der mit seinem charaktervollen und voluminösen Tenor das riesige Opernhaus mühelos füllte. Zu den beiden trat Bariton Thomas Hampson, dem zu Unrecht nachgesagt wird, seine Karriere habe ihren Höhepunkt bereits überschritten.

Als Violetta Valery ihr Bühnenleben ausgehaucht hatte, riss es das Publikum von den Sitzen. Der Jubel wollte nicht enden und schloss die Wiener Philharmoniker unter Carlo Rizzi, die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor sowie Regisseur Willy Decker mit seinem Bühnenbildner Wolfgang Gussmann ein. Nah am Text, in jedem Moment stimmig, geschmackvoll und zeitlos-modern ohne Extravaganzen - so hatte Decker die Geschichte der dem Tode geweihten Violetta interpretiert. In Alfredo Germont findet sie eine echte Liebe, die jedoch von Alfredos Vater, Giorgio Germont, aus Gründen bürgerlicher Standesehre durchkreuzt wird.

Decker versuchte gar nicht erst, der Opern den Stempel des Heutigen aufzudrücken. Der Regisseur entwickelt die von Verdi genial vertonte Geschichte aus sich selbst heraus, betont die psychologische Detailzeichnung der drei Hauptcharaktere und ihr Verhalten zueinander. Publikumswirksame Effekte sind Deckers Sache nicht. So wird glaubhaft, dass Violetta keine geldgierige Prostituierte ist, sondern eine selbstlos liebende Frau. Und Giorgio Germont am Ende nicht der Prinzipien strenge Spießer, sondern ein mit sich und seiner überkommenen Welt ringender Patriarch.

Bühnenbildner Wolfgang Gussmann wählte als Grundfarben Schwarz, Weiß und Rot - Weiß als Farbe der Kamelie, Sinnbild der Vergänglichkeit, Rot für die Sinnlichkeit der lebensfrohen Sphäre Violettas, Schwarz für die strengen Konventionen der bürgerlichen Gegenwelt. Ansonsten war die riesige Bühne des Großen Festspielhauses nur spärlich mit ein paar modernen Ledersofas möbliert. Als sich die Liebe zwischen Violetta und Alfredo entfaltete, leuchtete im Bühnenhintergrund ein farbiger Blumenteppich auf, der sich langsam grau färbte, als die Liebe wieder verwelkte.

Eine an der Wand lehnende riesige Bahnhofsuhr, die auch als Spieltisch und Totenbett fungierte, symbolisierte die ablaufende Lebenszeit der Violetta. Wenige Spitzentöne blieb Netrebko ihrem Publikum zwar schuldig. Dafür ersparte sie den Zuschauern das Bild einer röchelnden Tuberkulosekranken. Sie brach am Ende einfach tot zusammen, bevor Verdis Musik den dröhnenden Schlusspunkt setzte.
Musikgenre