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Wider den Klassik-Mainstream - Dresdner Musikfestspiele wollen beim Publikum mit frischen Inhalten statt mit Starkult punkten
Dresden (ddp-lsc). Alle Welt spricht von der Osterweiterung und den neuen EU-Staaten, von engeren Verbindungen zu den Nachbarn Polen und Tschechien. Er nicht. Hartmut Haenchen, Intendant der Dresdner Musikfestspiele, richtet seinen Blick in eine derzeit eher unmoderne Himmelsrichtung. Genauer gesagt gen Westen, nach Paris, das einen thematischen Schwerpunkt des Festivals vom 20. Mai bis 6. Juni 2004 bildet.Die Menschen in Sachsen wüssten historisch bedingt mehr über Warschau und Prag als über die französische Metropole, begründet Haenchen seine Entscheidung, im Rahmen der Festspiele 2004 unter dem Leitmotiv «Sagenhaftes» zahlreiche Künstler aus Frankreich an die Elbe zu holen. Einen Vorgeschmack gab Anfang Oktober bereits die Chanson-Ikone Juliette Gréco. «Paris ist hier weniger bekannt», findet der Intendant. Dabei gebe es starke gegenseitige künstlerische Einflüsse zwischen Dresden und der Seine-Stadt, die es aufzuzeigen gelte.
Doch werden auch namhafte Künstler aus anderen Ländern zur 27. Edition des musikalischen Großereignisses erwartet, das sich nach den 150 000 Zuschauern und rund 170 Veranstaltungen zu urteilen in diesem Jahr vom größten klassischen Musikfestival Ostdeutschlands zum größten der Republik entwickelt hat und die Festivals im Rheingau und in Schleswig-Holstein hinter sich ließ. Am 1. November beginnen die Dresdner Festspiele mit dem Kartenvorverkauf.
Zugesagt haben unter anderem der Pianist Murray Perahia sowie der langjährige Dirigent des Leipziger Gewandhausorchester und derzeitige Leiter des französischen Nationalorchesters, Kurt Masur. Zudem wird in Dresden die bekannte Academy of St. Martin in the Fields auftreten.
Allerdings sollen bei den Musikfestspielen an der Elbe auch künftig mehr die Inhalte und weniger die großen Namen im Vordergrund stehen, sagt Haenchen. «Ich halte das für den besseren Weg», ein Name sei kein Konzept. Vielfach werde im klassischen Bereich ein Starkult wie in der Pop-Kultur betrieben. Häufig stehe auf Plakaten ganz groß, welcher berühmte Opernsänger auftrete. Was aber dargeboten werde, finde sich nur bei genauem Hinsehen. «Da wird es gefährlich», findet der Festival-Chef.
Das Ziel der Dresdner Festspiele sei es indes, «nicht das Branchenübliche» zu bieten, sondern durch verschiedene thematische Reihen und Verbindungen zu anderen Künsten wie Malerei, Literatur und Architektur neue Reize zu erzeugen. So stünden im kommenden Jahr beispielsweise die Reihen «Musik und andere Künste», «Musik im 20. und 21. Jahrhundert», «Dresden und Europa» sowie «Musik und Geschichte» auf dem Programm.
Zu den insgesamt 42 Veranstaltungsorten zählen im kommenden Jahr neben Konzertsälen und Kirchen auch Brücken, Gärten, öffentliche Plätze, Hörsäle und Kinos sowie das türkische und das römische Bad auf Schloss Albrechtsberg über der Elbe. Haenchen betont, sein Ziel sei es, die Zuschauer «vom Bekannten zum Unbekannten» mitzunehmen und unterschiedliche Zugänge zur Musik zu eröffnen. Etwa wie in diesem Jahr. Da hätten sich Leute im Großen Garten mit Inline-Skates an den Füßen Beethovens Neunte angehört.
Alessandro Peduto
http://www.musikfestspiele.com