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„Glücksfall der Literatur“ - Friedenspreis an Orhan Pamuk verliehen

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Der türkische Romanautor Orhan Pamuk ist am Sonntag mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet worden. Pamuk verbinde orientalische Erzähltraditionen mit modernen literarischen Stilelementen und gehe den historischen Spuren des Westens im Osten und des Ostens im Westen nach, heißt es in der Begründung für die mit 25.000 Euro dotierte Auszeichnung, die alljährlich zum Abschluss der Frankfurter Buchmesse vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels verliehen wird. Die Laudatio auf den 53-Jährigen beim Festakt in der Frankfurter Paulskirche hielt der Intendant der Berliner Festspiele, Joachim Sartorius.

Pamuk sei ein „Glücksfall der Literatur, wie es ihn zuletzt vielleicht im 19. Jahrhundert gegeben hat“, sagte Sartorius in seiner Rede. Der Romanautor sei der einzige, der die Europäer wirklich mit der Türkei vertraut mache. Wer Pamuks Romane lese, lerne die Türkei in ähnlicher Weise kennen und verstehen, wie man das zaristische Russland in den Romanen Dostojewskis verstehen lerne, oder Frankreich in den Werken Balzacs, Stendahls oder Flauberts.
Sartorius würdigte auch das politische Engagement des Preisträgers. So habe Pamuk seinerzeit als erster Autor der muslimischen Welt die Fatwa gegen Salman Rushdie verurteilt. Indem er immer wieder an die „prekäre Lage“ der Kurden in der Türkei oder an das Massaker an den Armeniern erinnere, versuche Pamuk, „in seinem Land ein Nachdenken zu erzwingen und die Regierenden umzustimmen“.
Pamuk selbst warnte in seiner Rede vor einer Ausgrenzung der Türkei durch die Europäische Union. „So wie ich mir keine Türkei vorstellen kann, die nicht von Europa träumt, so glaube ich auch nicht an ein Europa, das sich ohne die Türkei definiert“, sagte der Preisträger. Es sei das eine, den türkischen Staat wegen seiner Demokratiedefizite oder seiner wirtschaftlichen Lage zu kritisieren.
Es sei aber etwas anderes, die ganze türkische Kultur oder die in Deutschland lebenden türkischstämmigen Menschen herabzuwürdigen.
Pamuk kritisierte in diesem Zusammenhang insbesondere „die Art und Weise, wie bei der Bundestagswahl von manchen Politikern auf Kosten der Türkei und der Türken Wahlkampf betrieben“ worden sei. In der Türkei führe ein solches Verhalten nur dazu, dass sich „ein europafeindlicher, dumpfer Nationalismus entwickelt“, warnte der Friedenspreisträger.
Kulturstaatsministerin Christina Weiss (parteilos) lobte die Rede Pamuks als „politisch deutlich“, zugleich aber auch „ausgesprochen poetisch“. Der Vorsteher des Börsenvereins, Dieter Schormann, würdigte den türkischen Schriftsteller als Brückenbauer und Vermittler „zwischen scheinbar gegensätzlichen Kulturen" und „nachdenklichen Verfechter“ einer Einbindung der Türkei in die EU.
Frankfurts Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) hob insbesondere Pamuks Fähigkeit hervor, in andere gleichsam hineinzuschlüpfen und „aus ihrer Perspektive sich und uns zu sehen“. Diese Fähigkeit, durch die das Gesellschaftliche im vermeintlich Persönlichen erhellt werde, gepaart mit Pamuks Ablehnung jeglicher Funktionalisierung der Literatur, sei es, was die Romane des Autors letztlich so „politisch Wirkungsvoll“ mache.
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