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Till Brönner ist Deutschlands bekanntester Jazz-Star. Er ist erst 34, macht aber seit mehr als 20 Jahren Musik und hat bereits zehn Alben veröffentlicht. Jüngst kam seine erste DVD «A Night in Berlin» auf den Markt. In wenigen Tagen geht der Jazztrompeter auf Tour. Mit Brönner sprach ddp-Korrespondentin Nadine Emmerich.
ddp: Sie haben eine Platte für Hildegard Knef produziert und mit denNo Angels zusammengearbeitet. Womit werden Sie Ihre Fans als nächstes
überraschen?
Brönner: Die Zeit dieser Experimente ist erst mal vorbei. Die
werden mich in nächster Zeit nicht so wahnsinnig interessieren, weil
sie mich nicht nach vorn bringen. Ich habe damals große Lust
verspürt, meine Energie großzügig an andere zu verteilen. Das wird
sicher auch mal wieder so sein, bringt einen aber von der eigenen
Entwicklung ab. Von daher ist in nächster Zeit eher mit einem in sich
gegangenen Till Brönner zu rechnen, der seine Wurzeln ergründet.
ddp: Was sind diese Wurzeln?
Brönner: Meine Wurzeln sind die Anfangsjahre auf der Trompete. Ich
merke, dass ich immer noch diebische Lust habe, das Spektrum der
Jazztrompete weiter auszubauen. Ich möchte mich auf dem Sektor
weiterentwickeln und nicht stehen bleiben.
ddp: Sie spielen Trompete, seit Sie neun Jahre alt sind. Gibt es
Tage, an denen Sie überhaupt keine Lust haben?
Brönner: Ja, natürlich. Trompete hat aber die dumme Angewohnheit,
sich auch nach einem Tag Pause noch komisch im Gesicht anzufühlen.
Vor diesem Instrument kann man sich nicht drücken. Es quittiert jede
Stunde, die man nicht an ihm verbringt, mit Enttäuschung und großer
Unsicherheit. Insofern absolviere ich mein Mindestpensum auch an
Tagen, an denen ich keine Lust habe. Dieses Stück Blech will bewegt
werden, das muss man jeden Tag trainieren. Es ist wie ein
Hochleistungssport, das merkt man auch am Kalorienverbrauch.
ddp: Denken Sie an den Tagen mit weniger Lust an einen erneuten
Rückzug in die kanadischen Wälder, wie Sie es bereits einmal für
eineinhalb Jahre getan haben?
Brönner: Das ist immer mein Traum. Ich habe zurzeit so gut wie
keine Freizeit. Das geht schon seit Monaten so und wird sich bis Ende
des Jahres nicht ändern. Insofern träume ich schon davon, an
irgendeinem Ort zu entspannen und ein gutes Buch zu lesen.
ddp: Wenig Zeit heißt vermutlich auch, dass Sie Ihrem Hobby
Plattenkaufen gerade wenig nachgehen?
Brönner: Ich komme witzigerweise in den vergangenen Wochen sehr
oft in Plattenläden, weil ich dort Signierstunden mache. Und die
werden mir meistens vergütet, indem ich dort rumstöbern und etwas mit
nach Hause nehmen darf. Das ist großartig. Ich habe mittlerweile rund
zehntausend CDs und LPs, die ich in meinem Studio und in meiner
Wohnung lagere. Platzmäßig wird es dort jetzt aber eng.
ddp: Wenn man als junger Mann Jazz statt Rock oder Pop macht,
bekommt man schnell den Stempel «Schwiegermuttertraum» aufgedrückt -
wie es Ihnen auch ergangen ist. Nervt das?
Brönner: Mir ist das irgendwann egal geworden, weil ich gemerkt
habe, dass mir das, was ich mache, wahnsinnig Spaß macht. Was ich
veröffentliche, ist das, was ich wirklich bin. Ich bin mir nicht
fern, ich renne nichts hinterher. Sie werden mich diese Musik noch
machen hören, selbst wenn ich keine einzige Platte mehr verkaufe. Ich
bin mit dieser Musik so sehr verheiratet, wie ich wahrscheinlich mit
keinem Menschen je sein werde.
(Tourdaten: 1.11.: Baden-Baden, Festspielhaus; 2.11.: München,
Philharmonie; 4.11.: Berlin, Philharmonie; 5.11.: Karlsruhe,
J.-Brahms-Saal; 6.11.: Mannheim, Mozartsaal; 7.11.: Bremen, Glocke;
8.11.: Lübeck, MuK; 10.11.: Dresden, Kulturpalast; 13.11.: Hannover,
Theater am Aegi; 14.11.: Nürnberg, Meistersingerhalle; 15.11.: Essen,
Philharmonie)