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Kampf der Komponisten lockt junges Publikum

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Hannover - Der Dichterwettstreit Poetry Slam ist längst eine feste Größe in der deutschen Kulturszene. Der 28-jährige Violinist Simon Kluth ist dabei, ein neues Format zu etablieren. Beim Composer Slam kämpfen Komponisten um den Sieg. Nicht steif im Frack im Konzertsaal, sondern in lockerer Kneipenatmosphäre präsentieren sie ihre eigenen Instrumentalstücke. Die Bandbreite reicht von Klassik über Pop, Jazz und Elektro bis hin zur als kompliziert verschrienen zeitgenössischen Musik.

 

Kluth geht es darum, alle Menschen anzusprechen - auch solche, die noch nie ein Konzert besucht haben. «Die Akteure der Kunstmusik müssen sich überlegen, wie sie auf das Publikum zugehen wollen», ist der Erfinder des Composer Slam überzeugt. Die Abonnentenzahlen für klassische Konzertreihen gehen ständig zurück, das Publikum überaltert. Innovationen sind gefragt wie etwa Babykonzerte für Kleinkinder oder die Reihe Yellow Lounge, in der Klassik in angesagten Clubs präsentiert wird.

Die Yellow Lounge konnte inzwischen weltweit exportiert werden, und auch der Composer Slam trifft einen Nerv. Bei der jüngsten Auflage am Donnerstag in Hannover ist das Kulturzentrum Faust so gut gefüllt, dass mehr Stühle besorgt werden müssen. Die meisten Zuhörer sind im Alter zwischen 20 und 30.

Wie beim Poetry Slam zählt auch die Ausstrahlung des Kandidaten. Innerhalb von fünf Minuten gilt es, das Publikum für sich zu gewinnen. Sebastian Wendt, gebürtiger Ostfriese, gelingt dies mit seiner schnodderigen Art und ungewohnten Klängen. «Ich hab 'n Hobby, und das ist Löten», erzählt der 26-Jährige vor seinem Vortrag. Wendt spielt Kontrabassklarinette und begleitet sich selbst mit einem Mini-Orchestrion, das er unter anderem aus einer Kaffeedose, einem Spielzeug-Piano und einem Trafohäuschen zusammengebaut hat.

Das Publikum kürt den Klarinettisten am Ende des unterhaltsamen Abends zum Sieger - knapp vor dem Pianisten Lukas Kiedaisch, den das Musikstudium von Freiburg nach Hannover verschlagen hat, und dem Panflöten-Spieler aus Peru, Lito Bringas. Als Trophäe erhält der Composer-Slam-Champion einen weihnachtlich anmutenden Haarreif mit Glitzerohren. Das vom Moderator anfangs angekündigte fünfstellige Preisgeld muss irgendwie verschwunden sein. «Für mich ist es schön, hier Leute zu erreichen, die sonst nie mit Neuer Musik in Berührung kommen würden», sagt Wendt.

Der Präsident des Verbandes der Deutschen Konzertdirektionen, Michael Russ, hält den Composer Slam für eine tolle Idee, gerade um zeitgenössische Musik zu vermitteln, weil die Zuschauer hier eine Verbindung zwischen Werk und Komponisten herstellen können. «Es ist aber irrsinnig schwierig, etwas Neues zu entwickeln. Wir haben immer auch die Sorge, Abonnenten zu verlieren», sagt der Veranstalter aus Stuttgart. Nötig sei ein langer Atem, um neue Formen wie beispielsweise Konzerte um 22.00 Uhr mit anschließender After-Show-Party zu etablieren.

«Es ist aber nicht nur eine Frage der Verpackung, sondern auch der musikalischen Bildung», sagt Olaf Wegener, Projektleiter Zeitgenössische Musik beim Deutschen Musikrat in Bonn. Grundlage für ein breit angelegtes Musikverständnis bilde nicht zuletzt der Musikunterricht in den Schulen, der leider vielerorts immer mehr zusammengestrichen werde, bedauert der Musikwissenschaftler.

Christina Sticht

Klassik bei jungen Menschen wenig gefragt

Hannover (dpa) - Nur jeder Zehnte unter 30 Jahren hat im vergangenen Jahr ein klassisches Konzert besucht. Das geht aus einer Anfang 2014 veröffentlichten Forsa-Umfrage im Auftrag der Körber-Stiftung hervor. Als Gründe wurden zu wenig Zeit, zu hohe Kosten und fehlendes Interesse genannt. Ein Viertel der unter 30-Jährigen bezeichnete die Atmosphäre in Konzerthäusern als elitär. Mehr als die Hälfte der jungen Menschen hatten demnach 2013 keinen Kontakt zu klassischer Musik.

Bei den Verkäufen von Tonträgern und Downloads hatte Klassik (inklusive Crossover) 2013 einen Anteil von 7,2 Prozent und belegte damit Platz drei hinter den gefragten Genres Pop (30,5 Prozent) und Rock (19,2 Prozent). Das geht aus dem aktuellen Jahresreport des Bundesverbandes Musikindustrie (BVMI) hervor. 70 Prozent der Klassik-Käufer waren über 50 Jahre alt, 19 Prozent im Alter zwischen 40 und 49 Jahren.

Klassische Musik habe dennoch einen großen Stellenwert in der deutschen Kulturlandschaft, betonte die Sprecherin des Verbandes, Sigrid Herrenbrück. Immer mehr Klassik-Künstler setzten auf die sozialen Medien, um auch ein jüngeres Publikum zu erreichen. Im Internet wachse das Klassik-Angebot rasant bis hin zur zur Digital Concert Hall der Berliner Philharmoniker, die Live-Konzerte als Video-Stream für Tablets, Smartphones oder PCs anbietet. 

 

 

 

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