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Eine CD mit 60 Melodien für 102 Kirchenlieder soll beim Gottesdienst fehlende Organisten ersetzen.
Magdeburg (ddp-lsa). Nicht mehr viele der rund 2000 evangelischen Kirchgemeinden zwischen Börde und Suhl können sich noch einen fest angestellten Kantor leisten. Einst Respektperson vor allem auf dem Dorf ist der Kirchenmusiker besonderer Prägung zum Auslaufmodell geworden.Die Orgel erklingt immer seltener bei den Gottesdiensten landauf, landab in der Kirchenprovinz Sachsen. Der Mangel an Organisten ist aber nur ein Grund. Mancherorts zeigt sich die Königin der Instrumente in einem eher traurigen Zustand. Töne lassen sich ihr da kaum noch entlocken.
In der Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen, die sich über die Bundesländer Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen und Brandenburg erstreckt, setzen besonders die rund 300 ehrenamtlichen Lektoren seit wenigen Tagen auf Orgelmusik aus der Konserve. Auch mancher Landpfarrer wird die frisch gepresste Doppel-CD künftig bei sich tragen. 60 Melodien aus dem evangelischen Kirchengesangsbuch sind auf ihr eingespielt.
Mit der richtigen Musikanlage könnten jetzt die Gottesdienste belebter werden, meint Berthold Salow von der Arbeitsstelle für kirchliche Dienste im Magdeburger Konsistorium. Mehr als ein halbes Jahr hat er das bislang deutschlandweit einmalige Projekt begleitet, das die Lektoren selbst angeregt hatten. Diese kommen in den Gemeinden der provinzsächsischen Kirche immer mehr zum Zuge. Nach einer gründlichen Ausbildung sind die Frauen und Männer in der Lage, die Gottesdienste mit auszugestalten oder nach einer Ordination komplett zu leiten. Ihr Engagement hat seine Ursachen ebenfalls in der knappen Personaldecke. Gerade noch 740 kirchliche Mitarbeiter sind im so genannten Verkündigungsdienst tätig, davon gut 400 Pfarrer. Viel zu wenig für die riesige Zahl von Gemeinden.
Mit der neuen CD lasse sich das Fehlen von Kirchenmusikern vielfach ausgleichen, sagt Salow. Ein vollwertiger Ersatz sind die Lieder aus der Konserve nicht, doch die Nachfrage der ersten Wochen hat die Erwartungen weit übertroffen. Die erste Auflage von «Singt, singt dem Herren neue Lieder» mit 1000 Stück findet reißenden Absatz. Mehr als 350 Exemplare wurden schon abgesetzt. «Wir denken bereits an eine zweite Auflage», freut sich Salow. Dabei hofft er auch auf möglichst viele Bestellungen anderer Landeskirchen, die gerade Muster der ungewöhnlichen CD erhalten haben.
Sie ist zugleich die «Hitliste» der Lieder zum Gottesdienst. Aus allen Kirchenkreisen wurden Vorschläge eingereicht, welche Choräle Aufnahme finden sollten. Eine Silberscheibe erwies sich schnell als zu klein, so dass letztlich je zwei der Tonträger produziert wurden. Drei Tage dauerte das Einspielen an der Hüfgen-Orgel in St. Laurentius in Halle durch drei Musiker. Kantor Carl Gustav Naumann saß nicht nur selbst am Instrument, er begleitete das gesamte Projekt auch fachlich.
Eine Besonderheit der Kirchenmusik lässt den Effekt der beiden CDs noch steigen. Zu den 60 Melodien können 102 Lieder gesungen werden. In den vergangenen Jahrhunderten seien immer wieder neue Texte zu alten Klängen geschrieben worden, erläutert Naumann. Für ihn sind trotz allem Optimismus die Tonkonserven doch nur eine Art «eiserne Singe-Ration». Sie dürften die Vielfalt des Gesangs im Gottesdienst keinesfalls einschränken, findet er.
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