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Kultur im Zivilschutzbunker - Straßentheaterfestival «Perspectives 2002

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Forbach/Saarbrücken (ddp-swe). Schon früh sorgte der heute 36-jährige Franzose Laurent Brunner für Aufregung. Der damalige «Le Quai»-Theaterleiter wurde wegen einer beim deutschen Schriftsteller und Dramatiker Heiner Müller in Auftrag gegebenen Inszenierung 1995 kurzerhand vom brötchengebenden Bürgermeister Verduns auf die Straße gesetzt.

Seit 1996 ist der am Forbacher «Le Carreau» tätige und auf den ersten Blick unscheinbare E-Musikspezialist immer wieder für Überraschungen in der Theaterwelt gut. Grenzgänger war er in Verdun, Grenzgänger ist er in Forbach.
Grund für seinen damaligen Rausschmiss war eine öffentliche Kritik Müllers an den opulenten Gefallenendenkmälern des Ersten Weltkriegs an der ehemaligen deutsch-französischen Frontlinie bei Verdun. Und damit kratzte Müller - und durch dessen Beauftragung eben auch Brunner - an den Empfindlichkeiten der Franzosen und ihrer Helden.
Innerhalb von sechs Jahren hat Brunner das heruntergekommene Kulturzentrum «Le Carreau» zu einer der 65 in Frankreich existierenden «Scènes Nationales» und Geheimtipp für deutsch-französische Theaterliebhaber gemacht. Ute Lemper tritt bei ihm genauso auf wie Hanna Schygulla und das Berliner Baracke-Ensemble. Kontinente will er verbinden und lädt sich «Les Musiciens du Nil» - ägyptische Nomadenmusiker - zum Flöten-Trommel-Spiel ein. Bekannt ist er aber auch für sein Tanztheaterprogramm.
Und da setzt Brunner sowohl auf Bewährtes als auch Zeitgenössisches. So gibt es Stücke rund um Tango oder Walser. Es kommen aber auch - wie in «Le Petit Bazar Erotik» - skurril-erotische Marionetten zusammengesetzt aus Flohmarkt-Puppen und in «My movements are alone like streetdogs» tote wie lebende Hunde auf die Bühne.
Dabei ist das Überschreiten von Grenzen nicht nur Programm, sondern auch tagtägliche Realität. Knapp die Hälfte des Publikums in Forbach sind Deutsche. Resultat: Deutsche wie französische Texte werden untertitelt. Für Kino normal, für Theater jedoch sehr eigenwillig aber «kundenorientiert», sagt Brunner. Und als Grenzgänger ist er vergangenes Jahr zur Erneuerung der seit 1978 bestehenden «Perspectives»- dem Festival für französischsprachiges Theater und Chansons auf deutschem Boden in Saarbrücken angetreten.
Finanziell hat das schon mal geklappt. Statt der zuletzt 300 000 Euro konnte Brunner unter anderen mit Hilfe des französischen Staates und dem Département Moselle ganze eine Million Euro zusammentreiben. 14 Gruppen werden im Saarland und in Lothringen antreten. Dabei sind die Orte die klassischen Theater und dann solche wie der Zivilschutzbunker, ein Elektrizitätswerk oder das ehemalige Saarbrücker Stadtbad.
Auf französischer Seite gibt es dann Szenerien im Metzer Hafen oder in stillgelegten Forbacher Gruben. Brunner will mit den neuen «Perspectives» urbanistische Fragestellungen ins Blickfeld rücken, aber auch auf die Arbeitslosendiskussion und mit einem Disco-Wettbewerb à la Tanztheater auf die Jugendkultur aufmerksam machen.
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