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Wiederbelebung - Neue-Deutsche-Welle-Revival spült vergessene Stars an die Oberfläche ? Das «NDW-Lexikon» vom Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf erinnert an einen Trend der 80er
Berlin (ddp). Falco («Der Kommissar») soll einmal gesagt haben: «Wer sich an die 80er erinnern kann, der war nicht dabei!» Einer, der sich erinnern kann, ist der Journalist und Buchautor Christian Graf. Besonders gegenwärtig ist ihm die erste Hälfte des Jahrzehnts der Schulterpolster und Neonsocken - eine Zeit, in der Helmut Kohl das Bundeskanzleramt und Nena die Charts enterte. Kohl ist fast vergessen, Nena wurde im Februar für ihr musikalisches Comeback mit dem «Echo» ausgezeichnet. Da passt es gut, dass Graf nun der Erinnerung an die Musikepoche, in der nicht nur Nena zum Star wurde, auf die Sprünge hilft: Sein Kompendium «Das NDW-Lexikon» ist soeben erschienen.1980 war\'s, als die schweizerische Wave-Combo Grauzone den «Eisbär» besang und damit einen bis dahin nie gekannten Boom deutschsprachiger Popmusik auslöste. Englischkenntnisse galten fortan nicht mehr als Schlüsselqualifikation für Popstars. In der Folge kam es zu einer wahren Veröffentlichungsflut: Plattenfirmen witterten das schnelle Geld und überschwemmten den Markt mit deutschsprachigen Produktionen. Das Publikum wurde bald müde, die Welle verebbte.
Zurzeit erlebt die Neue Deutsche Welle ein nicht ganz unerwartetes Comeback. TV-Sendungen wie «Die 80er-Show» haben erhebliche Vorarbeit geleistet. Die neue Aufmerksamkeit, die der musikalischen Strömung entgegenschwappt, spült so allerlei Interpreten an Land, die man längst in der Versenkung verschwunden glaubte. Die Deutsch-Amerikanische Freundschaft beispielsweise tanzt wieder den «Mussolini», veröffentlichte im Februar gar «15 neue DAF-Lieder» und ging auf Tour.
Überhaupt scheinen die Acts von damals vom Reisefieber befallen: Extrabreit, über die das «NDW-Lexikon» zu berichten weiß, dass sie «live nicht immer überzeugen konnten», gehen zwischen Mai und September auf Konzertreise. Besonders umtriebig ist die Spider Murphy Gang: Ab 18. April bereist die Band mit ihrem «Cadillac» 15 Städte. Die Fehlfarben, deren aktuelles Album «Knietief im Dispo» beste Kritiken erntete, spielen sich zurzeit warm für die Open-Air-Saison. Ob sich das Revival für die Künstler bezahlt macht, bleibt abzuwarten. Geier Sturzflug schätzen ihren Einfluss auf das «Bruttosozialprodukt» offenbar gering und trauen sich vorsichtshalber nur mit Hubert Kah, Markus, Peters Schilling und Frl. Menke auf die Bühne. In dem Städtchen Baunatal bei Kassel lockten sie im März trotz der vereinten Kräfte gerade mal 500 Zahlende.
Allzu ernst sollte man die Rückkehr der versammelten «Untoten» vielleicht nicht nehmen. Im Vorwort des angenehm zu lesenden «NDW-Lexikons» relativiert der Autor das Phänomen: Die NDW sei lediglich eine Mode gewesen, die immer wieder mal «für frisches Geld mit altem Material reaktiviert» werde, schreibt Graf kenntnisreich. Wer sich also an die 80er erinnern möchte, braucht beim Revival nicht dabeizusein. Es steht ja alles im Lexikon.
(Christian Graf, «Das NDW-Lexikon - Bands und Solisten von A bis Z», Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, Berlin; 12,90 Euro; ISBN 3-89602-529-5)
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