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Belina (1925–2006). Foto: MB-Film
Belina (1925–2006). Foto: MB-Film
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Eine Botschafterin der Versöhnung und des Friedens

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Mit dem Film und der CD „Belina - Music for Peace“ wird die große Folklore-Sängerin wieder entdeckt
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In den 60ern kannte sie jeder, nicht nur in den deutschsprachigen Ländern, sondern fast in der ganzen Welt: Belina, die vielsprachige Folklore-Sängerin mit der faszinierenden Altstimme. 1925 als Lea-Nina Rodzynek als Kind einer jüdischen Familie in einem polnischen Dorf bei Treblinka geboren, durchlitt sie als Mädchen und junge Frau Verfolgung, Flucht, Zwangsarbeit, Haft, Folter, und sie verlor ihre Eltern und Brüder und fast die ganze Familie als Opfer der nazistischen „Endlösung“.

Doch trotz oder wegen ihrer traumatischen Erfahrungen wurde sie als Künstlerin zu einer bewussten und engagierten Botschafterin der Versöhnung und des Friedens. Ihr Leben hat Marc Boettcher, den Berliner Regisseur und Filmemacher derart beeindruckt, dass er nun nach intensiven, rund  15 Jahre währenden Recherchen das dokumentarische Porträt „Belina – Music for Peace“ fertiggestellt hat.

Boettcher hat sich einen Namen für filmische Biografien einst prominenter, doch unverdient in Vergessenheit geratener Persönlichkeiten des Musiklebens erworben. Vor zehn Jahren hat er mit dem Film „Sing! Inge, sing! – Der zerbrochene Traum der Inge Brandenburg“ und einem gleichnamigen Buch sowie zwei Alben der bes­ten deutschen Jazzsängerin der 50er- und 60er-Jahre ein Denkmal gesetzt.

Gleiches müsste ihm mit seinem neuen Dokumentarfilm gelingen.Er hat bereits das Prädikat „Wertvoll“ der FBW bekommen – für „eine detailreiche und hervorragend recherchierte Verbeugung vor einem musikalischen Lebenswerk, das vor dem Vergessen bewahrt werden muss“. Neben Belina selbst kommen ihr Sohn, einige Wegbegleiter und namhafte Kolleginnen wie Nana Mouskouri, Jocelyn B. Smith, Sharon Brauner oder Katharine Mehrling zu Wort. Eine Fülle von Bild- und Tonaufnahmen vermitteln authentische Eindrücke von der Musikwelt jener Jahrzehnte. Der aktuelle Bezug der musikalischen Mission für Frieden und Völkerverständigung zu unserer heutigen unfriedlichen Welt ist mit Händen zu greifen. Als Friedensaktivistin ist Belina durchaus mit einer Joan Baez zu vergleichen.

Nach Anfängen mit polnischer, russischer und jüdischer Folklore, die Belina, ab 1953 in Paris lebend, am Jüdischen Theater und im russischen Kabarett vortrug, erweiterte sie ihr Repertoire um Chansons, Lieder des deutschen Kabaretts und Films sowie internationale englischsprachige Songs. Überdies machte sie sich mit Volksliedern aus aller Herren Länder vertraut, angeregt durch den weltläufigen Gitarristen und Arrangeur Siegfried Behrend, der zu ihrem langjährigen Duo-Partner wurde. Auf seinen vielen internationalen Tourneen war er zum unermüdlichen Sammler von Volkskunst aller möglichen Ethnien und Regionen geworden. Als er und Belina sich 1962 in Saarbrücken kennenlernten, empfanden sie sich sofort als Seelenverwandte, die mit ihrer Musik zum Kulturaustausch und friedlichen Zusammenleben der Völker beitragen wollten.

Mit Unterstützung des Goethe-Instituts und des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland absolvierten „Belina & Behrend“ 1964 auf einer Reise rund um die Welt in 252 Tagen 150 Konzerte in 120 Ländern. Die sprachbegabte Belina sang in 17 Sprachen. Sie beherrschte bereits Polnisch, Yiddisch, Russisch, Englisch, Französisch und Deutsch. Aber da in jedem Konzert mindestens ein Lied in der Sprache des jeweiligen Gastlandes erklingen sollte, ließ sie sich in Botschaften und Konsulaten die einheimischen Lieder übersetzen, um deren Gehalt zu erfassen. Ihr Sprachtalent verhalf ihr dazu, selbst in exotischen Sprachen wie Kisuaheli oder Thai zu singen. Beispiele dafür finden sich auf der CD „Belina – Music for Peace“, die Ende Februar gewissermaßen als Vorbote für den noch auf seine Uraufführung wartenden Film erschien (Unisono Records/Edel).

Wie für die Alben mit Songs der Inge Brandenburg hat Marc Boettcher in allen möglichen Musikarchiven einige Dutzend von Belina nicht nur auf ihren internationalen Auftritten, sondern auch in Konzerten und TV-Shows in deutschen Landen vorgetragenen Lieder aufgespürt. 22 davon wurden ausgesucht und – wie schon die Brandenburg-Songs – von Tonmeister Patrick Römer in dessen Berliner Studio aufwändig remas­tered. Neben der geschmackvoll gestalteten, schwarz grundierten Hülle der CD mit reich bebildertem Textbook und Liner Notes in Deutsch und Englisch erscheint im März noch eine „Limited Edition“ als Doppel-LP. Das Album vermittelt einen überzeugenden Eindruck von der großartigen warmen Stimme der Sängerin, vom Umfang ihres weitgefächerten Repertoires, von der Authentizität, mit der sie ihre musikalische Botschaft vortrug.

Das imaginäre Konzert beginnt mit dem scheinbaren Paradoxon eines Auszugs, der zugleich ein Aufbruch und eine Eröffnung symbolisiert, mit „Exodus – Ein Land ist mein“, der deutschen Version des Titelsongs aus dem gleichnamigen Filmepos von Otto Preminger. An ihre Pariser Zeit erinnert sich Belina mit dem bekannten Chanson „Je n’aurai pas le temps“. Mit Georges Aurics „Moulin Rouge“ wird nochmals dem Chanson gehuldigt, in einer Aufnahme mit dem Südfunk-Tanzorchester unter Erwin Lehn aus dem Jahre 1964 – übrigens eine von drei Erstveröffentlichungen.

Die beiden anderen Premieren singt Belina auf Hebräisch: „Dodi Li“, eine alte chassidische Melodie aus Polen mit einem Text aus dem Alten Testament, sowie „Me’al Pisgat Har Hatzofim“ („Vom Gipfel des Ölbergs“), eine Hymne auf Jerusalem. Auf Hebräisch trägt sie auch „Layla layla“, ein weltweit verbreitetes Wiegenlied aus der Zeit der Gründung Israels vor. Ebenso international bekannt ist das jiddisch gesungene „My Yiddishe Momme“. Dem Yiddischen, der Sprache ihrer eigentlichen Heimat, vertraut sich Belina auch in dem Liebeslied „Tumbalalaika“ an.

Deutsch zu singen, der Sprache ihrer Verfolger und Folterer, der Mörder ihrer Familie, sah Belina als Teil ihrer selbst gestellten Aufgabe einer Versöhnung. Auf der CD findet sich ihre eigene Interpretation des durch Marlene Dietrich berühmt gewordenen Friedrich-Holländer-Chansons „Wenn ich mir was wünschen dürfte“. Auch die deutsche Version des pazifistischen Pete Seeger-Songs „Sag mir, wo die Blumen sind“ gelingt ihr überzeugend und nicht minder bewegend wie der Dietrich.

Auf den ersten Blick problematisch scheint Nr. 20 der Songliste: „Zwei in einer großen Stadt“, ein Lied aus dem 1941/42 produzierten gleichnamigen Film, ein Beispiel für die Durchhaltefilme der Nazizeit. Aber die eingängige, rhythmisch beschwingte Musik von Willi Kolo mit seinem Text über ein Liebespaar im – fragwürdig noch unzerstörten - Berlin ist ein Beispiel, wie sich ein Lied, ein Song, ein Chanson aus dem ursprünglichen Kontext völlig lösen und eine eigene Identität und oft genug auch Popularität bekommen kann. Beispiele liefert das Great American Songbook zuhauf. So haben sich u. a. Hildegard Knef und Ulrich Tukur dieses Liedchens angenommen und kleine Kunstwerke daraus geformt, und genau das gelingt auch Belina in einem luftigen Arrangement von Siegfried Behrend in einem Liveauftritt 1964 im gespaltenen Berlin vor einem Publikum, das wie ein Chor bewegt die Melodie mit summt.

Ob „Manhã de Carnaval“ aus „Orfeo Negro“, „En Aranjuez, con tu amor“ nach dem 2. Satz des Concierto de Aranjuez, ob ein Calypso aus Trinidad in Pidgin-English, ein Geisha-Lied auf Japanisch, ob ein neapolitanisches Klagelied, ein Bolero von Consuelo Velãzquez, der mexikanischen Komponistin von „Besamo mucho“, ob russische Volkslieder, ein polnisches Liebeslied oder gar ein solches auf Thai, das König Bhumibol, ein begeisterter Jazz-Saxophonist, für seine Frau Sirikit geschrieben hat – alles sind Pretiosen der Liedkunst. Und man versteht, dass sich Belina, die sich nach der Trennung von Behrend künstlerisch neu orientieren musste, beharrlich Angebote von Schlagerproduzenten ablehnte, auch wenn sie förderlich für ihre Lebenshaltungskosten gewesen wären.

Die großen Erfolge blieben ihr forthin trotz engagierter Versuche, zum Beispiel mit dem Gitarristen Ladi Geisler, versagt. Sie zog sich in die Künstlerkolonie St. Paul de Vence in Südfrankreich zurück und trat nur noch in kleineren Clubs auf, wo man ihre Kunst zu schätzen wusste. Die letzten Jahre verlebte sie in Hamburg in der Nähe der Familie ihres Sohnes. Dort starb sie am 12. Dezember 2006 im Alter von 81 Jahren. Ihr 15. Todestag fällt zusammen mit den Feiern zu den 1.700 Jahren „Jüdisches Leben in Deutschland“ – kein besserer Anlass ließe sich finden für Marc Boettchers und Patrick Römers Hommage an Belina, die aus kleinen Liedern große Kunst schuf, die sie um die Welt trug.

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