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Klangextensions und funkelnde Splitter

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Younger than us – Studio für Neue Musik
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Mit Iva Kovac und Brigitte Helbig waren am 8. April in der Bay- erischen Versicherungskammer in München zwei Künstlerinnen zu Gast, die sich trotz ihres noch jungen Alters bereits einen festen Namen in der zeitgenössischen Musikszene erspielt haben.

Sowohl die junge kroatische Flötistin als auch ihre zwei Jahre ältere Klavierbegleiterin begeistern das Fachpublikum mittlerweile doch schon seit geraumer Zeit mit feinfühligen Interpretationen der Werke von noch lebenden Komponisten, die teilweise gar jünger als die Künstlerinnen selbst sind. Da liegt es freilich nahe, dass auch diesmal Werke auf dem Programm standen, die wohl die wenigsten Konzertbesucher schon einmal zu Gehör bekommen haben: Etwa Mikel Urquizas 2016 uraufgeführte „Contrapluma“ oder Axel Seidelmanns Charakterstück „Sirenen“.

Auch das erst 2018 in Wien der Öffentlichkeit präsentierte „Shivering Sparks“ von Henrik Ajax, mit dem dieser frühlingshaft abwechslungsreiche Konzertabend eröffnet wurde, dürfte eher in die Kategorie der (noch) unbekannteren Geheimtipps in der neuklassischen Musikszene zählen. Seicht dahingleitende Tongirlanden durchweben da ein feingesponnenes Netz aus verträumten Harmonien. Melancholisch anmutende dunkle Passagen werden von immer wieder aufblitzendem Funkeln magisch durchzogen. Die Präzision, mit der Kovac und Helbig dieses durchweg anspruchsvolle Stück darbieten, ist wahrlich von außergewöhnlicher Klasse. Da verwundert es kaum, dass der schwedische Komponist „Shivering Sparks“ eigens für das Duo komponiert hat. Zauberhaft!

Ähnliches gilt für Ruud Roelofsens 2012 uraufgeführte „Extensions“ für Flöte solo, die Kovac so geheimnisvoll und wohligwarm zu interpretieren weiß, dass selbst der letzte Besucher im seichten Ton der erstaunlich vollklingenden Flöte zu versinken vermag. Himmlische Klangketten durchziehen den zum Konzertsaal umfunktionierten Sitzungssaal an diesem Abend ebenso wie die weich angeschlagenen, melancholischen Akkorde von Helbigs Klavierspiel – etwa in Mikel Urquizas „Contrapluma“, das nicht nur durch beeindruckend komplexe Kompositionsweise zu überzeugen weiß, sondern auch durch unglaublichen klanglichen Facettenreichtum, was nicht zuletzt an einer über sich hinauswachsenden Interpretin liegt.

Mit Aron Ludwigs „now what II“ und Beat Furrers „presto“ stehen dann zwei Werke auf dem Programm, deren klangspielerische Virtuosität vor allem die oft solistisch freischwebende Flötistin zu fordern scheinen. Mit leichtem Atem schwingen sich immer enger wirbelnde Tonketten in schwindelerregende Höhen auf. Dynamisch fein differenziert gelingt Iva Kovac das sagenhafte Kunststück, technisch höchsten Anspruch mit natürlicher Leichtigkeit zu einer magischen Einheit zu verbinden. Fabelhaft!

Axel Seidelmanns tonmalerisch überzeugendes Charakterstück „Sirenen“ und Nikolaus Brass’ „music by numbers“ in einer Fassung für Flöte und Klavier runden einen herausragenden Konzertabend stimmig ab. Vor allem die Komposition des Lindauers Brass scheint den beiden Interpretinnen wie auf den Leib geschneidert zu sein. Abwechslungsreich und mit herrlich spielerischer Gestik gelingt das Kunststück, ein eigentlich sehr rational komponiertes Stück auf eine Ebene zu stellen, die vordergründig berührt und zum Genießen einlädt als vielmehr zum Nachdenken oder Durchschauen dieser komplexen Strukturen. Das ist wahrlich große musikalische Klasse!

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