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Vor 100 Jahren

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Zum Gedächtnis Gustav Jenners
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Es ist mir eine liebe Pflicht, unserem Jenner im Namen der Amtsgenossen ein Wort des Abschieds zu weihen. Fünfundzwanzig Jahre sind nun verflossen, seit wir den Dreißigjährigen, als Nachfolger des unvergessenen Richard Barth, zum Universitäts-Musikdirektor berufen haben. Was unsere Aufmerksamkeit gerade auf ihn lenkte und ihm unter den Bewerbern den ersten Platz sicherte, war seine Beziehung zu Meister Johannes Brahms. Jenner war, wie man weiß, der einzige, der sich rühmen konnte, im eigentlichen Sinne Schüler von Brahms gewesen zu sein.

Während der sieben Jahre seines Wiener Aufenthalts hat er mit ihm in engem Verkehr gelebt. Die Darstellung dieser Beziehung (zuerst in der Zeitschrift „Die Musik“, 1903) ist in der Musikwelt allbekannt als eins der bemerkenswertesten, weil unmittelbarsten Zeugnisse für Brahms, den Menschen und den Künstler. Sie kennzeichnet nicht minder die menschliche und künstlerische Art des Schreibenden, den Ernst seiner Kunstgesinnung, die unerbittliche Strenge gegen sich selbst, in der ja Brahms ein Vorbild war wie kaum ein anderer. […] Den gleichen Ernst der Kunstgesinnung wie diese gelegentlichen Zeugnisse hat er in diesen 25 Jahren bewiesen als Dirigent wie als Spieler, als Lehrer und als Gelehrter. Unvergeßlich sind allen, die sie hören durften, seine Vorträge über Schuberts Lied, über Brahms und andere. – Noch das letzte, was er der schwindenden Kraft abrang, galt der Vollendung der zum Druck bestimmten Arbeit über das Schubertsche Lied; sie wurde weit gefördert, ist aber zum vollen Abschluß leider nicht mehr gelangt. Reiche Sammlungen zum deutschen Volkslied harrten weiterer Bearbeitung. Fertige Kompositionen (besonders Kammermusikwerke, Solo- und Chorlieder) hat Jenner in reicher Fülle hinterlassen, sicher keine ohne edlen Gehalt und strenge Durcharbeitung der künstlerischen Form. […]

Prof. Paul Marsop, Neue Musik-Zeitung, 42. Jg., 18. November 1920

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