Wie sieht das bei Dir aus? Ich habe mitbekommen, dass Du, wie ich finde, ganz tolle Projekte an einer Musikschule ins Leben gerufen hast. Inwiefern passt das zu Deinem neuen Beruf?
Chaoui: Ich war nicht nur an der Bergischen Musikschule in Wuppertal beschäftigt, sondern ich bin es noch immer. Ich arbeite dort weiterhin als Gesangslehrerin, Stimmbildnerin und Chorleiterin des 80-köpfigen interkulturellen Frauenchores WoW-Women of Wuppertal und des 60+ Chores West Side Voices. Zuvor habe ich elf Jahre lang den Fachbereich Gesang geleitet und damit viele Erfahrungen in Projektleitungen und -konzipierungen und in Verwaltung und Gesprächsführung sammeln dürfen. Meine Unterrichtstätigkeit hat mir Einblicke in viele verschiedene Arbeitsbereiche mit unterschiedlichen Altersgruppen, kulturellen Hintergründen und sozialen Schichten ermöglicht. Mit dem Kollegium habe ich fach- und genreübergreifend gearbeitet, was ich in Osnabrück gerne fortführen würde. Außerdem habe ich etliche Schülerinnen und Schüler erfolgreich für das Gesangsstudium an diversen Musikhochschulen vorbereitet und einige davon sind erste Bundespreisträger beim Wettbewerb Jugend musiziert.
Mit all diesen Einblicken und langjährigen Erfahrungen fühle ich mich ziemlich gut vorbereitet für eine Lehre, bei der es um das Pädagogische und die Vermittlung wie in den Seminaren der Didaktik des Klassenmusizierens, der Fachdidaktik oder des Begleitseminars für das Praktikum geht. Hilfreich ist dabei natürlich auch, dass ich bereits an der HfMT Köln mehrere Jahre gelehrt habe.
Wie sieht denn Dein Leben aus? Bist Du noch aktiv als Musikschaffender unterwegs?
Haas: Unbedingt - die Arbeit auf Bühnen und in Studios ist für mich eine wichtige Ressource, damit ich Popmusiklehre aus echten Popmusikszenarien ableiten kann. Ich bin also weiterhin als Bassist/Musical Director für (primär) Hip Hop Künstler*innen unterwegs und bin in der Band einer Sonntag-Abend TV-Show. Lehre und Popwelt haben sich für mich immer gegenseitig sehr befruchtet und ich sehe keinen Bruch zwischen Künstlerdasein und Lehre. Am Ende arbeitet man im Team daran, dass jede Person sich selbst in der Musik wiederfindet. Ob das dann in einem Raum passiert, der sich Hochschule nennt, oder Club, ist für die Prozesse nicht ausschlaggebend. Ich sehe erstmal jede Person als bereits vollständige(n) Künstler*in auf Augenhöhe… das war in meinem eigenen Studium nicht immer der Fall.
Wie siehst Du Deine Ausrichtung als Professorin im Kontext zu Deinem Studium? Gibt es irgendwas, was du anders machen möchtest, als Du es im Studium erfahren hast? Quasi jetzt, wo Du auf der anderen Seite des Zauns stehst?
Chaoui: Ich sehe das ganz ähnlich wie Du. Erstmal stehen wir in unserem Beruf Künstlerpersönlichkeiten gegenüber. Wir können Angebote machen, Neues anregen und die Menschen auf ihrem künstlerisch-pädagogischen Weg begleiten. Ich sehe mich selbst ebenfalls als Lernende oder auch miteinander Lernende, sozusagen ein biographiebegleitender Prozess für alle Seiten. Gerne möchte ich die Sinne dahingehend sensibilisieren, dass es mehr gibt als das, was gelehrt wird. Das IfM birgt die Chance, dass sich Stilrichtungen und Genres auf Augenhöhe begegnen und vielleicht sogar inspirieren können, weil Pop, Jazz, Musical und Klassik so nah beieinander ausgeübt werden. Ich bin ein großer Fan von Teamwork und Cross-Over-Projekten. Gerne möchte ich Studierende ermutigen, sich ihre Nischen und Alleinstellungsmerkmale zu suchen und auszuarbeiten und nicht nach einem vermeintlichen 08/15-Prinzip ihr Studium zu absolvieren.