Banner Full-Size

Der Freischütz ist eine gute Oper für Kinder

Untertitel
34 Kinder, der Freischütz, die Wiener Philharmoniker und ein Papiertheater in Salzburg
Publikationsdatum
Body

Dass die renommierten Sommerfestivals sich seit einigen Jahren zunehmend auch um ihr junges Publikum bemühen, wurde hier und da schon einmal publiziert. Das folgende Beispiel aus Salzburg ist ein Zeichen dafür, dass eine „gesunde“ Nachwuchsförderung nicht mehr erst bei „Masterclasses“ für Musikstudierende ansetzt, sondern bereits Kinder die Chance erhalten, durch die Teilnahme an einem sogenannten Musik-Camp in die besondere Atmosphäre eines internationalen Festivals „einzutauchen“.

„ Es war mein schönstes Ferienerlebnis, ich könnte dort noch ewig bleiben“, resümierte der 11-jährige Dominik nach einer Woche Arbeit an Webers „Freischütz“. Die Wiener Philharmoniker, die Salzburger Festspiele, tak.tik – die Werkstatt für Musikvermittlung sowie das Papiertheater Nürnberg hatten 9- bis 13-jährige Kinder eingeladen zu einer Musikwoche ins Salzburger Schloss Arenberg, einem Domizil der Wiener Philharmoniker. 34 Kinder mit sehr unterschiedlichen instrumentalen Fertigkeiten, mit Lust auf Musik und Freude am experimentellen Musizieren waren gekommen. Für die Philharmoniker war es die Woche vor der schon im Vorfeld in der Presse vielfach diskutierten Premiere des „Freischütz“ im Festspielhaus.

Hanne Muthspiel-Payer, Elisabeth Aigner-Monarth und Irena Müller-Brozovic erarbeiteten mit den Kindern eine Version dieser wilden Geschichte, die niemand wirklich selbst erleben möchte: dass von einem Probeschuss das Glück abhängt; dass einer zur Lösung seines Problems den Pakt mit dem Satan sucht und scheinbar wirklich ins Unglück rennt; dass letztlich nur die glückliche Fügung hilft. Erstaunlich, wie diese Kinder die Geschichte annahmen, mit Musik und Szene verknüpften. Immer wieder wollten sie diese Musik hören, in Szene setzen und während der Pausen vor sich hin trällern: eine Woche „Freischütz“, von morgens bis abends, bis zu einer eigenen Aufführung! Dies konnte nur gelingen durch große methodische Vielfalt und gezielt eingeplante Pausen.

In einer reduzierten Fassung wurden einzelne Musikstücke auf mitgebrachten Instrumenten oder auf Orff-Instrumenten musiziert; andere wurden gesungen. Bewegungsanimierende Passagen aus der Komposition wurden in Tanzformen gestaltet und das außermusikalische Geschehen zur Musik in Szene gesetzt. Zur Wolfsschluchtszene entwickelten die Kinder eine eigene Musik auf selbst gebauten Instrumenten. Und was alles im Wald zu hören ist, komponierten sie zu einer „Waldmusik“, welche im Festspielhaus „uraufgeführt“ wurde. Bilder wurden gemalt, Texte verfasst. Dass das alles zu einer in sich stringenten szenischen Einheit wurde, war dem Einsatz des Papiertheaters mit Johannes Volkmann zu verdanken. Eine straff gespannte, zwei Meter hohe Papierwand bietet erstaunlich viele elementare Möglichkeiten des In-Szene-Setzens: Agieren vor und hinter der Wand, Projektion von Bildern an die Wand, Schattenspiel mit Licht von hinten, Bemalen des Papiers. Schnitte ins Papier eröffnen Durchblicke auf „Standbilder“ der Kinder, während der Aufführung von hinten ausgeschnittene Felder bilden Rahmen für Bilder. Schließlich fällt der Vorhang mit zwei Schnitten. Auch Kostümteile wurden aus Papier angefertigt. Eine außerordentlich feinsinnige, die Kinder begeisternde Arbeit. Die Woche in Salzburg war von zwei Höhepunkten geprägt. Dies war zum einen: Der Besuch der Generalprobe des „Freischütz“ im Salzburger Festspielhaus wird den Kindern noch lange in Erinnerung bleiben. Dreieinhalb Stunden Aufführung waren für sie kein Problem. Befremdlich erschien den Kindern nicht die Geschichte, sondern manche Einzelheiten der Inszenierung, welche dann auch für reichlich Gesprächsstoff beim Abendessen sorgten. Für die Kinder schien die Teilhabe an der Erwachsenenwelt rund um die Salzburger Festpielsociety in diesem Moment ganz selbstverständlich zu sein. Und der zweite Höhepunkt: Mit einer abschließenden Aufführung der eigenen Version der Oper zusammen mit einem Ensemble der Wiener Philharmoniker ging die Woche im Foyer des Festspielhauses zu Ende. Viele Kinder wirkten auch solistisch mit, trugen dabei hohe Verantwortung. Die Musiker übernahmen einzelne Partien der Oper allein (zum Beispiel die Ouvertüre). Sie „verstärkten“ die Instrumentalparts der Kinder und gaben ihnen den nötigen Glanz. Sie hörten den Stücken der Kinder aufmerksam zu und beobachteten die Aktivitäten an der Papierwand. Es gab ein schlüssiges, auch musikalisch überzeugendes Ergebnis, das alle ansprach, die Kinder, die Musiker, die Eltern, die Verwandten und Kinder. Susanna (9 Jahre) brachte es bei der Verabschiedung auf den Punkt: „Der Freischütz ist eine gute Oper für Kinder.“

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!