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Planetenmission geglückt. Foto: Richard Stöhr
Planetenmission geglückt. Foto: Richard Stöhr
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Expedition ins Reich der Klänge

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Mit einem außergewöhnlichen Konzertformat wurde in Hamburg der „Planet Globokar“ erkundet
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Bei Betreten des Saales in der Hamburger Kampnagel-Fabrik findet man sich am 13. November zunächst inmitten einer transportbedingt verhüllten Skulpturensammlung wieder. Schnell entpuppt sich das Arrangement jedoch als (Klang-)landschaft der besonderen Art: Vier Musikerinnen und vier Musiker in stylisch präparierten „Blaumännern“ betreten nach und nach die Bühne – nein, sie „landen“ auf einem Planeten.

Was bei den Gelandeten zunächst nach einer auffällig schicken, jung-dynamischen und genderspezifisch ausgewogenen Handwerkertruppe aussieht, erweist sich schnell als höchst musikalischer Expeditionstrupp auf der Suche nach allem, was auf „Globokar“ klingt, scheppert, klirrt, rasselt und grooved. Während in der Landschaft gleichermaßen klangvoll wie rhythmisch-exakt gebohrt, geschraubt, gehämmert, geschleudert, gerollt, gedreht, gekurbelt, getrommelt und genagelt wird, schnurren und korrespondieren Bohrmaschine, Akkuschrauber, Hammer, Heulrohr sowie diverse Perkussionsinstrumente in einem virtuosen Spektakel miteinander. Die zahlreichen Verben der Bewegung repräsentieren das, was die Performance ausmacht: eine sich kontinuierlich verdichtende Aktivierung mit musikalisch reizvollem Material, welche Jung und Älter zu innerer Bewegtheit und hoher Konzentration anregt. Im Hintergrund ziehen auf einer Leinwand projizierte Zeichen und Notate einer musikalischen Grafik vorbei. Ob und wann diese umgesetzt werden, ist weniger relevant, hier geht es um das Gesamtkunstwerk.

Nach einiger Zeit taucht zusätzlich zu den acht Musikexpediteuren aus dem Inneren des Planeten durch eine Bodenklappe ein schlicht in schwarz gekleideter Herr auf, der sich als Dirigent des musikalischen Geschehens erweist und seiner Aufgabe durch das Anleiten von Soundpainting-artig angezeigten Live-Arrangements nachkommt. Nach und nach lichtet sich die dichte Deko und die verhüllten Skulpturen laden als Aufbauten von Set-ups mit Perkussion und anderen Instrumenten zu weiteren experimentellen Klangerfahrungen ein. Regelmäßig wird beraten, welche die nächsten Schritte zur Entdeckung von „Planet Globokar“ sein könnten: Mithilfe skizzenartiger Bauanleitungen, die sich in Form eines überdimensionalen Buches im Gepäck des Ensembles befinden, versucht die Belegschaft, dem Planeten stimmsprachlich experimentell, ansonsten aber vollkommen nonverbal, auf die Spur zu kommen. Mit großen Gesten wird über neue Spielaktionen beratschlagt und das weitere Vorgehen angedeutet. Trichterartig geschmiedete Trompeteninstrumente stellen dabei den Kontakt zur Außenwelt her.

Gurgelmusik und andere Klangeffekte

Die Streuung ist groß, das gilt auch für die Musik. Viel Material stammt aus der Feder des musikalischen Leiters und Mitspielers Daniel Riegler, einiges ist volkstümlich angelehnt und von Globokar selbst lassen sich Ausschnitte aus den Kompositionen „Automusique“, „Dvojnost“, „Des mains et des pieds“ und „Jets“ identifizieren. Das traditionelle Perkussionsinstrumentarium mischt sich, wie bereits angedeutet, mit allerlei Werkzeug und Handwerkerzeug in Form von Bohrplatten, Schrauben, Holzkugeln und -klötzen, moderne Sound-Effekte und geloopte Motive wechseln sich mit elektro-akustisch bearbeiteten Klängen des traditionell zum Einsatz kommenden Instrumentariums von Geige, Cello, Kontrabass, Flöte, Saxophon, Trompete, Posaune und Klarinette ab, ein Mikrofon trägt zu Stimmveränderungen bei und stimmliche Gurgelmusik zweier Musikerinnen sorgt für besondere Faszination.

Als klangliches Phänomen nimmt das Gurgeln insgesamt einen exponierten Stellenwert im Gesamtgeschehen ein, indem einige der Blasinstrumente über und unter Wasser gespielt werden. Improvisierte Motive von Posaune, Trompete, Flöte und Saxophon sorgen in beleuchteten Spezialaquarien für interessante Klangeffekte und demonstrieren ein großes Spektrum an „special effects“ auf dem unbekannten Planeten. So schön die Bandbreite an Stimmungen und Emotionen auch ist, ein bisschen Stabilität tut gut, um sich musikalisch nicht in Beliebigkeit zu verlieren. Es dauert recht lange, bis der Kontrabassist einen Ground anstimmt und alle Expediteure zu einem groovigen Jazzstück motiviert. Dieser Moment ist offenbar wichtig, um beim jungen Publikum für neue Aufmerksamkeitsmomente zu sorgen. Eine nicht weniger wirkungsvolle Zäsur erreicht die Inszenierung durch ein Phänomen, das man bereits aus der antiken Komödie kennt, indem alle einschlafen und irgendwann neu inspiriert wieder aufwachen.

Insgesamt lebt das Konzert nicht von den lauten Tönen, man möchte wirklich zuhören und ist gerne bereit, dafür ein hohes Maß an Konzentrationsvermögen aufzubringen. Trotz der an eine Materialschlacht grenzenden Bühnenperformance herrscht gleichermaßen großer Respekt vor jedem noch so kleinen Geräuschmaterial und jedem noch so großen Instrument. Der „Planet Globokar“ wird mit allen Mitteln der musikalischen Kunst entdeckt und dennoch bleibt man bei aller Komplexität ohne Attitüde „on earth“. Alle spielen mehrere Instrumente, beherrschen das gesamte Programm auswendig und beweisen bei einem hohen Maß an Konzentration selbst eine große Spielfreude an ihrem szenischen und musikalischen Agieren. Die Inszenierung lebt von schönen Personenarrangements, Freeze-Szenen und solistischen Momenten, welche die Aufmerksamkeit jeweils an den richtigen Ort des aktuellen Geschehens lenken. Ab fünf heißt ab fünf, so manchem/r (zu) jungen Besucher/in ging irgendwann das Konzentrations- und Abstraktionsvermögen aus, aber fasziniert waren alle von diesem intergenerativen Musikvermittlungsprojekt der besonders feinen Art.

Die junge Musikergeneration scheut den Aufwand nicht

Nur Insider können einschätzen, wie hoch der musikalische und technische Aufwand mit großem personellen Support für diese Koproduktion von Studio Dan (Wien), dem KinderKinder e.V. (Hamburg) und dem „TaO!“ aus Graz wirklich war. Was aber alle Menschen im Publikum spüren konnten, ist die Tatsache, dass man auf eine hervorragend spielende junge Musikergeneration treffen durfte, die bereit ist, enorm viel Zeit in die Inszenierung der von ihr interpretierten, improvisierten und experimentell dargebotenen Musik zu investieren. Mit einem sinnlich-musikalischen Moment zum Träumen ging das Spektakel „auf Globokar“ zu Ende – und damit scheint auch das Ende der Spannungskurve in einem theatralischen Konzert das trotz „reichlich action“ Nähe verlangt und von Intimität lebt, in einem guten Maße erreicht zu sein.

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