„Kultur ist kein Luxus, sondern ein Lebensmittel!“ Mit dieser Überzeugung und einem kühnen Plan im Gepäck begannen Thomas Himmel und ich im Sommer 2000 unsere Arbeit im „Jamliner“, dem Musikbus der staatlichen Jugendmusikschule Hamburg. Wir wollten die Jugendlichen Hamburgs, die sich nie auf den Weg zu einer Musikschule machen würden, dort abholen, wo sie sind: auf der Straße. Und statt sie erst mühsam zu „musikalisieren“ wollten wir von Anfang an kreativ mit ihnen Musik erfinden. Also weg mit der Pfadfindergitarre und den nachgespielten Songs aus der „Liederkiste“ und her mit lauten Beats und eigenen frischen Ideen!
„Kultur ist kein Luxus, sondern ein Lebensmittel!“ Mit dieser Überzeugung und einem kühnen Plan im Gepäck begannen Thomas Himmel und ich im Sommer 2000 unsere Arbeit im „Jamliner“, dem Musikbus der staatlichen Jugendmusikschule Hamburg. Wir wollten die Jugendlichen Hamburgs, die sich nie auf den Weg zu einer Musikschule machen würden, dort abholen, wo sie sind: auf der Straße. Und statt sie erst mühsam zu „musikalisieren“ wollten wir von Anfang an kreativ mit ihnen Musik erfinden. Also weg mit der Pfadfindergitarre und den nachgespielten Songs aus der „Liederkiste“ und her mit lauten Beats und eigenen frischen Ideen! In dem vierzehn Tonnen schweren Proberaum mit angeschlossenem Tonstudio, den wir seither für einen Tag die Woche in ihrem Viertel parken, können Jugendliche lernen, als Band zusammen zu grooven und ihre eigenen Texte dazu zu erfinden. Die selbst kreierten Songs werden selbst eingespielt, abgemischt und am Ende steht immer ein Produkt: die eigene CD!Dabei prallen Welten aufeinander und – fügen sich zu Bands zusammen. Jeder findet seine Rolle im Ganzen und hat am Ende dazu beigetragen, den gemeinsamen Song zum Klingen zu bringen. Und der ist meist radiotauglich und von bestechender Authentizität.
Anders als der Instrumentalunterricht an der Jugendmusikschule ist die Teilnahme an der Arbeit im „Jamliner“ für die Jugendlichen kostenlos und so stellt sich bei unserer „musikalischen Straßenkunst“ immer wieder aufs Neue die Frage: wer soll oder will das bezahlen? Zuerst fuhr der „Jamliner“ deshalb nur an zwei Tagen die Woche: montags nach Veddel, dienstags nach St. Pauli. Die anderen Tage blieb der Ex-HVV-Bus mangels Geld an seinem angestammten Platz auf dem Betriebshof stehen.
Nach über einem Jahr kommen jetzt endlich zwei neue Einsatzorte dazu: seit Februar übernehmen das Hamburger Spendenparlament und der Verein Nestwerk e.V. die Kosten für einen Standort mittwochs in Kirchdorf und die Rotary-Clubs Steintor und Deichtor finanzieren ab April den Einsatz donnerstags in Steilshoop. Auch dort formieren sich nun vormittags Schüler aus den benachbarten Schulen und nachmittags freie Gruppen von Jugendlichen zu Bands mit abenteuerlichen Namen, um mithilfe von Profis am Süppchen ihres eigenen Sounds zu kochen.
In der Abgeschiedenheit hinter blick- und schallisolierten Buswänden wird von jedem Einzelnen viel verlangt. Das Ziel, der eigene Song, ist nicht zu erreichen, ohne dass jeder über seinen Schatten springt, Dinge tut, von denen er fest überzeugt war, sie nie zu schaffen: R. hört nach endlosen Ausflüchten in seine Rolle als „Klassenkasper“ für zwei Minuten auf, lustig zu sein und schafft es so zum ersten Mal, mit den anderen im gemeinsamen Groove zu bleiben. Alle sind froh darüber, weil für einen Moment die Musik so erklingt, wie sie sein sollte.
Bösse Medchen
Fila oder Nike
Scheißegal
Hauptsache du bist innen klar
Die Klamotten allein
Können garnix
Das is doch klar, Miss
Das ist eben so
Wie’s immer war, Miss
Trag’ nich was cool is trag’ was warm is
Ob du im Footlooker kaufst
Oder bei Karstadt klaust
Ob Du die Nägel lackierst
Oder den Jungs mal eine haust
Ist doch Scheißegal
Hauptsache Du bist innen klar
Das ist eben so wie es immer war
Spieglein Spieglein an der Wand
Wer ist die Klügste hier im Land
Ich frag euch laut
Wer ist in oder out
Wer am besten tanzt?
Oder wer am besten klaut?
Ist doch Scheißegal
Hauptsache Du bist innen klar
Das ist eben so
wie es immer war
L. strengt sich mächtig an, um die Reime ihres Raps in der ihr noch fremden deutschen Sprache verständlich rüberzubringen. Wort für Wort wird einzeln geübt, bis es nicht mehr angestrengt klingt.
Und immer läuft bei diesen kurzzeitigen Höchstleistungen das professionell ausgestattete Aufnahmestudio mit. So gehen sie nicht verloren, sondern setzen als bleibende Ergebnisse neue Maßstäbe. Die Klassenkameraden, die solange draußen bleiben müssen fragen erstaunt: „Spricht L. da drin? In der Klasse sagt sie nie ein Wort...“ Wir sagen: „Von wegen Sprechen, sie rappt!“
So gesehen ist jeder selbst errungene Song ein kleines Kunstwerk für sich, das als selbst erzeugtes Lebensmittel auf CD den Bus verlässt, um Teil der kulturellen Nahrungskette zu werden, das merken wir, wenn plötzlich alle anderen aus dem Viertel den Refrain mitsingen können...