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Berlin trauert um Wolfgang Gruner

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Eine große Berliner Schnauze schweigt für immer: Hunderte Hauptstädter haben am Montag in der Berliner Gedächtniskirche in der City West Abschied von Wolfgang Gruner genommen - dem kleinen Kabarettisten mit dem großen Herzen.

Berlin (ddp). Der untrennbar mit dem Kabarett "Die Stachelschweine" verbundene Schauspieler war am 16. März im Alter von 75 Jahren an einer Krebserkrankung gestorben. Zur Trauerfeier war neben Gruners Frau Eva und den erwachsenen Töchtern Stefanie und Sabine auch Bundespräsident Johannes Rau gekommen. Ebenfalls unter den Trauernden vor dem mit gelben und weißen Rosen geschmückten Sarg waren Freunde und Kollegen wie die Schauspieler Wolfgang Völz, Brigitte Mira, Barbara Schöne, Angelika (\'die Lütte") Mann und Friedrich Schoenfelder. Gruners langjähriger Freund Günter Pfitzmann konnte wegen einer Erkrankung nicht an der Trauerfeier teilnehmen. Viele der Kollegen sagten nach der Zeremonie, sie wollten sich lieber lachend als weinend an Gruner erinnern.

Bundespräsident Johannes Rau hatte Gruner kurz nach dessen Tod als große Persönlichkeit sowie unverwechselbaren und großherzigen Kabarettisten gewürdigt. Als Berliner Original bezeichnete Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) den Schauspieler. Für viele Menschen sei Gruner zum Inbegriff des Berliners geworden, sagte Wowereit. Mit feinem Spott habe er die Themen der Zeit aufgegriffen und die Zuschauer mit seinem großen Herzen in ihren Bann gezogen. "Er konnte bissig sein, aber er wollte nie verletzen", fügte der Regierende Bürgermeister hinzu. Bei aller Schnauze sei immer ein warmes Herz zu spüren gewesen.

Als Straßenfeger Otto Schruppke, als Fritze Flink oder Tommy Tulpe habe er liebevoll das Lebensgefühl Berlins verkörpert. "Er war einer von uns, und deshalb wird er uns so fehlen", sagte Wowereit. Zugleich verwies er darauf, dass Gruner in den Jahren der Teilung in ganz Deutschland um Freunde für die gespaltene Stadt warb.

Wowereits Amtsvorgänger, Eberhard Diepgen, der ein Freund der Familie Gruner ist, sprach in sehr persönlichen Worten von der Menschlichkeit, Zuverlässigkeit und Geradlinigkeit des Kabarettisten. Ihm sei es nie nur um die Pointe gegangen, sondern "er wollte auffordern und aufrütteln", etwas bewegen für die Stadt und das Land. Das sei wahrgenommen worden über die Grenzen Berlins hinaus in Ost und West. Dabei habe Gruner immer Partei genommen ohne parteiisch zu sein - außer auf dem Fußballplatz. Diepgen zeigte sich sicher, dass die Menschen in Berlin Wolfgang Gruner nicht so schnell vergessen werden. Noch ein weiterer ehemaliger Regierender Bürgermeister von Berlin nahm Abschied - auch Klaus Schütz (SPD) war in die Gedächtniskirche gekommen.

Gruner war Frontmann und Künstlerischer Leiter des nach dem Zweiten Weltkriegs gegründeten Kabaretts "Die Stachelschweine". Der junge Harald Juhnke hatte ihn Anfang der 50er Jahre dorthin gebracht. Bis zuletzt stand Gruner in dem Programm "Durch diese hohle Kasse muss er kommen" auf der Bühne. Über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt machte ihn das Fernsehen. Bei den ostdeutschen TV-Zuschauern kam beispielsweise seine Parodie von DDR-Partei- und Regierungschef Walter Ulbricht hervorragend an. Zu sehen war er unter anderen mit Kollegen wie Jo Herbst, Achim Strietzel, Wolfgang Neuss, Brigitte Grothum und Dieter Hallervorden.

Schauspielerin Brigitte Mira erinnerte sich an Gruner als "Krawalltüte" und großartigen und wunderbaren Menschen. Er sei ein "Stück Berliner Urgestein" gewesen, sagte Kollegin Barbara Schöne. Sie werde auch angesichts der maroden Finanzsituation Berlins nicht vergessen, dass Gruner bis zuletzt in seinen Bemühungen für die Stadt kein bisschen leiser geworden sei. Und Schauspieler Wolfgang Völz erinnerte sich vor allem an die heitere Seite Gruners: "Wir haben unendlich viel über die Arbeit gestritten und unendlich viel über jeden Scheiß gelacht."

Marion Schierz und Claudia Pietsch