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Das E-MEX-Ensemble aus Essen setzte mit Werken von Michael Denhoff (unser Foto) den Schlusspunkt der Bonner Konzertreihe. Foto: privat
Das E-MEX-Ensemble aus Essen setzte mit Werken von Michael Denhoff (unser Foto) den Schlusspunkt der Bonner Konzertreihe. Foto: privat
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In allem Anfang wohnt ein Ende

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Zum Abschluss der Bonner Konzertreihe WORTKLANGRAUM
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Was macht eine Anzahl von Konzerten zu einer Konzertreihe? Welche Rolle spielen Ort, Zeit, Veranstalter, Profil, Programm? Im Fall von WORTKLANG­RAUM lassen sich diese Fragen leicht und geradezu exemplarisch beantworten. Schauplatz ist der Dialograum an Sankt Helena, ein nicht mehr als Kirche genutztes Gebäude im Bonner Norden, mit auffallend trockener, hellhöriger Akustik und bühnenartiger Erhöhung im ehemaligen Altarbereich. Bei freiem Eintritt und erbetener Spende gab es hier seit 2009 jeden ersten Mittwoch im Monat – von Pausen im Sommer und Winter abgesehen – Konzerte neuer Musik verbunden mit Textrezitationen. Zusammengestellt wurden die jährlich acht Programme vom Bonner Komponisten, Cellisten, Kunst- und Literaturbegeisterten Michael Denhoff, der jede Veranstaltung unter ein Motto stellte und dieses mit einer haikuartig verdichteten Betrachtung ankündigte.

Die ersten Konzerte waren „überkreuz“, „ohnemacht“, „sinnlich“ und „außersich“ betitelt. Später gab es Gegenüberstellungen von „eng“ und „weit“, „vertraut“ und „fremd“. 2015 bestanden die Motti komplett aus zweisilbigen Wörtern gleicher Endung: „flüchtig“, „ewig“, „heftig“, „innig“, selig“, „mutig“. 2018 waren es Adjektive mit derselben Vorsilbe: „verspielt“, „verborgen“, „verändert“, „verrückt“ … Michael Denhoff orientierte sich thematisch sowohl am Kirchenjahr und dessen religiösen Themen als auch an den Jahreszeiten. Zuweilen drängten sich auch aktuelle weltpolitische Begebenheiten auf. Den Trialog von Musik, Sprache und Raum ergänzte häufig auch Bildende Kunst, Malerei und Plastik zum Quartett. Die verschiedenen Künste, Sinnesbereiche und Wahrnehmungsweisen sollten sich wechselseitig beleuchten und die auseinander driftenden Bereiche Kultur und Kirche – die einstmals fast deckungsgleich waren – wieder enger aufeinander beziehen.

Gefördert vom Kulturfonds des Bildungswerks der Erzdiözese Köln wurde die Konzertreihe vom Katholischen Bildungswerk Bonn veranstaltet. Dreizehn Jahre lang war WORTKLANG­RAUM die einzige regelmäßige Veranstaltungsreihe für Musik des 20. und 21. Jahrhunderts in der Bundesstadt Bonn und weithin die einzige kontinuierliche Serie mit Musik und Dichtung. Die Liste der hier vorgetragenen Dichterinnen und Dichter umfasst in der soeben erschienenen Dokumentation sechs Seiten. Der Häufigkeit nach waren es vor allem Texte aus der Bibel sowie von Bachmann, Beckett, Celan, Charms, Enzensberger, Hölderlin, Philippe Jaccottet und hunderten anderer. Noch größer ist die Zahl der aufgeführten Komponistinnen und Komponisten. Zwischen Dieter Acker und Joachim Zoepf ragen als klare Favoriten Michael Denhoff und Johann Sebastian Bach hervor, gefolgt von Cage, Feldman und Kurtág. Von stilistischer Vielfalt und Offenheit zeugen auch die hier gastierenden zahlreichen Kammermusikensembles, Solisten, Schauspielerinnen und Schauspieler, darunter am häufigsten Bernt Hahn, Mark Weigel, Timo Berndt und Bettina Marugg.

Die letzten Ausgaben von WORTKLANGRAUM standen unter den Motti „genial“, „vital“, „viral“ und „final“. Und mit „final“ endete jetzt tatsächlich die Reihe. Bereits zur fünfzigsten Ausgabe hatte Denhoff angekündigt, er wolle noch einmal ebensoviele Konzerte organisieren, um dann aber mit der einhundertsten Veranstaltung aufzuhören. Den Schlusspunkt setzte nun im Mai das E-MEX-Ensemble aus Essen mit zwei älteren auf Samuel Beckett bezogenen Werken von Denhoff aus dem Jahr 1992. Eine geplante Uraufführung für Streichquartett und Klarinettenduo musste wegen Absage des Asasello Quartetts leider ausfallen. Im Wechsel mit der Musik sprachen Gerhard Mohr und Timo Berndt Passagen aus den ebenso apokalyptischen wie clownesken Dialogen von Hamm und Clov aus Becketts „Endspiel“. Eine ähnliche Paarung bildeten Viola und Violoncello in Denhoffs „Since atwain II (Beckett Momente)“. Die Instrumente agieren wie aneinander gekettet, sich abstoßend und gleichzeitig brauchend. Dann wieder flüstern sie mit Flageoletts, plappern mit Trillern, necken sich und säuseln sich zart zu wie das alte Paar Nell und Nagg, das Petra Kalkutschke und Andreas Meidinger aus sarggroßen Pappkisten zu Wort kommen ließen. Und immer wieder tropften matte Pizzikati wie Sand im Stundenglas als Sinnbild von Vergeblichkeit und Vergänglichkeit. „Das Ende ist im Anfang, und doch macht man weiter.“

Durch Denhoffs „Somehow unchanged“ ziehen sich leitmotivisch Seufzersekunden, die wie die zerfließenden Uhren auf Dalís Bildern zuweilen mikrotonal entgleiten. Dass die Linien im Mittelteil aufsteigen und das Ensemble plötzlich in wilden Galopp verfällt, verschärfte als Kontrastmoment nur die insgesamt herrschende Statik des entwicklungslosen Zustands, eben – laut Titel – irgendwie unverändert. Zu Morton Feldmans „Intermissions“ traten die Sprecher mit einzelnen Sätzen hinzu, so dass Klänge und Worte überraschende Beziehungen eingingen, wie es von Anfang an Idee der Reihe WORTKLANGRAUM war und in einhundert Konzerten auf jeweils andere Weise bis zum Finale geblieben ist: „Es ist zerbrochen, wir sind zerbrochen, es wird zerbrechen, es wird keine Stimme mehr geben.“

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