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Opernstudio „Der Barbier von Sevilla“ v.l.n.r. Rosina (Svetlina Stoyanova), Berta (Chen Wang), Basilio (Stanislav Vorobyov) Auf der Stehleiter: links (Bartolo (Misha Kiria), rechts Graf Almaviva (Linard Vrielink). Foto: Bregenzer Festspiele / Karl Forster
Opernstudio „Der Barbier von Sevilla“ v.l.n.r. Rosina (Svetlina Stoyanova), Berta (Chen Wang), Basilio (Stanislav Vorobyov) Auf der Stehleiter: links (Bartolo (Misha Kiria), rechts Graf Almaviva (Linard Vrielink). Foto: Bregenzer Festspiele / Karl Forster
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Herausforderung „lockere Heiterkeit“ – Rossinis „Barbiere“ bei den Bregenzer Festspielen

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Unterhaltsame, gar geistreiche Komik gehört zum Schwersten auf der Bühne. Oft trifft Fritz Kortners knarzige Antwort zu, als ihm nach einer mittelmäßigen Aufführung vorgehalten wurde, er habe doch auch gelacht: „Ja, aber unter meinem Niveau!“ Im Bregenzer Kornmarkttheater gab es viel zu lachen – ohne Schenkelklatscher-Humor und ohne „Zucker für den Affen“…

Um den Anspruch eines „kompletten Festivals“ wirklich zu erfüllen, läuft lange vor den Proben zu den Bregenzer Festspielen auch die Zusammenstellung eines „Opernstudios“ für junge Sänger; ein ihre Entwicklung fortführendes und sie positiv herausforderndes Werk wird gewählt – und zum wiederholten Mal eine herausragende Pädagogin als „spiritus rector“ engagiert: Brigitte Fassbaender, die zwischen „Weltkarriere“ und „Provinz“ alles kennt und dies so vermittelt, dass selbst schon rollenerfahrene Sänger ins Schwärmen geraten.

Nach zwei Mozart-Opern war dieses Jahr Gioachino Rossinis „Il Barbiere di Siviglia“ angesetzt. Mit Daniele Squeo stand ein junger Landsmann Rossinis am Pult des Symphonieorchesters Vorarlberg. Er traf den sprudeligen Grundtonfall der Partitur gut, gelegentlich mal knallig und ließ alle Liebenden aber auch einmal lyrisch zart innehalten.

Die Bühne ist geprägt von der Grundidee des Regieteams: dass Briefe in ernsthaften Liebesdingen doch noch eine zentrale Rolle spielen. So steht ein original knallgelber spanischer „Correos“-Briefkasten vorne links am Bühnenrand. Dominiert wird Dietrich von Grehmers Einheitsbühnenbild aber von einem großen Kasten aus dunklem Holz – er ist riesig vergrößerter Schreibtisch, dessen Deckplatte auch als Dachterrasse dient; der Korpus ist aber auch Wohnhaus mit seitlichen Treppen und nicht einsehbaren Räumen; er erinnert mit vielen Schubladen auch ein wenig an einen alten Apothekerschrank (den Dr.Bartolo ererbt haben könnte); das begehrenswert reiche Mündel Rosina scheint in einer Kammer versteckt, die sie aber neugierig aufklappt, um ins Leben zu schauen und keck herauszuturnen – doch nicht alles ist „alt“ an dem „guten Stück“. Dr. Bartolo hat ein bisschen moderne Welt installiert, um Rosina eingesperrt zu halten: mehrfach zieht er eine Fernbedienung aus der Tasche und lässt mit „Bip-Bip“ die hellen Griffknöpfe an den Schubladen und die Knopfbegrenzungen der Platte aufleuchten und abschließen. Das kann als Strukturbeispiel für die ganze Handlung stehen: heutige Kostüme für alle einschließlich der sechs Chorsolisten, die auch mal als Diener, Postboten, Notar, Offizier und spanische Guardia Civil „Dienst tun“ – und historisch wie heutig „ewig gleiche“ Verhaltensweisen von liebessehnsüchtigen, prompt auch mal grapschenden reifen Herren wie Bartolo und Basilio; ihren Testosteron-Überschuss ausstellenden Jungmannsbildern, gipfelnd in Martin Mkhizes farbigem Figaro mit Bodybuilder-Figur und kernigem Bariton; dazwischen ein schlank agiler junger Almaviva, der gräfliche Prominenz und stets griffbereite Geldbündel gezielt einzusetzen weiß.

Regisseurin Fassbaender zeigt die beiden Frauen der Handlung selbstbewusst in der Abwehr ungeliebter männlicher Attacken – aber dann auch liebend gefühlvoller als alle Männer. Das alles gelang in lockerem Fluss, nie wirkten die jungen Solisten „forciert machend“. So konnte sich der Gesang einfach entfalten: bei der aufs kleine Glück hoffenden Zofe Berta von Chen Wang, dem durchweg intrigant körperlich verbogenen Basilio von Stanislav Vorobyov mit schön schwarzem Jungbass und den perlenden Mezzosopran-Koloraturen von Svetlina Stoyanovas Rosina (deren schöne Tiefe und Mittellage nur von allzu lauter Höhe beeinträchtigt wurde). Und: zusammen mit Dirigent Squeo ließ Pädagogin Fassbaender ihre „Studiosi“ auch alles lernen, also alle Secco-Rezitative mit Hammerklavierbegleitung; alle Arien – und das hieß für Tenor Linard Vrielink seine herausfordernd lange Schlussszene. Da wirkte Rossinis zeitlos quirlig lebendige Musik für unser Zeitgefühl dann doch etwas lang – doch der körperlich und vokal wuchtige, in seinen Presto-Partien staunenswert schnelle Dr. Bartolo von Misha Kiria wusste auch da Rat: per Fernbedienung switchte er das Orchester aus, ließ ordentlich Jubel aus dem Publikum zu – und machte dann in den Zuschauerraum Schluss mit „Bip-Bip“ – kein Lachen unter Niveau!

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