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Theaterakademie August Everding / L'occasione fa il ladro / Artur Garbas und Isaac Tolley. Foto: © Jean-Marc Turmes
Theaterakademie August Everding / L'occasione fa il ladro / Artur Garbas und Isaac Tolley. Foto: © Jean-Marc Turmes
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Herz à la Rossini – Die Burletta „Gelegenheit macht Diebe“ im Münchner Prinzregententheater

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Ach, dieses Italien um 1800! Da ging es zwar politisch drunter und drüber – aber was da zwischen Neapel und Mailand, Rom und Venedig los war… Opernkulinarik vom Feinsten! So einen neunzigminütigen Appetithappen, die Farce „L’occasione fa il ladro“ von 1812, pickten sich jetzt die Theaterakademie August Everding, das Münchner Rundfunkorchester und ein paar Opernprofis heraus und servierten ihn: nicht Tournedos, sondern inhaltsbezogen quasi als „Herz à la Rossini“.

Die Hauptzutaten: während eines Gewitters treffen die Herren Parmenione und Arturo aufeinander; ihre Diener verwechseln die Koffer; Parmenione verliebt sich in das Bildnis der Braut in Arturos Koffer; in Neapel gibt er sich mit dem Pass Arturos als dieser aus – doch die Mannsbilder tappen in die Angst-Intrige der jungen Frauen: Braut Berenice und Freundin Ernestina wollen vor der Heirat prüfen und tauschen die Rollen; man-frau verlieben sich prompt über Kreuz; dazwischen ein überforderter Onkel und hilflose Diener … bis am Ende die richtigen Herzen mit einander serviert werden. Den komödiantischen Zinnober hat der zwanzigjährige Giachino Rossini in elf Tagen mit mal deftigen, mal einfühlsamen, mal prickelnd turbulenten Noten eine Würze verliehen, die Ohren, Herz und Hirn noch heute „gusto“ machen.

Der einhellige Schlussjubel deckte aber zu, dass ein paar „Zutaten“ nicht so ganz… Der 26jährige Wuppertaler GMD Patrick Hahn formte den Gesamtton nicht schlank-rank-frech genug, sondern mehrfach zu rund romantisch. Dafür fegte das einleitende Ton-Gewitter schön stürmisch, amüsierten die Walzeneffekte und Tempobeschleunigungen und Solo-Horn-Töne umgaben Liebessehnsucht wie Sahne. Saarbrückens Schauspieldirektorin Bettina Brunier schienen als Gast-Regisseurin „Statement“ und „jung-künstlerische Freiheit“ wichtig. Also durften Solisten-Studenten und Dramaturgie den Librettisten Luigi Prividali und Rossini „ergänzen“ und „modernisieren“. So wurde aller Musik eine mini-turbulente „Liebes-Erklärung“ der schon kostümierten Solisten vorangestellt: auf Japanisch, Englisch, Salzburgisch, Koreanisch, Polnisch und Deutsch – so schön multi-kulti, wie die Kulturszene international ist. Dass diese Bühnenfiguren dann zwar italienisch sangen, aber auch dazwischen mal was in ihrer Landessprache von sich geben durfte, war teils unverständlich, blieb in verständlichen Fetzen aber zu schlicht bis banal. Das gilt auch für die unsensiblen deutschen Übertitel, die von „okay“ über „super“, „checken“ bis „bescheißen“ danebengriffen.

Dass die Dramaturgie ganz heutig sein wollte und aus zwei Dienern gleich ein Homo-Pärchen konstruierte, blieb zu wenig pikant, weil unter den vier hinzugefügten Köchen ein fein gewürztes Lesben-Paar fehlte. Sahnehäubchen oder Knallbonbons wollen eben gekonnt sein.

Gekonnt drehte sich zu den Verwechslungsturbulenzen ein wechselnd hübsch ausgeleuchteter Kubus von Elisabeth Vogetseder, dessen Rüschenwände für unterschiedliche Räume aufgezogen wurden. Davor und Ende im Zentrum stand eine erst kleine, dann überlebensgroße menschliche Herz-Attrappe. Die Kostüme für die schrägen Typen sahen gewollt grässlich schräg aus und erst zum Liebesdessert durften die beiden Damen traumschön wie ein Teller der „Nouvelle Cuisine“ aussehen. Doch als Erster der sechs Solisten muss Artur Garbas als Parmenione genannt werden: ein überbordendes Bühnentalent mit schönem Bariton. Alle übrigen klangen gut bis ein bisschen bemüht. Für den vom stummen Diener fast zum dauerquirligen Regisseur des Ganzen aufgewerteten Philippo von Philipp Moschitz gilt wie für alle: Weniger Aktionismus und mehr sensibel gewürzte Feinzeichnung hätte womöglich den Gusto des amüsanten Abends erhöht.

 

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