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Simon Rattle

Simon Rattle und das Bundesjugendorchester

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Kindskopf und Stardirigent: Simon Rattle wird 70

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Musik als elitäre Angelegenheit für Kenner? Nicht für Sir Simon Rattle. Er will alle begeistern - und begeistert sich auch selbst für alles Mögliche, von Fußballhymnen bis Blasmusik.

London, Berlin oder München - überall hat Sir Simon Rattle die Herzen des Publikums und der Orchester im Sturm erobert. Queen Elizabeth II. schlug den gebürtigen Liverpooler 1994 gar zum Ritter. Dabei begeistert der deutsch-britische Stardirigent die Menschen nicht nur mit seiner Musik.

Es sind auch seine Freude, sein verschmitzter Humor und sein Bekenntnis, «ein ewiger Kindskopf» zu sein, die ihn so sympathisch und nahbar machen, ebenso wie seine Leidenschaft für Fußball, insbesondere für den FC Liverpool. Am Sonntag (19. Januar) wird der Wahl-Berliner nun 70 Jahre alt.

Musik war in diesen sieben Jahrzehnten immer dabei. Der Vater war Musiklehrer und so bekam der Sohn eine vielfältige Ausbildung. Klavier, Geige und Schlagzeug durfte Rattle lernen - letzteres machte er so gut, dass er mit zehn Jahren in einem Jugendorchester spielte. Fünf Jahre später nahm das Royal Liverpool Philharmonic Orchestra den begabten Jugendlichen in seine Percussion-Abteilung auf. 1971 dirigierte er das erste Mal ein Sinfoniekonzert.

Rattle liebt auch Fußballhymnen

Ein Wunderkind, das aber nicht in einem Elfenbeinturm aufwuchs, sondern in einer Mittelklassefamilie, inklusive Besuch im berühmten Liverpooler Stadion an der Anfield Road, wie Rattle mal dem Westdeutschen Rundfunk (WDR) sagte.

Sein Vater habe ihn ins Stadion mitgenommen. Seitdem begeistert ihn nicht nur der sportliche Aspekt, sondern auch das Stadiongefühl inmitten von Fans, die gemeinsam ihrer Mannschaft zujubeln - in Liverpool mit der Hymne «You'll Never Walk Alone». «Einfach diesen Sound und diese Leidenschaft zu hören und auch in der Mitte dieses unglaublichen Gesangs zu sein, also das ist wirklich eine sehr emotionale Sache für mich», verriet er dem WDR. «Fußball ist keine Kleinigkeit. Wir definieren uns über Fußball.»

Es ist Nahbarkeit, mit der Rattle für sich einnimmt, etwa wenn er erzählt, wie er die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) samt Ehemann bewirtete. Mit Lamm, «acht Stunden im Ofen gekocht», wie er dem «Hamburger Abendblatt» verriet.

«Ich bin die glücklichste Person, die ich mir vorstellen kann»

Doch all das darf nicht vom Eigentlichen Ablenken: der Musik, die ihn quer durch die Epochen begeistert. Vom Barock bis zur zeitgenössischen Musik reicht sein Repertoire, wie auch die Ernst von Siemens Musikstiftung lobte, die dem Musiker gerade ihren Musikpreis zuerkannte. Und auch seinen Einsatz für die Vermittlung von Musik hervorhob.

«Ich bin die glücklichste Person, die ich mir vorstellen kann», sagte der Dirigent der Deutschen Presse-Agentur. «Ich kann mein Leben mit der Kunstform verbringen, die ich bewundere.» Wenn er am Pult steht, springt ein Funke über auf Publikum und Orchester. Seine Musik soll nicht elitär sein, sondern Menschen jeden Alters und jeder Herkunft erreichen.

Ausleben konnte Rattle seine Leidenschaft für die Musik unter anderem als Chef der Berliner Philharmoniker und der Salzburger Osterfestspiele und als Musikdirektor des London Symphony Orchestra. Seit Herbst 2023 ist er Chefdirigent des Symphonieorchesters und Chores des Bayerischen Rundfunks (BRSO), als Nachfolger des 2019 verstorbenen Mariss Jansons.

In München begeistert er sich für Blasmusik

«Das BRSO schätzt sich unendlich glücklich, Sir Simon Rattle, diesen inspirierenden Ausnahmekünstler und wunderbaren Menschen, als Chef zu haben», freute sich das Orchester zum Geburtstag. Und Bayerns Kunstminister Markus Blume (CSU) erklärte, «Musik braucht Visionäre wie Sir Simon Rattle!».

Großes Lob also für einen Briten mit deutschem Pass, der in Berlin seine Heimat hat, sich aber auch für bayerische Traditionen wie die Blasmusik begeistert. In seiner ersten Spielzeit initiierte er einen «Symphonischen Hoagascht», bei dem Profis mit Laien-Ensembles musizierten. «Wie hätte ich dieses fantastische Land Bayern und seine musikalischen Traditionen besser kennenlernen können als über die Blasmusik?», schwärmte Rattle danach.

Presto zum neuen Konzertsaal?

Ist der Dirigent also wunschlos glücklich in München? Nicht ganz. Das seit vielen Jahren geplante Konzerthaus hat die Staatsregierung immer noch nicht gebaut. Wegen dramatisch explodierter Kosten wurde deutlich abgespeckt und die Planungen starten erneut. Rattle bot via «Süddeutsche Zeitung» der Bayerischen Staatsregierung an: «Wir werden helfen, wo wir können: damit das Projekt Presto - und nicht Andante - vorangeht.» Blume versicherte anlässlich des Geburtstages des Stardirigenten erneut: «Der Konzertsaal kommt!».

Einfach nur Familie und Liebe

Wirklich zu Hause in Deutschland ist Rattle in Berlin, wo er mit Frau und Kindern lebt. Dort will er das Geburtstagswochenende verbringen. «Die Familie will mich überraschen. Es ist wunderbar, nicht zu wissen, was mich erwartet», sagte er. Und was wünscht er sich? «Ich will umgeben sein von Familie und Liebe, so einfach ist das.»

 

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