Den artifiziellen Klang, also jenen Klang, der das Künstlerische in sich trägt, also das Geistige, das menschengemacht Besondere, das kunstvolle Tönen … KlangART ist die Vision, in einem kleinen Land das Besondere zu präsentieren, nämlich die zeitgenössische Musik aus Sachsen-Anhalt als eine zeitgenössische Musik für Sachsen-Anhalt. Veranstalter dieses jüngsten Festivals ist die International Academy of Media & Arts e.V. (IAMA) mit Sitz in Halle (Saale). Das dreiköpfige Organisatoren-Team unter Markus Steffen arbeitet mit einem, an der Größe der Aufgabe gemessenen, kleinen Budget aus Öffentlichen Mitteln und den Zuwendungen privater wie gesellschaftlicher Sponsoren. Dabei ist das Bundesland beziehungsweise die Region um Halle und Magdeburg seit 1955 mit den Hallischen Musiktagen, nach 1990 mit dem Tonkünstlerfest und mit politisch gewollter Verdrängung der Musiktage seit etwa 15 Jahren mit dem Impuls-Festival ein Ort der sogenannten Neuen Musik.
Am Ende das Leuchten

Malerei: Korvin Reich, Design: 2025 by Thomas Buchholz
Der als Impuls des Komponistenverbandes schon zu DDR-Zeiten zum Festivalformat entwickelte Wunsch der Komponistinnen und Komponisten nach öffentlicher Präsentation ihrer Werke, ist bis heute ungebrochen. Was jedoch ebenfalls geblieben ist, dürfte der Wille nach einer Art Aussortierung des Angebots sein. Früher besorgten das gesellschaftliche Kräfte auch aufgrund politischer Motivation. Heute sind das Vereine, die mit dem Verweis auf ihre satzungsmäßig dokumentierten Überzeugungen ihre Programmauswahl treffen.
Anstatt der Geschichte die Entscheidung zu überlassen, welche gegenwärtig hergestellte Musik sich letztlich durchsetzt, ist die Auswahl der Darbietungen den verschiedensten, teilweise absurden Kriterien unterworfen. Vornehmlich wird das Kriterium der Qualität angeführt, welches genauer betrachtet die persönliche Anschauung einzelner Veranstaltungs- oder Festivalmanager widerspiegelt.
Aus ähnlichem Problemkreis stammt auch die Aufspaltung des Musikschaffens in ernste Musik und Unterhaltungsmusik. Das Naserümpfen gegenüber der jeweils anderen Sparte verweist auf die „Geschmäcklerei“ Unwissender und ist zumeist wenig begründet. Mittlerweile haben auch ein paar unsolidarische Mitglieder der Verwertungsgesellschaft GEMA erkannt, dass sich aus dem unverträglichen Gegeneinander von U und E fette Beute machen lässt. Man hebt die Wertung der Sparten E und U auf, weil ja Unterhaltung auch ernsthaft und ernste Musik auch unterhaltend ausfallen kann. Damit lassen sich die Tantiemen so berechnen, dass auch der billigste Müll zu ungeahnter Alimentierung führen kann. Vergessen wird die gesetzlich festgelegte Rolle der GEMA als Instrument der kulturellen Förderung. Und wieder ist die Ästhetik Einzelner als Richtschnur für die Lebensfähigkeit von Musik beziehungsweise deren Urheberinnen und Urheber zu erleben. Wenn die vorwiegend kommerziell wirkenden Musikerinnen und Musiker und jene, die artifiziell schaffen, in ihrer angenommenen Unvereinbarkeit zum Gladiatorenkampf übergehen, verlieren beide Seiten.
Positiv kann daher die Initiative des Ministeriums für Kultur unter Staatsminister und Minister für Kultur Rainer Robra bewertet werden, verkrustete Strukturen aufzubrechen. Die Übertragung der Aufgabe an die IAMA, ein neues Festival zeitgenössischer Musik aus Sachsen-Anhalt und für Sachsen-Anhalt zu initiieren, war ein Schritt in Richtung einer Demokratisierung der verschiedenen Arten von Musik. Auch die Frage nach der Außenwirkung stellt sich neu. So manche Festivalakteure begreifen die Internationalität als eine Programmgestaltung, bei der die meisten vor Ort schöpferisch Tätigen ausgeschlossen sind.
Ganz anders hingegen das Festival KlangART Vision. Die meiste hier präsentierte vielgestaltige Musik ist zunächst in Sachsen-Anhalt oder in Mitteldeutschland verortet. Wohl bewusst, dass eine Region, deren Musikschaffen in einer langen Traditionslinie bis in unsere Gegenwart steht. „Von Sachsen-Anhalt aus bauen wir musikalische Brücken in die Welt“, kann man auf der Internetseite des Musikfestivals lesen. Das ist der neue Ansatz einer Öffnung dessen bestes Beispiel der Fanny Mendelsohn Kompositionspreis ist. „Der ‚Fanny Mendelssohn Kompositionspreis‘ wird initiiert vom Fanny Mendelssohn Förderpreis, der Moses-Mendelssohn-Stiftung und dem Musikfestival KlangART Vision.“ ist auf der zugehörigen Seite des Festivals zu lesen. Die Verbindung nach Sachsen-Anhalt geht aus dem Stammbaum der Familie Mendelssohn hervor. Die Familie Mendelssohn stammt von Mendel von Dessau ab. Der deutsch-jüdische Philosoph Moses Mendelssohn (Großvater von Fanny) und sein Bruder Saul waren die ersten, die den Nachnamen Mendelssohn annahmen.
Die für die Preisvergabe tätige Jury war etwa zu fünfzig Prozent mit Mitgliedern aus Sachsen-Anhalt besetzt. Der mit 10.000 Euro zweckgebundene dotierte Preis ging im vergangenen Jahr an den 28-jährigen Komponisten Sunghy Lee aus Seoul (Südkorea). Die Ausschreibung für den diesjährigen Preis läuft noch bis Ende April.
Das Motto des Festivals, wie könnte es anders sein, stammt, anlässlich seines 125. Todestages, von Friedrich Nietzsche. „Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum“, stellte der Philosoph fest. In Sachsen-Anhalts Bildungsministerium ist das eine gewagte These. Nietzsche formulierte auch die geschichtliche Tatsache, dass es niemals eine menschliche Gesellschaft ohne Musik gab. So kommt er zu der Feststellung der Lebensnotwendigkeit von Musik.
Ob das auch für das Unterrichtsfach an allgemeinbildenden Schulen in Sachsen-Anhalt gilt? Immerhin bemüht man sich regierungsseitig, den Musikunterricht bis zur Bedeutungslosigkeit zu reduzieren. Die jetzt noch im Schatten sogenannter Kernfächer dahinvegetierende Schulmusik – oft als Freizeitbelustigung in Arbeitsgemeinschaften ausgelagert – soll nach jüngsten Plänen von derzeit einer Wochenstunde künftig halbiert, also im vierzehntägigen oder halbjährigen Turnus stattfinden. Dabei fördert dankt hinreichender wissenschaftlicher Studien gemeinschaftliches Musizieren das kreative, problemorientierte Denken, das Sozialverhalten, die Konzentrationsfähigkeit, korrigiert Aufmerksamkeitsdefizite und mangelnde Feinmotorik.
Nicht zu vergessen ist Musik Teil einer kulturdefinierenden ästhetischen Bildung. Auf sensible Weise vermag die aktive Beschäftigung mit Musik lokale Verbundenheit zu generieren, ohne in einen unzeitgemäßen Patriotismus vom Stil eines Herrn Putin oder des New-Cowboys aus dem Weißen Haus abzugleiten. Musik ist international und überzeitlich, sie wirkt in allen Situationen des Lebens, vom Liebeslied zur dramatischen Poesie einer Oper, vom staatlichen Symbol zum Trost in Trauer und Verzweiflung. Wer hier zu sparen sucht, vergeht sich am Reichtum der menschlichen Seele. Der Irrtum liegt im Bildungsministerium von Frau Ministerin Eva Feußner, die offenbar die musikalische Bildung in den Schulen Sachsen-Anhalts als nicht notwendig einschätzt.
Im letzten Jahr war in einem Kreuzgangkonzert im Kloster Michaelstein eine große Anzahl von Kindern und Jugendlichen im Publikum, obwohl Bachs Goldbergvariationen und zeitgenössische Vokalmusik kaum dem leider üblichen tiktok-Niveau entsprechen. Eine Hoffnung, gesetzt durch ein engagiert agierendes Musikfestival in einem kleinen Bundesland mit einer „Amusa“ im Bildungsministerium. Selbstverständlich gibt es in diesem Jahr davon eine zweite Auflage. Diesmal geht es um den Wagnerianer Nietzsche. Das Ensemble X.BRASS, bestehend aus 10 Blechbläsern der Anhaltischen Philharmonie und elektroakustische Musik möchten das Publikum in die magische Welt der Gralsburg Monsalvat entführen.
Zu erleben sind die Uraufführungen der Klavierkonzerte von Thomas Buchholz und C. René Hirschfeld, die zu den überregional wirkenden Komponisten Mitteldeutschlands gehören. Am besonderen Ort präsentiert sich das spannende Konzert im Hangar der ehemaligen Flugzeugfabrik Hugo Junkers in Dessau-Roßlau. Für den Orchesterpart konnte das renommierte Kyiv Symphony Orchestra unter der Leitung von Francesco Cagnasso gewonnen werden. Darya Dadykina und Joshua Rupley bestreiten die anspruchsvollen Soloparts.
Es bedarf der Vision von besseren Schulformen, in denen musikalische Bildung aller Art die Welt zum Klingen bringt. Mutige Akteure mit gewagten Ideen an ungewöhnlichen Konzertorten – ein Festival, dem man jährlich wiederbegegnen möchte. Vielleicht klappt es irgendwann auch besser mit der Schulmusikpolitik in Sachsen-Anhalt.

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