Banner Full-Size

Die Zukunft der Musikverwertung

Untertitel
Reform der GEMA
Vorspann / Teaser

Am 15. Mai verpasste der vieldiskutierte Antrag zur Reform der Förderstrukturen in der GEMA die notwendige Zweidrittelmehrheit bei der Mitgliederversammlung in München knapp. Die nächste Mitgliederversammlung soll von 5. bis 7. Mai 2026 in Berlin stattfinden. Somit bleibt ein Jahr, um Kompromisse und Lösungsvorschläge zu finden, die einerseits eine Anpassung der Förderstrukturen an die vielfältige musikalische Realität erlauben, andererseits jedoch auch die Bedürfnisse aller Musikurheber:innen im Blick behalten.

Autor
Publikationsdatum
Paragraphs
Text

Der DTKV hatte bereits vor der Abstimmung betont, dass zwar eine Anpassung der Förderstrukturen erforderlich ist, dabei jedoch nicht kulturelle Vielfalt, soziale Gerechtigkeit und historische Verantwortung der GEMA aus den Augen verloren werden dürfen. 
Wichtig ist nun, dass das kommende Jahr genutzt wird, um in transparenten Verfahren unter Mitwirkung aller Musiksparten Kompromisse zu finden, die eine Reform ermöglichen, ohne dabei Effizienz und kommerzielle Vermarktbarkeit der Musik in den Mittelpunkt zu stellen.

Was ist passiert?

Zur Mitgliederversammlung der GEMA im Jahr 2025 wurde ein Antrag eingebracht, der eine grundlegende Reform des Fördersystems der GEMA für ihre Mitglieder enthielt. Die GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte) ist die führende Verwertungsgesellschaft für Urheberrechte an musikalischen Werken. Ihre Mitglieder (Urheber von musikalischen Werken) übertragen die Nutzungsrechte an die GEMA, diese verwertet die Rechte bei öffentlicher Aufführung bzw. Nutzung der Werke und zahlt die Gewinne als Tantiemen an ihre Mitglieder aus. 

Dabei kommt es für die Höhe der Auszahlung nicht nur auf den eingespielten Gewinn des jeweiligen Musik­urhebers an, vielmehr versteht sich die GEMA auch als Solidargemeinschaft und Kulturinstitution. Deshalb fördert sie diejenigen Mitglieder stärker, deren Werke schwerer zu vermarkten sind und geringere Gewinne einspielen.

Aufteilung auflösen

Bislang gehen 30 Prozent der Einnahmen an die Sparte der „Ernsten“ Musik (E-Musik), während die Mitglieder aus dem Bereich der U-Musik („Unterhaltende“ Musik) für 97 Prozent der Einnahmen verantwortlich zeichnen. Ein zentrales Anliegen im Reformprozess ist es, die strenge Aufteilung der verschiedenen Genres in U und E aufzulösen und die Fördermittel allen Musikern zugänglich zu machen. Dies ist einerseits begrüßenswert, da in der heutigen Realität der Musiklandschaft verschiedene Genres oft nicht trennscharf voneinander abzugrenzen sind und es viele Künstler gibt, die nicht eindeutig dem einen oder dem anderen Bereich zuzuordnen sind. Zum anderen wohnt den Begrifflichkeiten eine gewisse Wertung inne, wird der unterhaltenden Musik doch mit der Benennung der E-Musik als ihrem Gegenstück die Ernsthaftigkeit abgesprochen. Freilich gibt es auch rein kommerzielle Musik ohne tieferen künstlerischen Anspruch, diese erstreckt sich jedoch wohl auch unter den Werken, die bisher der U-Musik zugeordnet werden, auf eine Minderheit. Zudem ist eine Kategorisierung grundsätzlich schwierig: Welche Musik will ausschließlich unterhalten? Welche Musik ist dagegen ausschließlich ernsthaft und will nicht unterhalten? In vielen Fällen liegt die Wahrheit in der Mitte, sodass eine Reform der Grundlage, auf welcher die Einnahmen der GEMA an ihre Mitglieder verteilt werden, durchaus sinnvoll erscheint.

„Fokus Kulturförderung“

Von vielen Seiten wurde jedoch kritisiert, dass einer Neuorganisation in der Form, die auf der Mitgliederversammlung zur Debatte stand, ein rein marktwirtschaftliches Denken zugrunde liege; Komponisten, die bislang der E-Musik zugerechnet werden (im Zuge der Reform als „zeitgenössische Kunstmusik“ bezeichnet), hätten kaum mehr eine Chance, mit ihrer Arbeit Fuß zu fassen und ohne die Fördermittel von ihrer künstlerischen Tätigkeit zu leben, während Urheber von Werken, die häufig öffentlich genutzt werden und sich ohnehin gut kommerziell vermarkten lassen, unverhältnismäßig profitierten. Vorgeschlagen wurde, die Förderung in Höhe von 30 Prozent der Gesamtgelder, die bisher den Urhebern der Sparte E vorbehalten waren, zu nutzen, um eine neue „Fokus-Kulturförderung“ aufzubauen. Innerhalb dieser sollte ein Drittel der Gelder für den sogenannten „aufkommensunabhängigen Zuschlag für Konzertaufführungen der zeitgenössischen Kunstmusik (KUK)“ verwendet werden, während die restlichen Mittel der dynamischen, genreübergreifenden Fokus-Förderung und der „Leuchtturm-Einzelförderung“, in der spezifische Förderprogramme wie etwa Projektförderungen oder Stipendien enthalten sind, zugutekommen sollten. Die verbleibenden 70 Prozent der GEMA-Einnahmen sollten wie gehabt im Zuschlagsverfahren mit Aufkommensbezug, d. h. anhand einer bereits verwendeten Punktebewertung in Bezug auf die Nutzung des Werks, verteilt werden. Dabei sollten die Urheber der E-Musik in das allgemeine Wertungssystem der Sparte U überführt werden und anhand der gleichen (kommerziellen) Kriterien bepunktet werden.

Zentraler Kritikpunkt

Darin liegt ein weiterer zentraler Kritikpunkt an dem vorgestellten Reformvorschlag: Werke, die bislang der E-Musik zugeordnet werden, sind oftmals in vielerlei Hinsicht aufwendiger in der Herstellung – angefangen beim oftmals komplexen Kompositionsverfahren über große (Instrumental-)Besetzungen und hohe spieltechnische Herausforderungen an die Ausführenden bis hin zu kleineren Aufführungsorten und weniger häufigen Aufführungsmöglichkeiten im Vergleich zu vielen Werken der U-Musik. Diese Faktoren würden in der Gegenüberstellung mit kommerziell erfolgreicheren Werken nicht berücksichtigt. Das könnte für Komponisten komplexer Werke, die auf die Tantiemen der GEMA angewiesen sind, das finanzielle Aus bedeuten.

KUK-Kulturzuschlag

Zudem war zu vernehmen, dass es nicht im Sinne der von der GEMA selbst betonten Eigenschaft als Kulturinstitution sei, die Förderung von E-Musik in das allgemeine Wertungsverfahren und einen „KUK-Kulturzuschlag“, der mit 10 Prozent der Mittel finanziert und anhand von Werklänge, Besetzung, begrenzt der Anzahl an Aufführungen und dem sogenannten „Kulturkontext“, hinter dem sich insbesondere der Aufführungsort verbirgt, errechnet wird, aufzulösen. Es erscheine vor allem wenig solidarisch, wenn zur Begründung nicht zuletzt wirtschaftliche Parameter – insbesondere die Stagnation von Aufführungen im Bereich der E-Musik bei gleichzeitigen Anstiegen in der U-Musik und die bereits angesprochene Verteilung der Einnahmen, die zu 97 Prozent aus der U-Musik stammen – sowie das Auslaufen von Schutzfristen für Werke vielgespielter Komponisten der E-Musik wie Prokofjew oder Sibelius angeführt werden.

Umso wünschenswerter wäre es, eine gemeinsame Lösung mit Vertretern aller Musikgenres zu finden, um den Anforderungen der heutigen Musikwelt gerecht werden zu können und sowohl mehr Urhebern den Zugang zu Förderung zu ermöglichen, die in der bisherigen streng binären Einteilung noch in die Kategorie der U-Musik fielen, als auch die schwer kommerzialisierbare „zeitgenössische Kunstmusik“ zu schützen und zu fördern.

Der DTKV hat zur Reform der GEMA ein Positionspapier veröffentlicht:

DTKV-Positionspapier zur GEMA-Reform 2025
Berlin, 9. Mai 2025

Im Rahmen der Mitgliederversammlung 2025 plant die GEMA eine umfassende Reform ihrer Kulturförderung. Der Deutsche Tonkünstlerverband (DTKV) begrüßt ausdrücklich die Initiative, die Förderstrukturen an die veränderte musikalische Realität anzupassen. Zugleich mahnt der Verband eine verantwortungsvolle Ausgestaltung an, die kulturelle Vielfalt bewahrt, soziale Gerechtigkeit sichert und historische Verpflichtungen berücksichtigt.

Notwendigkeit einer Reform

Die bisherige Trennung zwischen „Ernster Musik“ (E-Musik) und „Unterhaltungsmusik“ (U-Musik) braucht in der heutigen, pluralistischen Musiklandschaft eine Reform. Der DTKV unterstützt die Schaffung neuer Strukturen, die allen Musikschaffenden chancengleichen Zugang zu Förderung ermöglichen.

Gerechtigkeit bei der Verteilung der Einnahmen

Komponistinnen und Komponisten, die ihre Werke der Öffentlichkeit präsentieren, müssen von der GEMA nach einem gerechten und transparenten Verteilungsschlüssel bedacht werden. Dabei darf nicht allein die Marktreichweite entscheidend sein.

Schutz kulturell bedeutender Musikformen 

Musikstile, die sich nur schwer marktwirtschaftlich verwerten lassen – darunter klassische und zeitgenössische Musik, Jazz, Independent, Folk sowie Teile der Popmusik – leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur kulturellen Vielfalt. Diese Genres erfordern eine besondere Berücksichtigung im neuen Fördersystem, um ihre Existenz nachhaltig zu sichern. Künstlerische Qualität, Innovationskraft und kulturelle Bedeutung müssen hier einbezogen werden.

Wahrnehmung historischer Verantwortung 

Die Reform bedeutet das Ende des traditionellen Verständnisses der GEMA als schützende Institution für die Kunstmusik. Die Förderpraxis der letzten 100 Jahre wird aufgegeben. Es droht ein massiver Verlust kultureller Vielfalt und Qualität im Musikschaffen. Der DTKV fordert die Schaffung eines gesonderten, dauerhaft eingerichteten Fördertopfes für die Unterstützung dieser Musikgattungen. Eine bloße Übergangsregelung über zwei Jahre ist nicht ausreichend. Zudem sieht der Verband den deutschen Staat in der Mitverantwortung, diese besondere Förderung auch finanziell zu unterstützen.

Sicherung sozialer Ausgewogenheit

Die geplante Reform birgt die Gefahr, dass wirtschaftlich besonders erfolgreiche Urheberinnen und Urheber überproportional von der neuen Förderstruktur profitieren. Um soziale Ungleichgewichte zu vermeiden, schlägt der DTKV die Einführung einer Obergrenze bei Förderausschüttungen vor, insbesondere im Bereich der neuen Fokus-Kulturförderung.

Transparenz und Beteiligung

Der Erfolg der Reform hängt maßgeblich von der Transparenz der Verfahren und der Mitwirkung aller Musiksparten ab. Der DTKV fordert klare Förderkriterien, eine offene Kommunikation sowie eine paritätische Besetzung aller relevanten Gremien.

Fazit:

Der DTKV steht der GEMA-Reform offen gegenüber und erkennt die zukunftsweisenden Potenziale der verschiedenen Reformvorschläge an. Er fordert jedoch, dass kulturelle Vielfalt, soziale Gerechtigkeit und historische Verantwortung nicht den Zielen der Effizienz oder einer rein marktwirtschaftlichen Logik geopfert werden. Nur unter diesen Voraussetzungen kann die GEMA auch künftig ihrem kulturpolitischen Auftrag gerecht werden und die Interessen aller Musikschaffenden wirksam vertreten. 
Deshalb schließt sich der DTKV der Forderung der Rektorenkonferenz der Musikhochschulen an, dass die Reform um mindestens ein Jahr aufgeschoben wird und in dieser Zeit unter Einbeziehung der Betroffenen und ihrer Berufsverbände die Inhalte diskutiert und entsprechend angepasst werden.

Autor
Print-Rubriken
Unterrubrik