Die Bildungslandschaft in Deut-schland ist in weiten Teilen geprägt durch ein historisch gewachsenes Modell aus Halbtagsschule und vielfältigen außerschulischen Bildungsangeboten von beispielsweise Musikschulen, Vereinen, Jugendarbeit und anderen Bildungsträgern. Durch den Rechtsanspruch auf Ganztagsförderung, der ab 2026 sukzessive eingeführt wird, – beginnend im Grundschulbereich – erfährt das bestehende Modell teils erhebliche Veränderungen und Umbrüche. Hierbei sind die Ausgangssituationen in den jeweiligen Bundesländern sehr unterschiedlich, was Herausforderungen für die Definition und Synchronisation von Standards sowie deren praktische Umsetzungsmöglichkeiten mit sich bringt.
Während die öffentliche Diskussion sich vorwiegend um strukturelle Qualitätsmerkmale wie Personalmangel, Raumkapazitäten, Finanzierung et cetera dreht, möchte die Bundesakademie inhaltliche Kriterien einer gelingenden Ganztagsbildung ins Zentrum stellen. Übergeordnete Ziele und Querschnittsaufgaben wie Inklusion, Integration und Chancengerechtigkeit werden mit fachlichen Lerninhalten verknüpft. Dabei steht immer das Kind mit seinen Bedürfnissen, Interessen und Entwicklungspotenzialen im Mittelpunkt und wird als eigenständige Persönlichkeit anerkannt und gefördert. Entwicklungsangemessenes Lernen mit entsprechender Rhythmisierung, Freiräumen und Entfaltungsmöglichkeiten werden in der Konzeption von Fort- und Weiterbildung des künftigen Fachpersonals berücksichtigt.
Der berufsbegleitende Lehrgang „Musikalische Jugendbildung in der Ganztagsschule“ setzt sich als Ziel, Musikschullehrkräfte sowie Musikerinnen und Musikern aus verschiedenen Tätigkeitsbereichen zur musikalischen Gestaltung des Ganztags zu befähigen. In den sechs Phasen werden Prinzipien der außerschulischen Bildung wie Selbstwirksamkeit, Identitätsbildung und Partizipation in musikalischen Kontexten vielfältig umgesetzt: Von Erlebnispädagogik bis Ensembleleitung, von Instrumentenbau bis Klassenmusizieren, von Musiktheater bis Musik-Erfinden werden Wege für eine innovative und schülerzentrierte musikbetonte Ganztagsbildung gemeinsam entwickelt. Zusätzlich erhalten die Teilnehmenden die Möglichkeit, Methoden zum Umgang mit heterogenen Lerngruppen und didaktische Fähigkeiten zur zielgruppengerechten Vermittlung musikalischer Inhalte zu erwerben und anzuwenden. Die erarbeiteten musikalischen Konzepte werden in jeder Phase direkt in Kooperation mit einer Ganztagsgrundschule in Trossingen praktisch erprobt und reflektiert.
Ziel ist es, den Ganztag mit Mitteln der musikalischen Jugendbildung so zu gestalten, dass sowohl Gegebenheiten und Anforderungen von Schule erfüllt werden als auch individuelle Teilhabe sowie informelles Lernen ermöglicht wird. Im Fokus steht dabei immer die persönliche und soziale Entwicklung der Kinder und Jugendlichen, und die Stärkung ihrer Resilienz. Durch Musik entstehen Lernprozesse, mit denen eine Sensibilität für Gemeinschaft und die individuelle persönliche Entwicklung ausgebildet werden kann.
Hinter dem Titel „Ganztag gemeinsam gestalten – mit Musikschule, Kirche & Verein“ steckt eine intensiven Seminarwoche, mit der die Bundesakademie Trossingen all jene zusammenführt, die an Ganztags-Kooperationen beteiligt sind. Diese Kooperationen eröffnen die Möglichkeit, schulische und außerschulische Bildung zu einer ganzheitlichen Bildung mit einem Zusammenspiel von formellem und informellem Lernen zu verzahnen – und somit netzwerk- und sozialraumorientierte Bildungslandschaften zu fördern. Das Seminar betrachtet die individuellen organisatorischen Rahmenbedingungen aller beteiligter Institutionen und gibt Raum für die notwendige Vernetzung: Wie können die notwendigen qualitativen Rahmenbedingungen für einen gelingenden Ganztag geschaffen werden? Wie können Kinder und Jugendliche sich einbringen und kreativ mitgestalten?
Und wie können verschiedene Institutionen und Kooperationspartner nachhaltig zusammenarbeiten und eine motivierende Lernumgebung ermöglichen?
