Die Deutsche Streicherphilharmonie gilt als Vorzeigeprojekt des Verbandes deutscher Musikschulen. Beim Verbandskongress in Dresden wartet der Nachwuchs mit einem anspruchsvollen Programm auf.
Unlängst gab es wieder diesen besonderen Moment. Als die Deutsche Streicherphilharmonie - ein renommiertes Nachwuchsensemble - die Gedenkstätte Buchenwald besuchte, packten die jungen Musikerinnen und Musiker die Instrumente aus, genau an der Stelle, wo früher der Kinderblock des Konzentrationslagers stand. Sie spielten den langsamen Satz aus der «Partita für Streicher» von Gideon Klein. Der tschechisch-jüdische Komponist war Ende Januar 1945 im Alter von 26 Jahren im KZ Fürstengrube gestorben.
«Danach war völlige Ruhe, die Tränen flossen, jeder war sehr bewegt», erinnert sich Wolfgang Hentrich, Chefdirigent des Orchesters. Man habe eine Situation nachempfinden können, in der das Stück von Klein komponiert wurde. Ähnlich berührend dürfte es an diesem Freitag werden, wenn die Deutsche Streicherphilharmonie zur Eröffnung des bundesweiten Musikschulkongresses in Dresden ein Werk von Ödön Pártos (1907-1977) spielt: «Yizkor (in memoriam) für Viola und Orchester», eine Komposition im Gedenken an den Holocaust.
Mit Schostakowitschs 8. Streichquartett in einer Fassung für Streichorchester erklingt ein weiteres hochpolitisches Stück. Es gilt als persönliche Abrechnung des Komponisten mit dem sowjetischen Diktator Josef Stalin. Schließlich gibt es noch eine ganz besondere Aufführung: Tschaikowskis berühmte «Streicherserenade», bei der sich ihr Schöpfer wünschte, dass möglichst viele Musiker sie spielen. Hentrich steht dann vor rund 100 jungen Leuten im Dresdner Kulturpalast. Sein Orchester wird mit 40 Mädchen und Jungen aus sächsischen Musikschulen verstärkt.
Ein Orchester als Schule fürs Leben: Hentrich lobt seine Musiker im Alter von 11 bis 20 Jahren in höchsten Tönen. Ihnen fehle es keineswegs an Leistungswillen und Motivation, sagt der 59-Jährige. Denn in die Streicherphilharmonie komme man nur über ein Probespiel. «Ich finde es toll, wenn junge Menschen sich ein Ziel setzen und sagen: «Den Traum, in einem richtig guten Orchester zu spielen, möchte ich mir gern erfüllen.»» Diesen Geist hat Hentrich - von Hause aus Erster Konzertmeister der Dresdner Philharmonie - stets gespürt.
Nachwuchs kommt vor allem aus dem Ausland
Dennoch macht sich der Violin-Professor Sorgen. Denn an den Hochschulen wird immer weniger deutscher Streichernachwuchs ausgebildet. Die Studenten kommen vor allem aus dem Ausland, oft aus Asien. Das hat nach Ansicht Hentrichs auch etwas mit den Musikschulen zu tun, von denen sich viele in finanziellen Schwierigkeiten befinden. Dort werden die Grundlagen für das spätere Studium gelegt. «Deswegen ist es so gefährlich, den Musikschulen den Geldhahn zuzudrehen.»
Hentrich spricht von einer wichtigen Basisarbeit, die in den Musikschulen geleistet wird - nicht nur mit Blick auf die künftigen Kollegen im Orchester. Auch das Publikum von morgen werde auf diese Weise geschult, denn nicht alle Musikschüler würden später aus ihrem Hobby einen Beruf machen. Tugenden, die beim Unterricht in der Musikschule vermittelt werden, seien auch in anderen Berufen und Lebenslagen wichtig. Hentrich hat selbst erlebt, wie junge Leute während ihrer Zeit in der Streicherphilharmonie reiften.
Musikschulkongress will auch wirtschaftliche Situation thematisieren
Bei der Bundesversammlung des Verbandes deutscher Musikschulen (VdM) am Donnerstag und dem anschließenden Musikschulkongress soll auch die wirtschaftliche Situation der Musikschulen thematisiert werden. Um ungleiche Bildungschancen insbesondere für Kinder aus sozial schwächeren Familien auszuräumen, appelliert der VdM an die Länder, ihrer Verantwortung für die musikalische Bildung von Kindern und Jugendlichen stärker gerecht zu werden, erklärt Verbandssprecherin Claudia Wanner.
Wanner zufolge gefährdet der steigende Fachkräftemangel die wichtige Bildungsarbeit der Musikschulen. «Um neue Fachkräfte für die Musikschulen zu gewinnen, ist ebenfalls eine neue tarifliche Eingruppierung für Musikschullehrkräfte sowie bessere Aufstiegsmöglichkeiten erforderlich, da die tarifliche Eingruppierung seit 38 Jahren unverändert ist.» Ohne eine stärkere Unterstützung durch die Länder werde das zwangsläufig zu steigenden Elternbeiträgen und höheren Belastungen für die Kommunen führen.
Aktuell tragen Eltern und Kommunen den Großteil der Finanzierung, während die Länder im Durchschnitt lediglich gut neun Prozent der Kosten übernehmen, rechnet der VdM vor. Perspektivisch müsse die Förderung durch die Länder bei einem Drittel der Personalkosten liegen: «Nur so kann die Zukunft der musikalischen Bildung gesichert und die gesellschaftliche Teilhabe an Musik unabhängig vom Wohnort gewährleistet werden.»