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Wissenschaft und Kultur

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Das Ungarische Institut München – Entstehung und Zielsetzung
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1987 erlebte die Ungarnforschung in der Bundesrepublik Deutschland eine charakterbestimmende Wende. Im Oktober jenes Jahres wurde im Finnisch-Ugrischen Seminar der Universität Hamburg das Zentrum für Hungarologie aus der Taufe gehoben. Es erinnert schon mit seiner durch ausführliche Tätigkeitsberichte legitimerten Existenz eindringlich an den Sinn der Neubelebung jenes Forschungskonzepts, das in den zwanziger Jahren am Ungarischen Institut der Berliner Friedrich-Wilhelm-Universität von Robert Gragger (1887-1926) entworfen und von dessen Mitarbeiter Julius von Farkas (1894-1958) bis in den Zweiten Weltkrieg hinein mit weitsichtiger Ausdauer gepflegt worden war.

Die als interdisziplinäre Regionalwissenschaft verstandene Hungarologie nahm in der bundesrepublikanischen Ost- und Südosteuropaforschung der Nachkriegszeit über weite Strecken eine nachgeordnete bis unsichtbare Stellung ein. Folglich lag den Verantwortlichen des Hamburger Zentrums im vergangenen Jahrzehnt einiges daran, ihre theoretische Selbsteinbindung in die Graggersche Tradition und damit ihre Vorreiterrolle bei der mentalen wie organisatorischen Modernisierung des Faches herauszustreichen.

Auf den Spuren des im Zweiten Weltkrieg niedergegangenen Berliner Ungarischen Instituts wurden 1946 an der Ost-Berliner Humboldt-Universität sowie 1947/1948 an der Göttinger Georg-August-Universität finnougrische Seminare aus der Taufe gehoben. Sie waren unter der Federführung von Wolfgang Steinitz (1905-1967) beziehungsweise Julius von Farkas` auf dem Gebiet der vergleichenden Linguistik bereits fest etabliert, als der exilungarische Publizist und Redakteur István Jákli im „Sommer 1954 bei Vertretern des ungarischen Exils in München mit dem Vorschlag zur Gründung eines Ungarisches Instituts hausieren ging“.

Die „zündende Idee“ kam ihm im Vorfeld der Tausendjahrfeier der Schlacht am Lechfeld, die eine wissenschaftlich fundierte, aber allgemeinverständliche deutschsprachige Studie in Erinnerung rufen und dadurch betuchte Persönlichkeiten zur Förderung einer ungarischen Forschungsstätte mitten in Bayern „animieren“ sollte.

Das Buch erschien bald, doch außer guten Kritiken brachte es nichts ein. Im weiteren Verlauf seiner Versuche zur Institutsgründung beabsichtigte Jákli, sich das Wohlwollen „der einflussreichsten und finanziell stärksten Institution“ der in Deutschland lebenden Magyaren, des Münchener Ungarischen Büros (Magyar Iroda) zu sichern, weil er der Meinung war, dass deren „aus amerikanischen und deutschen Zuwendungen erstandene Handbibliothek“ den „Grundstock einer wissenschaftlichen Sammlung“ hätte bilden können.

Da diese Vorstöße in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre abermals erfolglos blieben, rückte Jákli mit seinem Vorhaben erst wieder heraus, nachdem er im April 1960 zum Jugendbildungsreferent beim katholischen Oberseelsorgeramt ernannt worden und damit in „eine stärkere Position im Gesellschaftsleben des Exils“ hineingewachsen war. Die erste Adresse bei der neuerlichen Partnersuche war sein Vorgesetzter, Monsignore György Ódám (1912-1978), seit 1950 ungarischer Oberseelsorger für Westdeutschland, den er allerdings vorerst vergeblich ermunterte, Bonner Bundesmittel für die geplante Institutsgründung im „Rahmen der Unterstützung von kulturellen Tätigkeiten der ungarischen Volksgruppe“ einzuwerben. Daraufhin entwickelte Jákli in seinem „Wirkungskreis als Geschäftsführer des Széchenyi-Kreises, einer Vereinigung von Akademikern und jüngeren Intellektuellen im Kölner Raum, Programme, welche die Existenz eines Institutes sozusagen präjudizierten“. Auf deren Bad Godesberger Kongreß im September 1962 erging schließlich unter anderem aufgrund der Befürwortung Thomas von Bogyays (1909-1994) die Empfehlung, eine Széchenyi-Akademie ins Leben zu rufen, vorausgesetzt, in München werde kein Ungari-sches Institut entstehen.

Durch diesen signalhaften Beschluss aufgeschreckt, setzten die früheren Münchener Gesprächspartner, allen voran Prälat György Ódám, nun tatkräftig zur Verwirklichung der Idee István Jáklis an. Sie erreichten, dass im Herbst 1962 mit einer vom Bonner Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte gewährten Starthilfe über den Caritas-Verband Räumlichkeiten im Münchener Stadtteil Haidhausen angemietet werden konnten. Die von Gyula Morel und Jákli erarbeitete Satzung wurde auf der Gründungsversammlung vom 12. Dezember 1962 einstimmig angenommen und in die Obhut des zum 1. Vorsitzenden des Ungarischen Instituts München (UIM) und des gleichnamigen Trägervereins gewählten Thomas von Bogyay gelegt. Jákli übernahm das Amt des Schriftführer-Sekretärs des Vereins Ungarisches Institut München e. V., der beim Registergericht des Amtsgerichts München am 15. März 1963 eingetragen wurde. Heute versteht sich das UIM als wissenschaftliches und kulturelles Institut zur Ungarnkunde mit Arbeitsschwerpunkten in den Bereichen Geschichte, Politik, Kultur, Landeskunde, Literatur, Musik, Kunst und Sprache, wobei folgende Hauptaufgaben auszumachen sind: Konzipierung und Durchführung von historiographischen, politologischen und landeskundlichen Forschungsprojekten auf dem Gebiet der Hungarologie als interdisziplinäre Regionalwissenschaft; wissenschaftliche Beratung; redaktionelle und verlegerische Betreuung von Publikationen; Betreuung von Sammlungen (Bibliothek, Nachlässe, Dokumentationen, Volltextdokumente zur Beziehungs- und Integrationsgeschichte); Durchführung von wissenschaftlichen und künstlerischen Veranstaltungen.

Quelle: www.ungarisches-institut.de; Info: Ungarisches Institut München, Beichstr. 3, 80802 München; Tel. 089/348171; E-Mail: uim [at] ungarisches-institut.de (uim[at]ungarisches-institut[dot]de)

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