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„Rigoletto“ 2021. Foto: © Bregenzer Festspiele/Karl Forster
„Rigoletto“ 2021. Foto: © Bregenzer Festspiele/Karl Forster
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Lyrik vor Spektakel – Die Seebühne der Bregenzer Festspiele präsentiert beim „Rigoletto“ neue Feinheiten

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So geht es also auch: der nach den seit 75 Jahren vielfältigst „aufspielenden“ Wiener Symphonikern benannte große Vorplatz ist weiträumig abgesperrt; zwei große Schleusen ermöglichen die flüssige Prüfung der „3G“-Zulassung – und so strömen die 7000 Tribünenbesucher ohne große Hemmnisse oder falsche Drängelei ins Abendrot der pünktlich beginnenden Freilichtaufführung.

Ein Bilderbuchabend nach fast zwei Jahren Spielpause. Das ganze Planungs- und Verwaltungsteam um Intendantin Elisabeth Sobotka hatte versuchen müssen, die ausverkaufte „Rigoletto“-Saison 2020 um ein Jahr zu versetzen – was nicht mit allen Künstlern und Besuchern möglich war – aber nun für 27 weitere Vorstellungen gemeistert wurde. Doch auch für die auf der Bregenzer Seebühne ja herausragend aufwändige Bühnentechnik stellte sich eine zusätzliche Herausforderung: alles musste „ein Jahr länger halten“, einen weiteren Vorarlberger Winter überstehen und dann einfach funktionieren – bitte ohne Hänger, verzögerungsfrei und geräuschlos…

Denn Regisseur Philipp Stölzl hatte zusammen mit Bühnenbildnerin Heike Vollmer ja links im See eine kleine Spielfläche mit einer vielfach beweglichen, großen Holzhand als Gildas Zuhause bauen lassen. Im Zentrum bildete die große Halskrause eines riesigen Clownskopfes die auch in Bruchstücke auseinander fahrende Zentralspielfläche. Auf der rechten kleinen Spielfläche im See wartete ein festgezurrter Fesselballon darauf, spektakulär zum „himmelhochjauchzenden“ Liebesbekenntnis Gildas „Caro nome“ mit ihr in die Nachtluft zu entschweben. Bis auf ein mehrmaliges, leises (Hydraulik?-)Sirren: Kompliment – alles funktionierte beeindruckend. Geblieben sind natürlich die schon im Premierenjahr 2019 zu bemängelnden umständlichen Klettereien, mehrfachen Anschnallsicherungen für die Solisten und nicht immer in sich stimmigen Über- und Versetzungen der „Rigoletto“-Handlung in die Zirkus-Welt durch Regisseur Stölzl. Immerhin wirkte der handlungsprägende Fluch Monterones – „La Maledizione“ - diesmal deutlicher herausgestellt, etliches Getobe der Zirkusgesellschaft etwas reduzierter.

Doch die größeren Zugewinne kamen von der musikalischen und akustischen Seite. Mit Julia Jones übernahm erstmals eine Dirigentin das Festspielpult: als erfahrene Könnerin spannte sie Extreme der Partitur beeindruckend weit; prompt gab es mehr lyrische Wärme und liebevolles Piano um Vater und Tochter sowie um Herzog und Gilda – und dann fetzten Jones und die glänzend aufspielenden Wiener Symphoniker einen rasanten „Zitti-Zitti“-Chor hin und machten zusammen mit der Geräusch- und Lichttechnik den für Gilda tödlichen Gewittersturm zum fulminanten Höhepunkt des Abends – übergipfelt vom perfekt mitspielenden Wetter: schon anfangs hatte es über dem gefährdeten Vaterglück Rigolettos jenseits des Sees wetter-geleuchtet – und nun zum Finale auch … und dann auch noch Sängerglück von Vladimir Stoyanovs gereiftem, daher differenzierterem Rigoletto, dem mit Diminuendi, Piani und strahlender Höhe beindruckenden Herzog von Long Long und der nicht nur Koloratur-Geglitzer, sondern auch mädchenhafte Süße verströmenden Gilda von Ekaterina Sadovnikova – die drei stellvertretend für das von Levente Pálls nachtschwarzem Sparafucile angeführte festspielgemäße Ensemble.

All das war bestens zu hören: die weltweit imitierten „Bregenz Open Acoustics“ haben das Pausenjahr auch genutzt; zu den 2019 ersetzten 29 Lautsprechermasten um die Tribüne kamen nun weitere 270…! Denn die Akustik-Crew um Clemens Wannemacher will über 96 verschiedene Kanäle die problematischen 70 Millisekunden unhörbar machen: die stellen sich nämlich zwischen der ersten und letzten Sitzreihe ein; also wurden im Zentralbereich der Tribüne unter den Sitzen letztlich unsichtbare schmale Lautsprecher eingebaut. Ergebnis: in der Premiere eine Anfangsphase zu leise, dann zunehmend besser und im Gewittersturm mit jedem Surroundsound im Actionkino mithaltend. Also erwartet die Besucher musikalisches Theater in bestem Freiluft-Format.

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