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Foto: Schlossfestpiele Wernigerode
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Mord in luftiger Höhe – Verdis „Rigoletto“ bei den 23. Wernigeröder Schlossfestspielen

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Wernigerode ist nicht nur ein rausgeputztes architektonisches Fachwerkjuwel, ein Harz-Schmuckstück, das obendrein gut zu erreichen ist. Es wird auch von einem Märchenschloss gekrönt, das allein schon wegen der Aussicht auf die Stadt, den Wald und den Brocken zum Aufstieg verlockt. Im Juli und August gibt’s dazu noch die Schlossfestspiele. In diesem Jahr schon die 23.! Sie bieten nicht nur verschiedene Konzertformate, sondern werben in der Stadt mit ihrem aktuellen Opern-Projekt: Verdis „Rigoletto“.

Für die zwei Dutzend Musiker des Philharmonischen Kammerorchesters Wernigerode und ihren künstlerischen Leiter Christian Fitzner ist das natürlich eine besondere Herausforderung. Die Musiker müssen dafür nicht mal über Land reisen, sondern nur rauf aufs Schloss! Damit ihre sommerlichen Openair-Erlebnisse im intimen Rahmen zum Publikumserfolg werden, braucht man nicht nur das passende Wetter, sondern auch die entsprechenden Werke und Besetzungen. So wie in den Vorjahren mit Gounods „Faust“, Webers „Freischütz“, Flotows „Martha“ oder Smetanas „Verkaufter Braut“ ist es auch in diesem Jahr mit Verdis „Rigoletto“. 

Der über eine Wendeltreppe zu erreichende Innenhof des Schlosses hat Konzertsaalgröße, eine akzeptable Akustik und ist als Kulisse und Teil jedes Bühnenbildes nicht zu überbieten. Die Stammgäste wissen natürlich, dass hier oben auch im Sommer ein frisches Lüftchen weht.

Die Geschichte vom fiesen Herzog, der mit „la donna e mobile“ (dem „O wie so trügerisch sind Frauenherzen“) einen der bekanntesten Verdi-Hits überhaupt schmettern darf, wäre heutzutage das Paradebeispiel für einen #MeToo Fall! An dem moralisch ziemlich verlotterten Hof gibt es bereits jede Menge Opfer der Willkür des Herzogs und seiner Höflinge. Und der Narr Rigoletto macht feste mit, wenn eine Frau vor aller Augen (auch denen des Ehemanns) gedemütigt wird. Pech nur, dass seine eigene Tochter Gilda, die er aus guten Gründen vor diesem Hof fern- und versteckt hält, ins Visier gerät. Der Herzog hat sich als „armer“ Student verkleidet an Gilda herangemacht und die Aufpasserin Giovanna (Christina Campsall) bestochen. Und die Höflinge, die glauben, Rigoletto hielte eine geheime Geliebte versteckt, planen deren Entführung. Sie drehen es so, dass ihnen Rigoletto dabei sogar noch hilft, weil er glaubt, es sei die Frau eines anderen. Richard Hamrin tut sich als Marullo dabei besonders hervor. Der Irrtum Rigolettos ist schnell bemerkt, der Spott der Höflinge beißend. Der Narr gibt einen verhängnisvollen Mordauftrag an Sparafucile. Es kommt wie es kommen muss: Ermordet wird nicht, wie geplant, der Herzog, sondern die eigene Tochter über deren Leiche Rigoletto schließlich zusammenbricht. 

Es gehört zu den geschickten Ideen von Regisseur Oliver Klöter, Gilda am Ende nicht im Sack singen zulassen. Der Vater hält als sterbende Tochter ein Double in den Armen während die wunderbar koloraturblitzende, mädchenhafte Weißrussin Katherina Melnikova erhobenen Hauptes in eine andere Welt entschwindet. Ausstatter Hannes Neumaier hat ich bei den Kostümen im Fundus an einem Mix aus dem 19. Jahrhundert orientiert und die Bühne mit drei separat beweglichen Rahmen - oder Bühnen-Portalen unterteilt. Für den Herzog den üppig goldenen, für Rigoletto und dann für die Mörder-Absteige von Sparafucile (mit diabolischer Schwärze: Milcho Borovinov) und Maddalena zwei schnörkellose. Weil das Orchester seitlich davon und überdacht postiert ist, ergibt sich eine Akustik, die Sänger und Orchester zusammen bestens zur Geltung bringen. Als Rigoletto führt Johannes Beck das Ensemble überzeugend an. Sein Narr ist nicht durch einen ausgestopften Buckel, sondern mit einer Krücke körperlich gezeichnet. Beck macht stimmlich und darstellerisch den zynischen Profispötter genauso wie den mitfühlenden Vater und das tiefgedemütigte Opfer glaubhaft. Neben der hinreißenden Gilda punktet am Ende natürlich besonders die Maddalena von Johanna Brault, die dem Herzog auf Augenhöhe als attraktive Verführerin begegnet. Natürlich braucht‘s gerade in dieser Verdi Oper einen schmettersicheren Tenor. Víctor Campos Leal hat für den Herzog von Mantova (zumindest im Rahmen der Schlossbühne) genau das richtige Format. Am Ende gab es viel Beifall für alle, der auch die von Nevena Živković exzellent einstudierte, durch Solisten aufgerüstete Singakademie Wernigerode für ihr Porträt der Hofgesellschaft einschloss. 

  • Weitere Vorstellungen: 17., 18., 24. und 25. August, jeweils 19.30 Uhr (Ausweichspielstätte bei Regen: Fürstlicher Marstall)

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