Hauptbild
Ulf Paulsen (als der Teufel Marbuel), Rita Kapfhammer (als Katja), Damen und Herren des Opernchores. Foto: © Claudia Heysel
Ulf Paulsen (als der Teufel Marbuel), Rita Kapfhammer (als Katja), Damen und Herren des Opernchores. Foto: © Claudia Heysel
Hauptrubrik
Banner Full-Size

Musikalische Glanzleistung: Dvořáks „Katja und der Teufel“ in Dessau

Publikationsdatum
Body

Antonín Dvořák wollte in seinen letzten Lebensjahren nur noch für die Bühne komponieren. Vor „Rusalka“ vollendete er eine andere Märchenoper, die seit ihrer Uraufführung im Prager Nationaltheater 1899 in Tschechien zum Standardrepertoire gehört, sich aber im deutschen Sprachraum nach der Erstaufführung 1909 in Bremen nicht behaupten konnte. Ein kaum entschuldbares Versäumnis. Das Anhaltische Theater Dessau macht mit dem hierzulande unterschätzten Werk bekannt. Man feierte „Katja und der Teufel“ („Čert a Kača“) auch nach der zweiten Vorstellung mit langem Jubel. Eine Empfehlung von Roland H. Dippel.

Ein bisschen verschroben ist sie schon, die Katja. Ihre hager-ärmliche Mutter hat den letzten Spargroschen in deren Sonntagskleid investiert. Trotzdem beißt kein Kerl an. Am Ende der in Dessau in der tschechischen Originalsprache gesungenen Märchenoper wird Katja am Ende für einige Minuten doch noch zum Star. Antonín Dvořák und Adolf Wenig liebten diese Figur aus Božena Němcovás Märchensammlung, die nur im Ernstfall die an ihr gefürchteten Eigenschaften zeigt – vor allem ein lebhaftes Mundwerk und physische Kraft: Mit der reitet sie sogar den Teufel, nicht er sie. Katja sagt deutlich, was sie denkt und will. Sie darf man nicht denunzieren!

Ein solcher Fehler unterläuft Jakob Peters-Messer in seiner Dessauer Inszenierung nicht. Er fängt genau das Richtige an mit den Figuren, von denen jede durch Sven Bindseils Kostüme treffend skizziert wird: Realistische Joppen und Festtagsschürzen für das ländliche Proletariat, rosa Fräcke für die Teufel und düster lockendes Lila für die Fürstin mit latenten Neigungen für unsagbare Ausschweifungen. Eine Hölle mit Seelentöpfen, dunklen Grotten wie im Chemnitzer „Teufel auf Erden“ wollte man nicht, aber dicke rote Schweife gibt es massenhaft für alle diabolischen Geschlechter. Nigel Watsons Choreographie gelingt leider nur matt, obwohl ihm – was für ein Luxus! – komplett das Ballett des Anhaltischen Theaters zu Diensten stand: Die höllischen Sinnenfreuden bleiben da weit hinter dem zurück, was sich Katja ausmalt. Dass es sich bei Markus Meyers Zellen mit gelben Wänden um Zwischenräume in einem großen Welten- oder Glücksrad in waagrechter Lage handelt, das der Teufel Marbuel als das von ihm zu bestellende Feld aus den Tiefen der Hinterbühne nach vorne kurbelt, wird nicht ohne weiteres verständlich. Trotzdem: Szenische Zurückhaltung passt zu dieser Märchenhandlung besser als die Flucht nach vorn mit Knallchargen und grober Possenreißerei.

Von Dvořák mit tollen Melodiegebilden bedachtes Landvolk wird ausgepresst durch Frondienst, Arbeit gibt es auch an Feiertagen. Auch deshalb gefällt es Katja in der Hölle, wohin sie der elegante Teufel Marbuel unter Vorspiegelung halbgarer Tatsachen lockt, so gut, dass sie dort bleiben will. Das wird den Teufeln doch zu viel und deshalb soll der Schäfer Jirka Katja herausschaffen, zudem den das Volk auspressenden fürstlichen Verwalter vor dem Teufel ‚retten‘ und von diesem dafür eine fette Belohnung einstreichen. Auch die Fürstin kommt, anders als von den Teufeln beabsichtigt, fünf Minuten vor zwölf ungeschoren davon. Sie bereut ihre Sünden, schafft den Frondienst ab, macht Katja reich und Jirka zum ihr nahestehenden Minister...

Eine Hymne an die tschechische Musik

Der Textdichter Adolf Wenig verzichtete, soweit aus den Übertiteln mit der Übersetzung Kurt Honolkas erkennbar, auf eine Psychologisierung und plausible Motivation der Figuren. Dvořák minimiert mit seiner Musik alle Kontraste zwischen Arm und Reich, Groteske und Poesie mit symphonischem Edelschmelz und vier äußerst dankbaren Partien: Das, was in seinem „Jakobiner“ als schwelgerisches Strophenlied an exponierter Stelle steht, hört man in „Katja und der Teufel“ zwei kurzweilige Stunden lang: Die Partitur ist eine Hymne an die tschechische Musik wie Smetanas „Verkaufte Braut“, allerdings weitaus mehr stilisiert, üppiger und etwas manieriert. Der Teufel Marbuel und Luzifer sind eher belcanteske Grandseigneurs als Schelme. Echte Diabolik und Dämonie gibt es in „Katja und der Teufel“ nicht. Mit Kenntnis dieser Oper versteht man Dvořák Klangcharakteristika in der weitaus bekannteren „Rusalka“ besser: Teufel und Wassermann, Katja mit ihrer Mutter und die Hexe Jezibaba, die Fürstin und Rusalka haben hörbare Parallelen im Duktus ihrer Partien und in der von Dvořák zum Niederknien schön instrumentierten Partituren.

Dessau liefert eine festspielwürdige Gesamtleistung. Die Anhaltische Philharmonie unter Elisa Gugou spielt großartig – das Ensemble dazu ist souverän. Es war eine intelligente Entscheidung, für die umfangreiche Partie des Jirka den mit tschechischem Kernrepertoire, italienisch-französischen Partien und Operetten von Dresden und Prag bis Pilsen und Brünn umtriebigen Richard Samek zu holen. Mit Ulf Paulsen (Teufel Marbuel) und Don Lee (Luzifer) wäre die Fürstin höchstwahrscheinlich genauso gern in die Hölle gekommen wie Katja. Rita Kapfhammer switcht in der Titelrolle mit feinem Humor und hinreißender Stimmcharakterisierung zwischen Mauerblümchen, Xanthippe und verkannter Perle. Iordanka Derilovas üppig strahlender Sopran macht noch neugieriger auf das Vorleben der Fürstin, über die Dvořák und Wenig einen Mantel des Schweigens breiten. Der Chor unter Sebastian Kennerknecht, Nebenrollen (stellvertretend erwähnt Constanze Wilhelm und Cornelia Marschall) sowie die gesamte Dessauer Crew hinter der Bühne kreieren ein Glanzstück par excellence. Das sollte sich für die Wiederaufnahme im September 2019 ganz schnell bis Prag, Berlin, München und Wien herumsprechen!


  • Wieder am Sa 28.09.2019, 16:00 – So 20.10., 17:00 – Sa 09.11., 17:00 – Fr 06.12., 19:30 – Sa 21.12., 16:00 – Sa 04.01.20, 16:00 (Premiere: Sa 25.05.2019, 19:30 – Besuchte Vorstellung: Sa 01.06., 17:00)

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!